Kommentar
11:30 Uhr, 24.07.2020

Hyperinflation: Wiederholt die EZB die Fehler der Reichsbank?

Im Zuge der Corona-Pandemie hat die EZB die Geldmenge dramatisch ausgeweitet. Droht eine Hyperinflation wie zu Zeiten der Weimarer Republik?

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Thorsten Polleit, Chefökonom des Goldhändlers Degussa und Honorarprofessor an der Universität Bayreuth, ist ein bekannter Kritiker des sogenannten Fiatgeldsystems. In einem Vortrag für den Hayek-Club Köln hat sich Polleit kritisch mit der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) auseinandergesetzt und ist der Frage nachgegangen, ob durch die ultralockere Geldpolitik der EZB womöglich eine Hyperinflation wie zu Zeiten der Weimarer Republik droht.

Die Wurzel allen Übels liegt für Polleit im Fiatgeldsystem, bei dem die Währung nicht mehr physisch besichert ist, sondern die Geldmenge durch Notenbanken und Geschäftsbanken unbegrenzt vermehrt werden kann: "Das Fiatgeld hat eine Reihe von ökonomischen und ethischen Defekten", betont Polleit in seinem Vortrag. "Zunächst ist es inflationär, das heißt es verliert seine Kaufkraft im Zeitablauf (...), es sorgt auch für eine ungerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen, bereichert sozusagen Einige auf Kosten Vieler und man kann durchaus sagen, dass Fiatgeld sozial ungerecht ist. Fiatgeld sorgt auch für Wirtschaftsstörungen, sogenannte booms und busts, Fiatgeld treibt die Volkswirtschaften in die Überschuldungsfalle und es lässt vor allem auch den Staat immer größer und mächtiger werden, Stichwort 'Deep State'. Die staatseigene Zentralbank kann die Fiat-Geldmenge beliebig ausweiten und den Staat mit Krediten zu günstigen Konditionen finanzieren. Die Finanzkraft des Staates wächst auf diese Weise über alle Maßen an. In Demokratien setzt das einen recht unheilvollen Prozess in Gang. Die Regierungen kaufen Wählerstimmen auf Pump [und] die Wähler lassen sich das gefallen, wenn die Regierenden das finanzielle Füllhorn über ihnen ausschütten. Der Staat dehnt sich auf diese Weise immer weiter aus, dringt in jeden Wirtschafts- und Gesellschaftsbereich vor. Die freie Marktwirtschaft und die freie Gesellschaft fallen ihm dabei früher oder später zum Opfer."

Wie stark das derzeitige Geldsystem zur Inflation neigt, zeigt Polleit anhand der Ausweitung der Geldmenge in den vergangenen Jahren. So führt Polleit aus, dass die Geldmenge M3 sich seit der Euro-Einführung als Recheneinheit im Jahr 1999 um durchschnittlich 5,3 Prozent pro Jahr erhöht hat. Die Löhne in Deutschland seien in der gleichen Zeit nur um 2,1 Prozent gewachsen. "Vereinfacht gesprochen heißt das also, irgendjemand ist viel, viel reicher geworden (...), wenn Sie einen Einkommenszuwachs von nur durchschnittlich 2,1 Prozent pro Jahr verbuchen konnten." Während die Geldmenge M3 um 5,3 Prozent pro Jahr wuchs, erhöhte sich außerdem das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP), also die Menge aller Waren und Dienstleistungen, nur um 1,2 Prozent pro Jahr. Ein kontinuierlicher Kaufkraftverlust, abzulesen an steigenden Verbraucher- und oder Vermögenspreisen, ist also fester Bestandteil des Fiatgeldsystems. So verwundert es auch nicht, dass der Euro bezogen auf die Konsumgüterpreise seit seiner Einführung einen Wertverlust von 30 Prozent verzeichnet hat. Im Vergleich zu Gold hat der Euro sogar 81 Prozent seines Wertes verloren, wie Polleit ausführt.

Die starke Ausweitung der Zentralbankbilanz, die spätestens mit der Finanzkrise von 2009 begann, wird sich im Zuge der Coronakrise erneut beschleunigen. Im Zuge einer "groben Kalkulation" rechnet Polleit vor, dass sich die Geldmenge M3 in den kommenden fünf Jahren um insgesamt rund 80 Prozent erhöhen könnte. Die Kaufkraft des Euro könnte dadurch um ca. 44 Prozent abnehmen. Das klinge zwar noch recht kontrolliert, allerdings könne aus einer hohen Inflation letztlich immer auch eine Hyperinflation werden. "Ich betone, das muss nicht so sein, aber das kann so sein", sagt Polleit. Komme die Inflation überraschend, dann könne sie zu einem sich selbst beschleunigenden Prozess werden. "Genau das geschah in der Weimarer Republik. Die Geldmengenvermehrung nahm ein derartiges Ausmaß und [eine derartige] Geschwindigkeit an, dass die Menschen eben erwartet haben, die Geldmengenvermehrung kommt gar nicht mehr zum Stillstand, sie beschleunigt sich immer mehr und dann gibt es eine Flucht aus dem Geld und letztlich ist dann das Geld kaputt." Allerdings hätten die heutigen Zentralbanker wohl aus den Erfahrungen der Vergangenheit gelernt und könnten durch unterschiedliche Maßnahmen einen Zusammenbruch möglichst lange hinauszögern. So werde die wahre Natur der Zentralbankmaßnahmen systematisch verschleiert, durch die Null- oder Negativzinsen werde die Schuldentragfähigkeit der Volkswirtschaft erhöht und im Notfall könne durch Maßnahmen wie Helikoptergeld die Geldmengenausweitung durch die Zentralbank auch erzwungen werden.

Als Folge der Geldmengenausweitung befürchtet Polleit vor allem eine Ende der freien Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung und ein Abgleiten in eine Staatswirtschaft, in der die Regierung über Produktion und Konsum und die Notenbank über die Erteilung von Krediten entscheidet. "Der derzeitige Weg führt, und das muss man aus liberaler und libertärer Sicht so diagnostizieren, jedenfalls zusehends in eine unfreie Wirtschafts- und Gesellschaftsform." Als Lösung des Problems befürwortet Polleit eine "Entstaatlichung des Geldes", also Privatwährungen, die in freiem Wettbewerb zueinander stehen. "Ob die freie Gesellschaft eine Zukunft haben wird, wird mehr denn je davon abhängen, ob das staatliche Geldmonopol abgeschafft wird", sagt Polleit.

Der gesamte Vortrag von Thorsen Polleit kann auf Youtube angesehen werden.


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6 Kommentare

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  • Rente
    Rente

    30% Kaufkraftverlust in 20 Jahren macht knappe 1,3 % Inflationsrate pro Jahr.

    Inflationsziel der EZB pro Jahr 2%.

    Geldmengenwachstum M3 in 20 Jahren 5,3% pro Jahr.

    Wo ist die Inflation? Ich sehe sie nicht.

    16:24 Uhr, 24.07. 2020
  • Stockhorn
    Stockhorn

    Ein sehr kluger Mann, ich lese schon sehr sehr lange seine Marktberichte. Und ja, er hat völlig recht und einer der wenigen, die das Geldsystem absolut verstanden haben. Selbst die SNB und deren Präsident Jordan haben es noch nicht verstanden oder besser, wollen es nicht verstehen. Ja dass dieses Geldsystem in die Luft fliegt, ist nicht die Frage OB, sondern WANN! Die Notenbanken werden es noch sehr lange herauszögern. Ein sicheres Zeichen vor dem Kollaps sind dann rigorose Gold- und Bargeldverbote, damit keiner flüchten kann. Dann weiss man, jetzt ist es gleich so weit und eine Währungsreform wird kommen. Wir sind heute auch am Ende, man sagt, ein Fiatgeld lebt gut 70 Jahre, bevor es explodiert. Das wäre jetzt rum. Aber dank den lieben Zentralbanken wird es vermutlich noch gut 5-10 Jahre überdauern. Die Umverteilung soll ja auch abgeschlossen sein!

    13:25 Uhr, 24.07. 2020
  • No Panik
    No Panik

    Endlich mal ein Artikel, der die Gefahren und Folgen zeigt ohne ins abenteuerliche Irrationale abzugleiten. In der Weimarer Republick entstand die Hyperinflation durch die Bezahlung der Arbeiter im Ruhrgebiet, die in Generalstreik getreten waren, da die Franzosen das Ruhrgebiet besetzt haben weil die Reparationen nicht mehr bezahlt werden konnten. Dies entspricht dem heutigen Lockdown bei dem Helikoptergeld/Kurzarbeitergeld oder ä. ohne Leistungserbringung gezahlt wird. Sollte also Corona anhalten, droht uns diese Situation. Im Prinzip ist aber Helikoptergteld für kurze Zeit genau das Richtige: Es fördert den Konsum und die Nachfrage und damit die industrielle Auslastung und das System kommt wieder in Gang.Dann allerdings müßte mittelfristig das Geld wieder eingesammelt werden, was aber - und das ist der Fehler - nicht geschieht. Jedes mal läßt sich die FED erpressen und bläht die Geldmenge wieder auf, sobald irgendein Unheil droht (kursrückgänge, Immob. Zinsen steigen, etc.). Die FED läßt sich somit erpressen von Politikern und Wall Street und sorgt immer für gute Renditen bei den Aktionären und Immobilieneigentümer bzw. in der Finanzindustrie: Dies führt zu den bekannten Folgen, Investoren werden reicher und reicher, Nichtinvestoren werden ärmer und ärmer, da sie nur ihr mageres Gehalt aus ihrer Arbeitskraft erhalten.Soziale Unruhen sind die Folgen, was wesentlich schlimmer ist als "Staatswirtschaft".

    Kreditvergabe durch den Staat: ist M.E. besser als durch die Banken: siehe z.B. Kaufhof/Karstadt: KFW gibt 90% des Kreditvolumens, der Eigentümer schießt mehr als 100 Mio. hinein, aber die Bank ist zu dämlich und unfähig 10% des Kreditvolumens zu tragen, weshalb Kaufhof in die Abwicklung rutscht. In den Banken sitzen nur Angsthasen und Idioten, die nur am eigenen Vorwärtskommen interessiert sind (und in der Regel, wie bei der Deutschen Bank: Ackermann und Co die Bank plündern), nicht am Wohl der Bank oder der Kunden oder der Volkswirtschaft. Aus diesem Grund erhalten nur diejenigen Kredite die bereits Vermögen im Überfluß haben und durch die erteilten billigen Kredite weiter reich werden, der die Kredite braucht erhält sie nicht. Die Dysfunktion der Banken ist somit ein erheblicher Beschleuniger der Kriese zu den sozialen Problemen. Allerdings muß man zugeben, das durch Basel 2,3,4 etc und sonstigen Auflagen, die Banken auch nicht mehr handeln dürfen und so überreguliert sind, dass sie ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen können, weshalb der Bankensektor in D zugrunde geht, während er in den USA wächst. Wettbewerbsverzerrung und staatliche Überregulieren bei fehlender Kontrolle (siehe Wirecard). In den Aufsichtsorganen des Staates und in der Beamtenschaft sitzen eben häufig nur Hobyarbeiter, Theoretiker, Berufspolitiker (die niemals in der Wirtschaft gearbeitet haben) und Arbeitsverweigerer, die sich nur im Urlaub und in der Freizeit verwirklichen nicht aber in Ihrem Beruf. Entsprechende Misere ist die Folge.

    12:48 Uhr, 24.07. 2020
  • Market Impact
    Market Impact

    Der wichtigste Satz: "Ich betone, das muss nicht so sein, aber das kann so sein", sagt Polleit.

    Morgen kann auch in China ein Sack Reis umfallen.

    12:47 Uhr, 24.07. 2020
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Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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