Kommentar
11:28 Uhr, 02.06.2015

GOOGLEs genialer Plan

Google hat einen genialen Plan. Dieser Plan wurde vergangene Woche auf der Entwicklerkonferenz konkretisiert. Die Aktie reagierte darauf gar nicht, dabei hätte sie bei diesen Aussichten ordentlich anziehen müssen.

Erwähnte Instrumente

  • Alphabet Inc. (Class A) - WKN: A14Y6F - ISIN: US02079K3059 - Kurs: 549,21 $ (NASDAQ)

Wenn ein Unternehmen einen wirklich guten Business Plan hat, diesen ständig verbessert und eine immer dominierende Rolle in vielen Bereichen des Lebens einnimmt, die Aktie aber nicht reagiert, dann läuft etwas schief. Google hat geniale Produkte in der Pipeline, die dem Unternehmen noch mehr Bedeutung im Netz einräumen werden. Investoren lässt das kalt. Das deutet darauf hin, dass sie es einfach noch nicht verstanden haben.

Verübeln kann man es den Aktionären nicht. Google ist in vielerlei Hinsicht brillant. Wenn es allerdings um die Kommunikation mit Aktionären geht und darum den eigenen Business Plan zu erklären, dann steckt Google noch in den Kinderschuhen. Dieses Manko hat für Anleger auch Vorteile. Die Aktie ist derzeit zu einem vernünftigen Preis zu haben und wird vermutlich auch erst noch einmal billiger, bevor sie wieder richtig loslegt.

Investoren warten darauf, dass Google seine hohen Barbestände (fast 70 Mrd. USD) über Dividenden oder Aktienrückkäufe ausschüttet. Die Wartezeit darauf ist schon recht lang und kann sich auch nochmals deutlich verlängern. Im Gegensatz zu anderen Unternehmen sind Google noch nicht die Ideen ausgegangen wie man Geld auch wieder richtig investieren kann.

Vergangene Woche kündigte Google gleich mehrere ziemlich beeindruckende Neuigkeiten an. Die Basis wurde und wird weiterhin von fünf Erfolgsprodukten getragen: Google Search, Gmail, Google Maps, Youtube und Android. Alle diese Produkte haben jeweils mehr als eine Milliarde Nutzer. Das für sich genommen ist schon sehr beeindruckend. Google will allerdings mehr.

Google hat für sich selbst eine sehr klare Mission formuliert. Sie wollen das Leben der Menschen einfacher und angenehmer machen. Unter diesem Motto stehen alle Produkte, die Google anbietet. Der bisherige Erfolg gibt dem Unternehmen Recht. Wettbewerbsbehörden sehen den Erfolg inzwischen durchaus als Bedrohung an, weil Google immer mehr zum Monopolisten wird. Mit den neuen Produkten wird sich das wohl kaum ändern, sondern eher noch verstärken.

Google schleicht sich in alle Lebensbereiche der Menschen. Sie tun dies viel besser als andere Unternehmen, weil Verbraucher nicht extra für die Produkte von Google zahlen müssen. Das Paradebeispiel ist Android. Das Betriebssystem hat auf dem Smartphone Markt einen Marktanteil von 80%. Diesen Marktanteil hätte Google wohl kaum erreichen können, wenn Konsumenten für das System so viel zahlen müssten wie z.B. für Microsoft Produkte.

Android hat sich nicht nur auf dem Smartphonemarkt durch Open Source und Kostenfreiheit einen wichtigen Platz verschafft. Android wird in Zukunft wahrscheinlich auch das Betriebssystem mit dem größten Marktanteil für Autos sein. Führende Autobauer wie General Motors, Ford und Hyuandai (insgesamt sind 35 Hersteller beteiligt) arbeiten mit Google zusammen und werden für ihre Autos bzw. bestimmte Modellreihen Android verwenden.

Wieso braucht ein Auto überhaupt ein Betriebssystem? Der Trend geht immer mehr zum Auto als Computer. Hersteller wie Tesla sind Vorreiter. Hier bekommt jedes Auto regelmäßig Updates und kann danach mehr, z.B. ohne Fahrer ein- und ausparken. Ebenso sollten die im Auto heutzutage installierten Bildschirme alles darstellen und können, was auch das Smartphone kann.

Mit Android Auto gibt es eine perfekte Schnittstelle zum Android Smartphone. Dort hört es noch lange nicht auf. Android TV ist auf dem Weg. Sony, Sharp und Philips haben bereits angekündigt Android TV zu verwenden. Das Betriebssystem ist damit in fast allen wichtigen Geräten des Konsumentenlebens vertreten. Es ist auf dem Smartphone, dem Fernseher, dem Tablet, der Uhr, im Auto und zukünftig auch in allen anderen Geräten, die mit dem Internet verbunden sein können.

Google bringt die abgespeckte Version von Android, Brillo, heraus. Brillo ist ein Betriebssystem für elektronische Geräte wie Kühlschrank oder Herd. Immer mehr elektronische Geräte werden mit Chips ausgestattet, die es ermöglichen die Geräte mit dem Internet zu verbinden („Internet der Dinge“). Viele Hersteller werden wohl Brillo verwenden. Sie haben dadurch einen Kostenvorteil und müssen sich nicht selbst um die Entwicklung eines Betriebssystems für den Kühlschrank kümmern. Viele, vor allem kleinere Unternehmen, haben gar nicht das Wissen, um selbst ins Softwaregeschäft einzusteigen. Brillo kommt da sehr gelegen.

Wer ein Android Smartphone hat, der weiß mit einem Blick aufs Smartphone, was im Kühlschrank ist und was nicht. Die Vision, die hinter solchen Spielereien steht, ist die Verbindung aller Lebensbereiche und die Vereinfachung des Lebens. Das funktioniert am besten, wenn es keine Kompatibilitätsprobleme gibt. Android und Brillo garantieren das.

Google hört bei der reinen Konnektivität nicht auf. Maschinen sollen letztlich selbst intelligenter werden und dem Menschen assistieren. Google arbeitet daran, dass die Suche über Google auch unspezifische Sprache versteht. Das war bisher ein großes Problem. Ein Beispiel: man hört Musik und möchte wissen, wer der Sänger ist. Einen Menschen würde man fragen: „Wie heißt der noch mal?“ Bisher war es für Maschinen ziemlich schwierig eine solche Frage korrekt zu interpretieren, weil Maschinen den Kontext nicht verstanden haben. Google Search kann diesen Kontext nun verstehen. Höre ich über mein Smartphone Musik und möchte wissen wie der Sänger heißt, dann frage ich Google einfach danach und die Suchmaschine versteht, was ich meine.
Diese Kontexterkennung revolutioniert vieles. Ich kann mein Smartphone in Zukunft fragen, wann mein Flug geht. Bisher hätte das Smartphone einfach nicht verstanden, was ich mit „mein“ Flug meine. Über Google Now hat man einen vergleichsweise intelligenten mobilen Assistenten, der Zusammenhänge versteht.

Damit das System Zusammenhänge besser versteht muss es lernfähig sein. Dafür gibt es letztlich Algorithmen. Solche wendet Google an, um Informationen zu ordnen und zu präsentieren. Vieles ist ja schön und gut, aber vor lauter Möglichkeiten, tausenden Apps und Updates blickt nicht mehr jeder durch all die Information. Damit ist man überall konfrontiert. Heutzutage werden so viele Daten produziert wie nie und es werden täglich mehr. Durch kleine und mobile Geräte sowie vergleichsweise billigen Speicherplatz macht man heute im Urlaub nicht mehr nur 50 Fotos, sondern 500 oder 5.000. Kann man die jemals ordnen? – Vermutlich nicht.

Für Fotos und Videos – wahrscheinlich die derzeitig beliebteste Kommunikationsform überhaupt – gibt es nun Google Photos. Google Photos stellt jedem Nutzer unbegrenzten (!) Speicherplatz zur Verfügung. Man kann dort tausende Fotos speichern. Macht man die Fotos von einem Android Gerät muss man gar nicht mehr synchronisieren oder ein Backup machen.

Speicherplatz ist das eine, die Ordnung von Information das andere. Google Photos soll intelligent sein. Man muss Fotos nicht mit Tags belegen, sondern kann einfach nach Fotos suchen, indem man Stichworte gibt, z.B. „Urlaub 2014 China.“ Die entsprechenden Fotos werden angezeigt. Woher weiß Google Photos welches Foto wo gemacht wurde? Es weiß es durch Daten, die durch das Smartphone oder den Computer gesammelt wurden.
Google hat noch sehr viel mehr in der Pipeline. Viele Funktionen wird man zukünftig auch offline verwenden können. Google Maps ist so ein Fall. Das ist eine richtige Revolution.

Das alles klingt gut. Als Anleger fragt man sich jedoch: Wie verdient Google mit all diesen Projekten und Produkten Geld? – Auf den ersten Blick ist das nicht erkennbar. Daher lässt Anleger die Flut von ziemlich weltbewegender Innovation auch kalt. Auf den zweiten Blick erkennt man den großen, genialen Plan. Google ist überall präsent. Man kommt an Google einfach nicht vorbei, ob beim Smartphone, Auto oder der Smart Watch. Dazu hat Google durch die Open Source Politik den Vorteil, dass das System nicht an ein spezifisches Gerät gebunden ist. Bei Apple hat man Pech, wenn man das Gerät nicht mag. Apple gibt es nur in ein oder zwei Smartphonemodellen. Bei Google ist das anders. Tausende Hersteller verwenden Android. So gibt es nicht nur eine Google Smart Watch, sondern tausende Modelle, weil die meisten Hersteller als Betriebssystem Android verwenden.

Durch die Allgegenwärtigkeit kann Google ohne Ende Daten sammeln. Dadurch wiederum kann alles sehr viel besser individualisiert werden. Der persönliche Assistent Google Now ist sehr viel effektiver als andere, weil eine Unmenge an Daten zur Verfügung steht, die die Persönlichkeit des Nutzers beschreiben.

Das wichtigste ist jedoch, dass der Anreiz für Hersteller und Nutzer groß ist Google Produkte zu verwenden. Es macht Produkte für Unternehmen günstiger und das Leben der Nutzer leichter. Google bleibt bei diesem Geschäftsmodell und finanziert weiterhin alles über Werbung. Google vereinfacht das Leben. Daher nutzen immer mehr Menschen weltweit Google Produkte. Durch höhere Nutzerzahlen und immer mehr Daten kann Google Werbung effizienter machen.

Bisher hatte Google ein Problem auf mobilen Geräten den Erfolg auf den Desktop Computern zu replizieren. Auf Smartphones nutzt man eher Apps als Google Search, welches auf dem Desktop so ziemlich jedes online Erlebnis beginnen lässt. Durch die Möglichkeit nun direkt über Google in Apps zu suchen, indem man mit dem Smartphone spricht, hat Google den Sprung auf das Smartphone geschafft – und wie es das geschafft hat!

Anstatt irgendwelche Search Apps zu machen hat Google die Suche einfach in alles integriert bzw. übergestülpt. Man muss eine App nicht mehr verlassen, um mit Google Search in Verbindung zu kommen.

Anleger werden von all dieser Innovation nicht viel merken, zumindest nicht in den kommenden ein oder zwei Quartalen. Langfristig ist ziemlich klar, dass Google das Internet beherrschen wird wie kein anderes Unternehmen. Anleger verstehen das noch nicht so richtig.

Mir persönlich ist das ganz Recht. Vor einigen Wochen war ich schon einmal kurz in der Aktie von Google drin, habe mich dann allerdings entschieden wieder auszusteigen. Langfristig habe ich keine Zweifel, dass Google als Investment große Freude bereiten wird. Kurz- bis mittelfristig besteht jedoch kein Handlungsbedarf, weil der Markt die Perspektiven nicht erkennt. Unter solchen Umständen macht es keinen Sinn zu investieren. Aus fundamentalen Gesichtspunkten ist vielen Investoren egal, ob der Markt das Potential in naher Zukunft erkennt oder nicht. Es wird einfach investiert, wenn man an das Investment glaubt und wartet, bis der Markt zu einer ähnlichen Einschätzung kommt.

Das kann man machen. Wieso sollte man es aber? Das Investment ist ja nicht weniger schlecht, wenn man noch einmal deutlich günstiger einsteigen kann. Im Gegenteil, das Investment wird interessanter. Viele Investoren glauben nicht an Timing, sie halten es für unmöglich. Diese Sichtweise unterstütze ich nicht. Als guter Investor muss man Money Management beherrschen. Zu jedem beliebigen Zeitpunkt zu investieren schafft wenig Zusatznutzen. Geld wird möglicherweise auf Jahre geparkt, ohne auch nur irgendeine Rendite zu bringen. Um es kurz zu machen: Warren Buffett ist sicherlich nicht so erfolgreich, weil ihm das Timing komplett egal ist. Der Kauf von Google lohnt sich langfristig. Deswegen muss man nun aber nicht gleich in diesen Minuten zuschlagen.

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2 Kommentare

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  • Antifragiler
    Antifragiler

    Herr Schmale,

    danke für Ihre Artikel. Sie und Ihre Kollegen bekommen oft Gegenwind, manchmal begründet, manchmal nicht.

    Sie jedoch, stechen fast Tag für Tag aus Ihrer Kollegenschaft heraus.

    Machen Sie weiter wie bisher!

    14:46 Uhr, 02.06.2015
  • So wie der Adler fliegt
    So wie der Adler fliegt

    Ja, wieder aber Google befindet sich in einer Korrektur und hat bereits 3 Wellen in dieser abgespult. Es könnte also sein, daß wir uns bereits in der e-Welle dieser Korrektur mit Ziel 520 USD befinden. Danach könnte es im Gebälk bereits nach oben krachen....

    Oder der Kurs läuft erst nochmal Richtung 590 USD und startet von dort seine e-Welle.

    Ich würde also nicht sagen, daß noch unendlich viel Zeit bleibt, um in die Google einzusteigen....

    14:43 Uhr, 02.06.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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