Kommentar
10:34 Uhr, 31.07.2015

Gewinne sind relativ

Jede Bilanzsaison hält ihre Überraschungen bereit. In den vergangenen zwei Wochen überraschten vor allem Technologiewerte – einige positiv, andere negativ.

Erwähnte Instrumente

Die Reaktion des Marktes folgte bei den großen drei Technologieunternehmen Google, Amazon und Apple auf Ergebnisse, die die Erwartungen der Analysten übertrafen. Das Ausmaß der Überraschung war unterschiedlich groß, aber es war ausnahmslos positiv. Die Reaktionen hingegen waren sehr verschieden.

Beim Umsatz konnten alle Unternehmen überzeugen. Google erwirtschaftete im zweiten Quartal 17,73 Mrd. USD. Das waren 11% mehr als vor einem Jahr (Grafik 1). Der Anstieg hätte noch deutlich größer sein können, doch die Währungseffekte reduzierten das Umsatzwachstum um ein Drittel. Bei konstanten Wechselkursen im Vergleich zum Vorjahresquartal hätte der Anstieg 18% betragen.


Amazon erwirtschaftete in Q2 2015 23,2 Mrd. USD. Das entsprach einem Wachstum von 20%. Apple wiederum schlug sie alle – nicht nur Google und Amazon. Der Umsatz stieg auf knapp 50 Mrd. an. Das entspricht einem Plus von 30%. Für ein Unternehmen, welches schon eine enorme Größe erreicht hat, ist dieses relativ große Plus schon eine Meisterleistung.
Der Umsatzanstieg ging bei allen Unternehmen auch mit ordentlichem Gewinnwachstum einher. Grafik 2 zeigt den Quartalsgewinn der 3 Unternehmen und das dazugehörige Wachstum im Jahresvergleich. Google legt im Vergleich zum Umsatz beim Gewinn überproportional zu. Während der Umsatz um 11% stieg, steigerte sich der Gewinn um 17%. Bei Apple lag der Zuwachs bei 38% beim Gewinn. Das ist immer noch eine überproportionale Steigerung, allerdings deutlich geringer als bei Google.

Amazon sticht besonders hervor, weil das Unternehmen überhaupt einen Gewinn schrieb. Vor einem Jahr stand noch ein Verlust von 126 Mio. USD. In Q2 stand unterm Strich ein Profit von 92 Mio. USD. Im Vergleich zu den anderen beiden Unternehmen ist das verschwindend gering, doch Anleger hatten überhaupt nicht damit gerechnet, dass Amazon überhaupt einen Gewinn ausweist.
Der letzte Punkt bringt uns zur Relativität. Grafik 3 zeigt das Ausmaß der Überraschung. Google schlug die Erwartungen um 4,3%, Amazon übertraf die Schätzungen in astronomischer Größenordnung und Apple legte 3% auf die Erwartungen oben drauf. Per se ist das alles gut und schön, doch Analystenschätzungen zu übertreffen ist nicht schwer. In einem durchschnittlichen Quartal schaffen das über zwei Drittel aller Unternehmen. Analysten setzen ihre Schätzungen systematisch zu niedrig an.

Obwohl man schon fast davon ausgehen kann, dass Unternehmen die Schätzungen schlagen, kommt es nicht darauf an, ob die Analystenmeinungen übertroffen wurden. Der Markt bildet sich seine eigene Meinung. Diese ist von Schätzungen abhängig, doch der Anlegerkonsens stimmt selten mit den Analysen von Banken überein. Die Reaktionen des Marktes können daher erheblich von den Erwartungen abweichen, selbst wenn Schätzungen übertroffen oder unterboten werden.

So geschah es in diesem Quartal. Die Google Aktie sprang um 16% nach Veröffentlichung der Zahlen nach oben. Dieser Kurssprung schaffte es in die internationalen Medien und Hauptnachrichten, denn der Anstieg der Marktkapitalisierung war der größte aller Zeiten. Google wurde an einem Tag 65 Mrd. USD mehr wert. Das muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen.

Inzwischen baut sich das Plus wieder ab. So geschah es auch bei Amazon. Das Plus am Tagesende lag noch bei 20 Mrd. Beim Tageshoch erreichte es allerdings 40 Mrd. Apple tanzte hier komplett aus der Reihe. Zu Tagesende lag das Minus bei 30 Mrd. Zwischenzeitlich erreichte es 50 Mrd. Anleger waren offenbar nicht zufrieden.

Die Unzufriedenheit erklärt sich nicht durch schlechte Zahlen. Sie lagen über den Schätzungen und wahrscheinlich sehr nahe an den Erwartungen der Anleger (nicht der Analysten).
Das Minus erklärt sich vor allem durch eine schlechte Managemententscheidung. Apples neuestes Produkt, die Apple Watch, ist seit wenigen Monaten auf dem Markt. Bisher weiß niemand wie gut sich die Uhr verkauft. Anleger hatten sich eine klare Aussage gewünscht. Diese kam nicht. Als Aktionär würde ich darauf ebenfalls sehr verschnupft reagieren und schon aus Prinzip die Anteilsscheine verkaufen. Aktionäre sind immerhin die Eigentümer des Unternehmens und wenn das Management den Eigentümern eine klare Aussage verweigert, dann ist das ein Skandal.

Als Eigner hat man ein Recht darauf zu erfahren wie sich die Produkte verkaufen. Wird eine so essentielle Information unterschlagen, dann grenzt das schon an Täuschung. Apple ließ lediglich verlauten, dass sich die Apple Watch in etwa so gut verkauft wie das iPad zu Verkaufsstart. Das ist äußerst vage. Es könnten zwischen 1,5 und 4 Mio. Geräte gewesen sein.

Die absolute Zahl ist dabei vermutlich nicht einmal so relevant, denn der Umsatz aus diesen Verkäufen läge lediglich zwischen 700 Mio. und 2 Mrd. Wissen möchte man es als Eigentümer trotzdem, denn es geht um nicht weniger als beurteilen zu können, ob Apple den Markt noch bewegen kann. Darüber hinaus wirft die Informationspolitik große Fragen auf. Ein Verkaufsstart ähnlich dem des iPads hätte einen Absatz von 3 Mio. Stück und einem Umsatz von ca. 1,4 Mrd. ergeben. Ein Blick auf die Zahlen lässt daran Zweifel aufkommen.

Der Apple Watch Umsatz verschwindet in dem Posten „Other.“ Darin enthalten sind iPod Verkäufe ebenso wie Umsätze aus Apple TV, Beats Electronics und Zubehör. Der Umsatz lag hier im vergangenen Quartal bei 2,64 Mrd. USD. Ein Quartal zuvor waren es 1,69 Mrd. Geht man davon aus, dass der Umsatz in allen anderen Segmenten stabil war, dann fallen von der Umsatzsteigerung von einer Milliarde 100% auf die Apple Watch. Die Verkäufe hätten also eine Milliarde eingebracht. Damit wären ca. 2 Mio. Uhren verkauft worden. Das ist ein Drittel weniger als zum Verkaufsstart des iPads.

Wie man es dreht und wendet, es entsteht der Eindruck, dass die Apple Watch nicht liefert. Genau weiß das niemand, obwohl Eigentümer wohl ein Recht darauf haben zu wissen, wie erfolgreich einzelne Produkte sind. Apple enttäuscht zwar nicht bei den Zahlen, doch das Verhalten des Managements ist mehr als fraglich. Die Apple Aktie wurde zu Recht abgestraft. Es setzt das richtige Signal in Bezug auf Unternehmensführung und Transparenz.

Insgesamt scheinen Anleger wieder sensibler auf Intransparenz und fragwürdiges Management zu reagieren. Der Interims-CEO und Gründer von Twitter lieferte ein gutes Beispiel von Transparenz. Die Aktie reagierte darauf erst einmal negativ, weil die Aussichten nicht so rosig sind wie viele dachten. Nichtsdestotrotz ist es richtig auch einmal Klartext zu reden. Das frühere Twitter Management versprach das Blaue vom Himmel und belohnte sich mit Aktienpaketen, die teils einem Viertel des Umsatzes entsprachen. Jetzt zeigt sich, dass diese Belohnungen vollkommen unberechtigt sind. Twitter kann nicht halten, was es verspricht.

Solange Technologieunternehmen so stark wachsen, dass einem die Sinne vergehen, kommt das Management mit vielem durch. Schwächt sich das Wachstum erst einmal ab, dann rechnen Anleger gnadenlos ab. Ein solches Quartal erleben wir gerade. Das ist gut so, denn die Exzesse in den Managementetagen müssen dringend beendet werden. Es kann schließlich nicht sein, dass sich ein Managementteam mit hunderten Millionen an Aktienoptionen belohnt und das Unternehmen nicht einmal einen Gewinn schreibt.

In den letzten Quartalen haben viele Unternehmen Transparenz und integres Management quasi abgeschafft. Die Rechnung bekommen Manager nun präsentiert. Hoffentlich reicht das, um zu einem Umdenken anzuregen.

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    Die Apple Watch ist in dieser ersten Generation praktisch noch ein Entwicklungsprojekt. Für Apple ist es wichtig, dass die App-Entwickler eine erste Benutzerbasis haben, und dass die Hardware-Entwickler auf die Benutzererfahrung in der praktischen Anwendung reagieren können. Apple hatte von Anfang an angekündigt, dass dazu keine Zahlen genannt werden. Wenn sie es jetzt überraschend doch getan hätten, hätte ich mich als Anleger verarscht gefühlt. Die Watch mag für die Zukunft von Apple wichtig sein, aber die heutigen Zahlen sind sicher nicht wichtig.

    Bei Amazon gibt es übrigens viel mehr Produkte zu denen keine Zahlen genannt werden.

    15:24 Uhr, 31.07.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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