Fundamentale Nachricht
08:49 Uhr, 13.09.2019

EZB: Negative Zinsen für alle und für lange

Ostrum-Chefvolkswirt Philippe Waechter glaubt nicht, dass von der Verstärkung der finanziellen Repression noch nennenswerte Impulse für die Wirtschaftsakteure ausgehen.

Paris (GodmodeTrader.de) - Die EZB hat ihren Einlagenzins um zehn Basispunkte auf minus 0,5 Prozent gesenkt und wird alle ihre Zinssätze auf dem aktuellen Niveau halten oder senken, bis sich die Inflation zwei Prozent annähert. Gleichzeitig hat sie beschlossen, ihr Quantitative Easing Programm (QE) ab dem 1. November wieder aufzunehmen und pro Monat Anleihen im Wert von 20 Milliarden Euro aufzukaufen, wie Philippe Waechter, Chefvolkswirt von Ostrum Asset Management, in einem aktuellen Kommentar schreibt.

„Dies hat bereits zu einem spektakulären Rückgang der Rendite zehnjähriger italienischer Staatsanleihen geführt. Das Ziel der EZB ist es, die Zinsen über alle Laufzeiten und alle Länder hinweg – einschließlich Italien – in den negativen Bereich, zu treiben. Die Staffelung der Zinssätze für Bankeinlagen wird zusammen mit der Verlängerung und Ausgestaltung der TLTRO den Bankensektor stärken“, so Waechter.

Der Chefvolkswirt der zu Natixis Investment Managers gehörenden Fondsgesellschaft glaubt nicht, dass von dieser Verstärkung der finanziellen Repression noch nennenswerte Impulse für die Wirtschaftsakteure ausgehen. Die makroökonomischen Auswirkungen nach oben hält er deshalb für sehr begrenzt.

„Darüber hinaus könnten die Maßnahmen der EZB auch als Ausdruck einer stark verschlechterten Situation interpretiert werden, was die Sorgen von Haushalten und Unter­nehmen verstärken würde. Es besteht die Gefahr, dass sich das Signal am Ende negativ auf die Wirtschaft auswirkt. Wird der stärkere Bankensektor ausreichen, um diesem Effekt entgegen­zuwirken?“, so Waechter.

Die Wachstumsprognosen seien auf 1,1 Prozent im Jahr 2019, 1,2 Prozent im Jahr 2020 und 1,4 Prozent im Jahr 2021 nach unten korrigiert worden. Ein externer Schock könne die Eurozone in eine Rezession stürzen. Die EZB halte die Wahrscheinlichkeit vorerst für sehr gering, heißt es weiter.

„Trotzdem hat sich die Notwendigkeit einer effektiven und proaktiven Finanzpolitik verstärkt, um aus der aktuellen Liquiditätsfalle herauszukommen – unabhängig davon, ob es zu einer Rezession kommt oder nicht. Angesichts der mangelnden Bereitschaft der Regierungen zu einer koordinierten Fiskalpolitik ist die Position von Mario Draghi mit einer starken Zukunftswette verbunden, die Gefahr läuft, Wunschdenken zu werden. Viel Glück, Christine Lagarde!“, so Waechter.

2 Kommentare

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  • EsJay
    EsJay

    Knapp ein Drittel der Leute, die ich kenne, sind dabei oder überlegen ihre Vermögenswerte aus der Euro-Zone wegzuschaffen. Nach dem gestrigen EZB-Irrsinn ist diese Diskussion neu entflammt.

    Zudem hat die EZB ein Eldorado für Carry-Trades geschaffen, was zu erheblich Abflüssen von Euro ins Ausland führt.

    Beides schadet der Konjunktur in Europa erheblich und lässt ziemlich viel der erhofften Wirkungen der schwachsinnigen EZB-Maßnahmen verpuffen.

    10:19 Uhr, 13.09.2019
  • netzadler
    netzadler

    das ende des Leistungsprinzips für alle ersichtlich

    damit hat sich das Thema Wachstum auch gegessen

    da hat der Donald schon recht, ganz schön dumme würste

    08:55 Uhr, 13.09.2019

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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