Fundamentale Nachricht
13:20 Uhr, 29.03.2022

ESG nur mit Unternehmen im Wandel

Sollten Vermögensverwalter, die sich dem nachhaltigen Investieren verpflichtet haben, nur in „gute“ ESG-konforme Unternehmen anlegen und sich von allen vermeintlich „schlechten“ Unternehmen trennen? Ganz so simpel ist es nicht, sagt Kristina Church, Leiterin des Bereichs Responsible Strategy bei BNY Mellon IM.

„Aus unserer Sicht müssen beim verantwortungsvollen Investieren auch solche Unternehmen berücksichtigt werden, die heute in Punkto ESG noch weniger gut abschneiden, um einen grundlegenden Wandel voranzutreiben. Denn diese Unternehmen benötigen Kapital, um die so dringend notwendigen ökologischen und/oder sozialen Ziele zu erreichen.

Würden wir uns nur auf Anbieter von ESG-Daten und statische Bewertungssysteme verlassen, könnten wir uns nur auf eine kleine Anzahl von Best-in-Class- oder „ESG-Champion“-Investitionen beschränken. Damit würden wir die vielen Möglichkeiten verpassen, die andere Anlagen außerhalb dieser Klassifizierung bieten.

Und: Wenn man ausschließlich in erstklassige Anlagen investiert, besteht die Gefahr, dass unverhältnismäßig viel Kapital in einzelne Unternehmen fließt, wodurch es zu Überbewertungen von bevorzugten Titeln und Sektoren kommen kann. Gleichzeitig wird Kapital von Sektoren abgezogen, die für das künftige Wirtschaftswachstum von entscheidender Bedeutung sind und dringend Investitionen benötigen, um den notwendigen Wandel zu schaffen.

Beispiel Klima: Hier stehen die „schmutzigen“ kohlenstoffintensiven Industrien wie Zement, Schwerlastverkehr, Stahl und Chemie vor den größten Herausforderungen und Kosten für das Netto-Null-Emissionsziel. Wir werden diese Industrien auch in Zukunft für unser Wachstum brauchen. Ohne die Finanzierung ihrer Umstellung werden sie nie eine Netto-Nullbilanz erreichen. Seit dem letzten COP26-Klimagipfel unterliegen 90 Prozent des globalen BIP und etwas mehr als ein Drittel der 2.000 größten börsennotierten Unternehmen in irgendeiner Form dem Netto-Null-Ziel.

Es ist von entscheidender Bedeutung, welche Pläne Unternehmen zur Dekabonisierung haben. Der aktuelle Kohlenstoff-Fußabdruck reicht nicht aus. Investoren müssen zudem nachvollziehen können, wie die Erfolge gemessen werden, und dadurch auch in der Lage sein, Grenzen zu ziehen, wenn die Kriterien nicht erfüllt werden, um in letzter Konsequenz die Titel zu verkaufen.

Bei der Unternehmensanalyse muss außerdem zwischen Schwellenländern und Industriestaaten unterschieden werden. Schwellenländer sind bereits hohen Risiken durch Klimaschäden ausgesetzt (beispiellose Hitzewellen, steigende Meeresspiegel und zerstörerische Waldbrände etc.).

Der Weg zur Dekarbonisierung eines Stahlunternehmens in Europa kann sich zum Beispiel stark von dem eines Wettbewerbers in Asien unterscheiden. In Schwellenländern sind oft weniger Daten zu ESG-Themen verfügbar. Das darf aber nicht bedeuten, dass Investoren Unternehmen aus Schwellenländern benachteiligen sollten, da gerade diese dringend ihren Wandel finanzieren müssen.

Vor diesem Hintergrund wird das Engagement entscheidend sein. Anleger können sich darauf konzentrieren, einfach nur Informationen zur Unterstützung von Investitionsentscheidungen von Unternehmen oder Emittenten einzuholen. Oder die Zusammenarbeit kann darauf abzielen, Veränderungen in Bereichen voranzutreiben, die für die langfristige Wertschöpfung von Bedeutung sind, wie z. B. die schnellere Erreichung von Netto-Null-Zielen.

Wir begreifen diese Herausforderungen als große Chance für die Vermögensverwaltungsbranche. Investitionen in Unternehmen und andere Emittenten, die ihre Geschäftsmodelle aktiv umweltfreundlicher und sozialverträglicher umgestalten, können größere Veränderungen für Umwelt und Gesellschaft bewirken als Investitionen in Unternehmen, die bereits auf kohlenstoffarme oder sozialverträgliche Modelle ausgerichtet sind.“

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