Kommentar
22:24 Uhr, 19.09.2014

Es war einmal: Die Börse...

Einmal Spielcasino und zurück: Die kommenden Jahre versprechen an der Börse besonders viel Aufregung...

Altgediente Börsianer werden sich noch an Zeiten erinnern, als man Ereignisse auf der politischen Bühne nicht sonderlich ernst nehmen musste. „Politische Börsen haben kurze Beine“ hieß das damals und daran konnte man sich recht gut orientieren: Wenn in der Politik irgendetwas passierte und die Kurse deshalb in Turbulenzen gerieten, dann mussten sich Anleger darum nicht groß kümmern: Der Spuk war so schnell wieder vorüber, wie er gekommen war.

Leider ist davon nicht mehr allzu viel übrig. Besser gesagt, überhaupt nichts. Heute müsste man es eher so sagen: Sollten Börsen tatsächlich so etwas wie Beine haben, dann wären es jene von Angela Merkel, Wolfgang Schäuble, Wladimir Putin oder Mario Draghi.

Will heißen: Die Politik bestimmt das Geschehen auf dem Parkett mittlerweile mehr als alles andere. Und wenn der Chef der Europäischen Zentralbank orakelt, oder eine grauhaarige Frau namens Janet Yellen, dann starren die Börsianer diesen beiden „Währungshütern“ wie gebannt auf die Lippen. Schließlich kann man seit Jahren die Uhr danach stellen, dass die Kurse entweder steigen oder fallen - je nachdem, was gerade auf diesen Lippen zu lesen ist.

Eigentlich würde das alleine schon genügen, um der Börse ihren ursprünglichen Charme vollständig zu nehmen. Doch die Sache geht mittlerweile noch sehr viel weiter:

Gleichzeitig agieren dort im so genannten „Hochfrequenzhandel“ mittlerweile milliardenschwere Akteure auf der Jagd nach „Rendite“. Konkret werden gigantische Summen von A nach B bewegt, um unter Ausnutzung minimaler Kursdifferenzen riesige Gewinne zu erzielen. Dass die Notenbanken einen Großteil dieses Geldes, mit dem da gespielt wird, zuvor aus dem Nichts erschaffen haben, verleiht dem Spektakel eine besondere Note.

Kürzlich wurde nun sogar bekannt, man hätte es ahnen können, dass besagte Notenbanken sogar noch sehr viel weiter gehen: Sie greifen ganz gezielt in das Geschehen an den Börsen ein und manipulieren die Kurse etwa des S&P 500 über den Future-Handel.

Mit anderen Worten: Die Börse ist zu einem einzigen Spielcasino verkommen, das man eigentlich nicht mehr ernst nehmen kann. Das ist nicht nur schade, das ist eine Katastrophe, denn der ursprüngliche Sinn und Zweck dieser Veranstaltung wird durch die beschriebenen Entwicklungen vollkommen auf den Kopf gestellt.

Wichtigstes Ziel der Börse war es einmal, denjenigen Akteuren Kapital zur Verfügung zu stellen, die dieses Geld dringend benötigten, etwa um damit Investitionen in neue Erfindungen zu finanzieren, um Rohstoffe abzubauen, oder anderweitig Arbeitsplätze zu schaffen.

Im Gegenzug wurde den Geldgebern die Möglichkeit gegeben, als Gegenleistung für die Bereitstellung von Risikokapital eine höhere Rendite als mit festverzinslichen Wertpapieren zu erwirtschaften. Etwa in Form von Dividenden, also Ausschüttungen des Unternehmensgewinns an die Aktionäre. Wichtigste Motivation für Kapitalgeber, ist jedoch immer die Hoffnung, dass es „ihrer Firma“ gelingen möge, die Gewinne und damit den Wert des Konzerns zu steigern. In diesem Fall steigt bekanntlich auch der Kurs einer Aktie.

Der „Tauschhandel“ Risikokapital gegen Gewinnbeteiligung spielt sich an der Börse ab - und er hatte Folgen, für die wir heute dankbar sein können:

Die industrielle Revolution des 19. Jahrhunderts, die gesamte Technologisierung des 20.Jahrhunderts, wie auch bahnbrechende Erfindungen aus dem Bereich der regenerativen Energien wären undenkbar gewesen, hätten nicht mutige Investoren über die Börse die Aktien von aufstrebenden Unternehmen erworben.

Mit anderen Worten: Die Börse ist eine wegweisende und segensreiche Erfindung. Und es ist ein Jammer, mit ansehen zu müssen, was wir daraus gemacht haben.

Doch glücklicherweise gibt es auch in Zeiten ausufernder Geldmengenflut und computergesteuerter Handelsprogramme immer noch die Möglichkeit, gemäß dem ursprünglichen Sinn der Börse zu agieren. Aus strategischer Sicht hat es sich dabei bewährt, Aktien von solchen Unternehmen zu kaufen, die kurzfristig in Schwierigkeiten geraten sind. Man spricht dann auch von antizyklischem Investieren.

Zwei aktuelle Beispiele: Wenn sich der Aktienkurs eines grundsoliden MDAX-Konzerns innerhalb weniger Wochen nahezu halbiert, dann könnte es sich lohnen, dort einmal etwas genauer hinzusehen. Der Baukonzern Bilfinger ist so ein Fall:

Es-war-einmal-Die-Börse-Kommentar-Andreas-Hoose-GodmodeTrader.de-1

Etwas anders gelagert aber auch nicht uninteressant ist die ebenfalls im MDAX gelistete Aktie des Lebensmittelkonzerns Südzucker. Innerhalb von rund zwei Jahren hat die Aktie mehr als 60 Prozent an Wert eingebüßt:

Es-war-einmal-Die-Börse-Kommentar-Andreas-Hoose-GodmodeTrader.de-2

Ob man die beiden verprügelten Aktien bereits kaufen kann, das werden wir in einer der kommenden Ausgaben des Antizyklischen Börsenbriefs untersuchen.

Wir sind übrigens sehr zuversichtlich, dass sich langfristig die ursprüngliche Idee der Börse wieder durchsetzen wird. Wie bei allen Entwicklungen, die jede Vernunft ad absurdum führen, ist es auch bei der verzweifelten Geldflut der Notenbanken, die zu einer weltweiten Derivateblase von epischen Ausmaßen geführt hat, nur eine Frage der Zeit, bis das Fass überläuft.

Dann wird dieser Unfug mit lautem Getöse in sich zusammenfallen.

Die allseits so beliebten Optionsscheine und Zertifikate, auch solche mit „Garantie“, werden Ihnen dann wenig Freude bereiten. Mit Aktien von grundsoliden Unternehmen müssen Sie sich dagegen auch dann keine übermäßigen Sorgen machen, sollte etwa die Eurokrise „völlig überraschend“ wieder zurückkommen.

Und das wird sie, daran besteht nicht der geringste Zweifel. Sehen Sie sich beispielsweise an, was in Spanien oder in Frankreich gerade los ist. Beide Länder sind tickende Zeitbomben, die derzeit nur wegen der Lage in der Ukraine völlig aus dem Blickfeld der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden sind – was natürlich reiner Zufall ist...

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Zum Autor:

Andreas Hoose ist Chefredakteur des Antizyklischen Börsenbriefs, einem Service der BörseGo AG, und Geschäftsführer des Antizyklischen Aktienclubs. Börsenbrief und Aktienclub, das komplette Servicepaket für die Freunde antizyklischer Anlagestrategien! Informationen finden Sie unter www.antizyklischer-boersenbrief.de und www.antizyklischer-aktienclub.de

26 Kommentare

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  • Girth
    Girth

    ​Die gesellschaftspolitische Aufgabe von Börsen ist im Artikel doch etwas falsch konnotiert. Sie sind nicht der absolute Garant für Dividenden bzw. Risikokapital. In Deutschland gibt es 1400 börsennotierte AGs, 15.000 sind es vielleicht insgesamt. So wie sich der Artikel liest, bleibt also den Kapitalgebern von 90% der Aktiengesellschaften die Gewinnbeteiligung verwehrt? Aktionäre gibt es nur durch die Börse? Oder: 13600 AGs dürfte es gar nicht geben, weil ja Börse = Kapitalquelle? Es ist schlicht nicht primäre Aufgabe der Börse (neue) Unternehmen mit Kapital zu versorgen, sondern bestimmten Kapitalgebern Liquidität ihres Kapitals zu sichern, also es transformierbar, jederzeit verkaufbar zu halten, anderen wiederum Zugang zu Anlagemöglichkeiten zu geben. Dabei stößt man zwangsläufig auf verschiedene Interessen eines viel offeneren Marktes: Spekulation gab es an der Börse immer. Spekuliert wird, wo Liquidität herrscht. Die Börse handelt nicht unbedingt die Zukunft der Unternehmen, es wird aber ganz sicher die Zukunft der Börsennotierung gehandelt. Das klingt nur, als wäre es das Selbe. Gewinnsteigerung ist kein Garant für Kurssteigerung. Und nur weil Unternehmen an der Börse an Wert verlieren, wird ihnen ja nicht Kapital „aus dem Buch gestrichen“. Vielmehr noch: Die Dividende bleibt doch unberührt davon, was Zentralbank, Regierung (sagen wir mal solange sie nicht ultrakommunistisch ist) oder Spekulanten treiben. Wer aber antizyklisch handelt, muss seit fast jeher damit leben, dass andere Interessen am Markt dafür sorgen konnten, dass Investitionen schlicht (zeitweise) illiquide wurden, sofern man sie nicht mit Verlust verkaufen wollte. In wie fern sich nun wirklich etwas in Richtung Verschlechterung der Stellung langfristiger Interesse durch all das schlimme Nanosekundenzocken und die Geldmengensupernova bewegt, bleibt ja im Artikel offen und somit nostalgisch.

    12:19 Uhr, 22.09.2014
  • Cristian Struy
    Cristian Struy

    ​endlich mal wieder ein antiyklischer investmentbeitrag, der nicht nur von Politik handelt. Sehr gut:)

    17:49 Uhr, 21.09.2014
  • Marco Soda
    Marco Soda

    ​Zitat Hoose :

    Kürzlich wurde nun sogar bekannt, man hätte es ahnen können, dass besagte Notenbanken sogar noch sehr viel weiter gehen: Sie greifen ganz gezielt in das Geschehen an den Börsen ein und manipulieren die Kurse etwa des S&P 500 über den Future-Handel.

    Meiner Meinung ist es unverantwortlich diese These öffentlich zu verbreiten, das sie hier diesen Platz bekommen halte ich für unangemessen. Das ist in Europa und auch in den USA ungesetzlich, daher findet so etwas nicht statt !!

    12:57 Uhr, 21.09.2014
    2 Antworten anzeigen
  • Bradley
    Bradley

    ​Ich schätze Herrn Hoose wirklich sehr, trotzdem überrascht mich sein Thema zum Wochenende. Es gab wirklich sehr interessanten Ereignisse die eines Kommentares bedurft hätten (Schottland, Alibaba, Silberpreisabsturz), aber auf was bezieht sich Herr Hoose in seinem Artikel, auf zwei Aktienempfehlungen. Das finde ich sehr seltsam. Hat man ihnen bei GMT den Schneid abgekauft oder haben Sie das Gespür für aktuelle Brennpunkte verloren.

    20:29 Uhr, 20.09.2014
  • Löwe30
    Löwe30

    "Gleichzeitig agieren dort im so genannten 'Hochfrequenzhandel' mittlerweile milliardenschwere Akteure auf der Jagd nach 'Rendite'."

    Dazu sehe man sich die animierte Grafik hier http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/wp-cont...

    bis zum Ende an und achte dabei links unten auf die Börsen-Tage im Zeitraffer: Die farbigen Kurven zeigen auf der Zeitleiste die Aktivitäten an den Börsen. 2007 verlief der Handel normal, am Ende erleben wir ein Feuerwerk. An diesem werden sich viele die Finger verbrennen.

    19:57 Uhr, 20.09.2014
  • Löwe30
    Löwe30

    "Sie greifen ganz gezielt in das Geschehen an den Börsen ein und manipulieren die Kurse etwa des S&P 500 über den Future-Handel."

    Es ist schier unglaublich wie hier betrogen wurde.

    13:25 Uhr, 20.09.2014
    1 Antwort anzeigen
  • 3433
    3433

    http://www.bwinvestment.de/dow.jpg

    Oder: Die Erfindung des Papierbriketts aus Altpapier

    13:09 Uhr, 20.09.2014
  • motörhead
    motörhead

    ​Südzucker: Das Bußgeld i.H.v. 155 Mio. €, der stark gefallene Weltmarktpreis für Zucker, die Ankündigung der EU die Quoten- und Rübenmindestpreise im Jahre 2017 auslaufen zu lassen, fürs lfde. Geschäftsjahr 2014/15 nur ein operatives Ergebnis v. 200 Mio. € statt 622 Mio. €, all das ist ein Schlag ins Kontor. Südzucker wird beweisen müssen, dass es mit den Brasilianern und anderen Produzenten ab 2017 mithalten kann. Der Kurs hat eine wichtige Unterstützung bei ca. 13,34 € unterschritten. Abwärtstrend intakt. Positiv: Die Vergangenheit hat gelehrt, dass wenn der Weltmarktpreis für Zucker unten war, die Brasilianer den Zucker verstärkt in Gasohol für die heimischen Autos umwandelten, so dass weniger fürn Export übrig blieb. Und die Chinesen haben einen konstant hohen Appetit auf Cola, Eistee, Bonbons, Kuchen und sonstiges Gebäck. Die Bilanz ist stark, regelmäßig hoher Cash-Flow,ja da stimme ich Herrn Hoose zu: Ein interessanter Wert. Charttechnisch warte ich entspannt eine Umkehrformation ab, was angesichts der aktuellen Nachrichten dauern kann. Ab auf die Watchlist.

    12:15 Uhr, 20.09.2014
    1 Antwort anzeigen
  • Super-Hobel
    Super-Hobel

    ​Jaja, immer dieses Getöse, dass alles irgendwann zursammenbrechen wird. Kann mich och 2008 an "Kernschmelze des Finanzsystems" erinnern von all den Dr Dooms dieser Welt. Und seitdem steigt und steigt und steigt es. Dass an der Börse manipuliert wird ist nichts Neues oder glaibt jemand wirklich der Dax hätte es aus eigener Kraft gester bis 9900 geschafft? Der musste wohl dahin gedopt werden weil die meisten Call Optionen dort lagen, die nicht ins Geld laufen sollten um es fü die Stillhalter günstig zu machen.

    ​Viel Rauch um nichts, nur das "plunge Protection Team" vermisse ich schmerzlich, es war zu schn, wenn es Punkt 21.45 Uhr früher eingriff und man sich über 200 Punkte Sprints freuen durfte.

    11:28 Uhr, 20.09.2014
    2 Antworten anzeigen