Fundamentale Nachricht
13:31 Uhr, 18.03.2022

Die "Nickel-Krise" zieht Kreise

Der Neustart an der Londoner Metallbörse nach der einwöchigen Schließung diese Woche verlief keineswegs reibungslos. Am Mittwoch wollte die Londoner Metallbörse den Handel wieder aufnehmen, mit Limits für die täglichen Preisausschläge, doch es verlief chaotisch.

London (Godmode-Trader.de) - Der Preis für Nickel ging letzte Woche durch die Decke, sprang innerhalb von zwei Tagen um 250 Prozent in die Höhe und erreichte kurzzeitig satte 110.000 Dollar je Tonne. Noch Mitte Februar hatte der Nickelpreis unter 25.000 Dollar je Tonne notiert.

Das Metall ist ein wichtiger Bestandteil von rostfreiem Stahl, der unter anderem für die Herstellung von Kühlschränken, chirurgischen Instrumenten, Auspuffrohren und Fahrzeugrahmen verwendet wird.

Der beispiellose Preisanstieg wurde von den Inhabern von Short-Positionen (einschließlich des weltweit führenden Produzenten Tsingshan des Magnaten Xiang Guangda) angeheizt, die ihre Positionen glattstellen wollten, nachdem Russlands Einmarsch in der Ukraine die Preise ohnehin schon angekurbelt hatte. Russland ist der größte Produzent von Nickel auf der Welt mit einem Marktanteil von etwas über einem Zehntel (vor der Invasion).

Die wilden Preiskapriolen veranlassten die Londoner Metallbörse LME vergangene Woche schließlich, den Handel auszusetzen. Fehlspekulationen des Milliardärs und Tsingshan-Eigners Xiang Guangda lösten das Chaos mit aus. Xiang hatte auf sinkende Kurse gesetzt und in der vorgegangenen Woche eine milliardenschwere Leerverkaufsposition aufgebaut. Als der Kurs aber stieg, musste er Nickel kaufen und Geld nachschießen. Diese Käufe trieben den Preis am 8. März in die oben genannte Höhe. Xiang drohten Milliardenverluste.

Nach Informationen von Bloomberg hat sich Xiang bei seinen Banken hohe Kreditlinien einräumen lassen. Er sagte dann zu, er werde seine Short-Position in einer „geordneten Weise“ zurückführen, wenn die chaotischen Marktbedingungen nachlassen.

Der Neustart in London diese Woche verlief nun keineswegs reibungslos. Am Mittwoch wollte die LME den Handel wieder aufnehmen, mit Limits für die täglichen Preisausschläge, doch es verlief chaotisch. Der Preis fiel zu Beginn stärker als gedacht um mehr als 5 Prozent, und einige Käufe durchbrachen das von der LME gesetzte Limit von 45.590 Dollar je Tonne. Daraufhin stoppte die Börse den elektronischen Handel abermals. Am Donnerstag kostete eine Tonne Nickel auf dem Spotmarkt 45.795 Dollar. Die LME kündigte gestern an, die Grenze für tägliche Preisschwankungen auf 8 Prozent zu erhöhen.

Die rasante Verteuerung des Metalls trifft einige Industriebranchen, wie den Stahlsektor. Nickel ist wichtig zur Veredelung von Stahlprodukten. Das spanische Unternehmen Acerinox, der weltweit viertgrößte Hersteller von rostfreiem Stahl, hat beschlossen, den Kauf von Nickel zu stoppen und in seinem Werk in Cadiz (Spanien) 1.800 Mitarbeiter zu entlassen.

Obwohl die Gesamtproduktion des Unternehmens noch nicht beeinträchtigt wurde, könnte sich eine anhaltende Volatilität als störend für viele Produktlieferketten erweisen. Das Unternehmen sollte jedoch in der Lage sein, seine kurzfristigen Lieferungen durch den Abbau von Lagerbeständen zu bewältigen", schrieb der Citi-Analyst Ephrem Ravi in einer Notiz vom Freitag. Dies setze allerdings voraus, dass die Produktionsunterbrechungen nicht lange andauern".

Acerinox ist nicht allein. Andere Stahlwerke in Europa haben ihre Produktion ebenfalls gedrosselt, die Schwierigkeiten dehnen sich zudem auf die gesamte Wirtschaft aus: Einige deutsche Autofabriken zum Beispiel haben bestimmte Modelle aufgrund des Mangels an in der Ukraine hergestellten Bauteilen eingestellt.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

Mehr Experten