Kommentar
09:08 Uhr, 26.02.2018

Die Inflation kommt/kommt nicht? Bondkönig vs. Finanzminister!

Das Thema Inflation ist an den Märkten noch nicht abgehakt. Vor dem vergangenen Wochenende lieferten sich US-Finanzminister Mnuchin und "Bondkönig" Jeffrey Gundlach einen kleinen Schlagabtausch.

Trumps Finanzminister Mnuchin erklärte, dass die Inflation bei steigenden Löhnen nicht mitziehen wird. Gundlach hält das für lächerlich und für vollkommen unmöglich. Der Markt gibt ihm recht. Es war immerhin der Lohnanstieg zu Jahresbeginn, der Inflationsängste auslöste. Aber sind diese auch wirklich berechtigt?

Löhne steigen und mit ihnen auch die Inflation. Wirklich?

Medial wurde dazu eine großartige Story gesponnen. Aus heiterem Himmel war von steigender Inflation die Rede. Wieso? Weil die Löhne in den USA Anfang des Jahres stärker stiegen als erwartet. Dann gab es noch die neuesten Inflationsdaten, die ebenfalls einen starken Anstieg der Inflation zu Jahresbeginn zeigten. Die Story war damit perfekt: die Löhne steigen und mit ihnen auch die Inflation.

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So großartig und logisch das alles klingt, es ist trotzdem nur eine Illusion. Die Löhne steigen im Vergleich zu den Vorkrisenjahren immer noch moderat an. Dies gilt insbesondere für Angestellte in nicht leitenden Positionen (Grafik 1).

Gemessen am Lohnwachstum muss man sich wirklich keine Sorgen machen. Das Bild ist aber auch nicht ganz so düster wie in Grafik 1 dargestellt. Das Lohnwachstum ist unter anderem deswegen niedrig, weil auch die Inflation niedrig ist. Die Reallöhne sanken im Januar sogar gegenüber Dezember 2017 .

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Betrachtet man das Reallohnwachstum auf Jahresbasis und über die vergangenen Jahrzehnte (Grafik 2), zeigt sich schnell, dass die vergangenen Jahre gar nicht so schlecht waren. Die Zeiten sind deutlich besser als in den 70er und 80er Jahren. Sie sind allerdings auch nicht so gut wie zur Jahrhundertwende. Aber immerhin: es gibt positives Reallohnwachstum.

Dieses Wachstum kommt nicht bei allen an. Unterm Strich hat sich im Mittel für viele nichts getan. Grafik 3 zeigt den mittleren, realen Wochenlohn. Die Hälfte der Erwerbstätigen verdient mehr, die Hälfte weniger. Im Mittel steigen die Löhne so gut wie gar nicht. In den letzten 40 Jahren waren es gerade einmal 3 %.

Gutverdienende Arbeitnehmer können auf moderates Reallohnwachstum zurückblicken. Dafür haben Geringverdiener teils sogar weniger in der Tasche. Reallohnsteigerungen werden von der oberen Hälfte der Gesellschaft getragen. Nicht zuletzt deswegen gibt es wohl auch eine hohe Unzufriedenheit in der Bevölkerung, obwohl oberflächlich betrachtet alles in Ordnung zu sein scheint.

Die Lohnentwicklung gibt jedenfalls keinen Anlass, an höhere Inflation zu glauben

Löhne können die Inflation nur treiben, wenn sie real steigen, sich Menschen also tatsächlich mehr leisten können. Nur dann steigt die Nachfrage effektiv. Wer heute im Vergleich zum Vorjahr 2 % mehr verdient, aber die Preise ebenfalls um 2 % gestiegen sind, kann sich nicht mehr leisten. Die Nachfrage bleibt stabil. Nur wer real mehr verdient, kann auch mehr konsumieren.

Da eine Beschleunigung des Reallohnwachstums nicht in Sicht ist, gibt es auch keinen Grund an höhere Inflation zu glauben – zumindest nicht wegen der Lohnentwicklung. Die Inflationsrate wird sich 2018 aus anderen Gründen solide zeigen. Angst vor einer Lohnpreisspirale wie in den 70er Jahren sind allerdings maßlos überzogen und realitätsfern.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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