Kommentar
15:53 Uhr, 28.09.2016

Die Deutsche Bank wird verstaatlicht…

Warum ein solcher Schritt in einigen Monaten "alternativlos" sein könnte, um das taumelnde Finanzsystem vorübergehend noch einmal zu "retten"...

In dieser Woche habe ich allen Freunden und Bekannten geraten, Zinsanlagen und Derivate möglichst zeitnah zu verkaufen. Zinsanlagen meint beispielsweise festverzinsliche „Wertpapiere“, die selbst ja keinen Wert haben, sondern lediglich einen Anspruch auf Rückzahlung einer bestimmten Summe verbriefen. Aber auch Sparbücher, Tagesgeld und ähnliche Konstrukte sind hier einzureihen. Ähnliches gilt für Geldbeträge auf Girokonten.

Mit Derivaten sind vor allem die überaus beliebten Zertifikate gemeint, aber auch Optionsscheine und ähnliche Konstruktionen fallen unter den weitgefassten Begriff der „Finanzwetten“.

In meinem Bekanntenkreis war man überraschend wenig erstaunt über den gut gemeinten Ratschlag und die meisten meiner Freunde waren auch sogleich auf der richtigen Spur:

„Deutsche Bank?“

„So ist es!“

Was in den Gesprächen schnell deutlich wurde: Während die Menschen die Gefahr durchaus sehen, die sich da in Gestalt eines wankenden Finanzriesen auf Deutschland zubewegt, sind die meisten bislang kaum aktiv geworden und sitzen in aller Seelenruhe auf ihren ungedeckten Papiergeldanlagen. Doch mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen wird deutlich, dass man jetzt wirklich in die Hufe kommen sollte.

Eine beliebte Frage, die in den verschiedenen Gesprächen immer wieder aufgetaucht ist, lautete sinngemäß etwa folgendermaßen: „Was müsste eigentlich passieren, damit unser Geldsystem in solche Schwierigkeiten kommt, dass auch die gesetzliche Einlagensicherung Probleme bekommt?“

Diese schützt bekanntlich Einlagen bis 100.000 Euro. Nun kann man den salbungsvollen Worten des Bankenverbandes in folgenden Video selbstverständlich vertrauen.

Nicht gesagt wird hier allerdings, dass besagter Sicherungsmechanismus den Praxistest erst noch bestehen müsste. Bislang sind das nämlich nicht mehr als schöne Versprechungen. In einer echten Finanzmarktkrise, und das sollte jedem klar sein, der sich dieses Video ansieht, sind solche Dinge das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt wurden.

Dass eine solche Krise im aktuellen Umfeld nur einen Wimpernschlag entfernt sein könnte, ist vermutlich den wenigsten Menschen bewusst. Tatsächlich geht „schwere Krise“ so einfach:

Sollten nur etwa fünf bis zehn Prozent der Sparer und Anleger ihr Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit der Banken verlieren, und in der Folge ihr Geld abheben, ist der Spuk schneller vorbei als man sich das vorstellen kann. Die meisten Finanzhäuser würden einen solchen „Bankrun“ nämlich nicht überleben und wären sofort pleite. Deshalb kann die gerade formulierte Frage nur stellen, wer felsenfest davon ausgeht, dass weiterhin alles in bester Ordnung ist.

Das ist derzeit so ähnlich wie im Sommer 2007: Seinerzeit hat auch kaum jemand für möglich gehalten, dass der US-amerikanische Immobilienmarkt in die Knie gehen und in der Folge den Bankensektor in die Tiefe reißen würde. Neun Jahre später sind es die Banken selbst, die in einer existenziellen Krise stecken.

Staatsrettung? Berlin dementiert (natürlich)…

Womit wir bei der Deutschen Bank und den Turbulenzen wären, die sich dort nahezu stündlich weiter zuspitzen.

Jüngste Stilblüte ist eine Meldung vom Mittwochnachmittag, wonach die Bundesregierung an einem Notfallplan für die Rettung der Deutschen Bank arbeitet. Das Konzept sieht den Verkauf von Geschäftsteilen und zur Not auch staatliche Garantien vor. Im „äußersten Notfall“ sei auch eine Staatsbeteiligung möglich.

Dass der Bericht aus Regierungskreisen kategorisch zurückgewiesen wurde, darf niemanden überraschen. Wäre das anders, würde nämlich recht zügig genau das passieren, was nicht passieren darf - und was wir gerade eben formuliert haben:

Die Menschen würden ihre Ersparnisse abheben. Siehe oben.

Wobei der „äußerste Notfall“ von dem in dem Papier offenbar die Rede ist, durchaus eine eigene Betrachtung verdient:

Nach allem, was wir heute wissen, hat die Deutsche Bank Derivate (die eingangs erwähnten Finanzwetten) in Höhe von rund 50 Billionen (Billionen!) Euro in den Büchern stehen. Das sind 50.000 Milliarden. Die Summe entspricht ganz grob gerechnet dem 16fachen deutschen Bruttoinlandsprodukts eines Jahres - oder dem 156fachen des Bundeshaushalts.

Mit anderen Worten: Bei einer "Rettung" der Deutschen Bank auf Staatskosten müsste die Bundesregierung (theoretisch) 156 Jahre lang alle Steuergelder nach Frankfurt überweisen. Eine groteske Vorstellung, die deutlich macht, dass man das Problem im "äußersten Notfall" anders lösen wird.

Bei diesen Größenordnungen kann die Bundesregierung gerne einmal vorrechnen, wie sie eine Insolvenz der Deutschen Bank ohne größere Staatsbeteiligung abzuwickeln gedenkt.

Der Aktienkurs spricht unterdessen eine sehr deutliche Sprache und weckt Erinnerungen an Lehman Brothers. Sehen Sie selbst:

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Nach meiner persönlichen Einschätzung (!) wird die Deutsche Bank in spätestens 18 Monaten komplett verstaatlicht werden.

Warum komplett und warum „erst“ in anderthalb Jahren?

In aller Regel geschehen die „weltbewegenden“ Dinge an den Kapitalmärkten im Zeitraum von Oktober bis März. Im Oktober 2016 wird die Deutsche Bank „sturmreif“ geschossen. Das erleben wir gerade. Bis März 2017 dürfte sich die Lage noch sehr massiv verschärfen.

Die Verstaatlichung des Geldhauses könnte nach einer als „Rettungsmaßnahme“ getarnten Fusion mit der ebenfalls taumelnden Commerzbank systembedingt spätestens im Frühjahr 2018 „alternativlos“ sein. Also in etwa 18 Monaten. Entsprechend turbulent dürfte auch der Herbst 2017 werden, was bis dahin aber kaum noch jemanden überraschen wird, denn „steigende Temperaturen“ gehören mittlerweile zu unserem Alltag.

Vor der Bundestagswahl im September 2017 ist eine komplette Verstaatlichung von Deutschlands größtem Geldhaus aus politischen Gründen kaum vorstellbar, wobei man sich da in diesen historischen Zeiten auch nicht allzu sicher sein sollte.

Anschließend aber dürfte die Politik gezwungen sein, die Bürger dieses Landes mit einer Hiobsbotschaft zu konfrontieren, wie es eine vergleichbare seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch nie gegeben hat: Deutschland größtes Geldhaus geht in Staatsbesitz über, weil dies dann die einzige Möglichkeit sein dürfte, das taumelnde Finanzsystem vorübergehend noch einmal zu "retten".

Was dann aus dem Derivateberg in den Büchern der Deutschen Bank wird? Glücklicherweise wissen wir alle (noch) nicht, wie sich die Abwicklung und Neuausrichtung einer Großbank dieser Dimensiobn unter staatlicher Kontrolle abspielen könnte. "Juristisch möglich" dürfte in einer solchen Situation, jedoch so ziemlich alles sein, weil die normative Kraft des Faktischen in Extremsituationen alle Gesetze außer Kraft setzt. Denn eines sollte man sich klar machen: Eine taumelnde Deutsche Bank bedroht auch die Überlebensfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland.

Vor dem Hintergrund der sich zusehends beschleunigenden Ereignisse ist zu befürchten, dass wir hier schon bald klarer sehen werden. Leider zeigt die Geschichte weltweit, dass Staaten in der "Unternehmerrolle" nicht lange fackeln, sondern in erster Linie Eigeninteressen verfolgen. In Extremlagen macht das auch Sinn, denn der Staat muss (und wird) weiter existieren, die insolvente Bank aber nicht, und auch nicht der "Großinvestor", der sich etwa von Finanzwetten einen schnellen Gewinn versprochen hatte.

Und weil das Gemeinwohl vorgeht, würde die Bundesregierung in einer Situation kollabierender Großbanken sicherlich nicht zögern, Derivate ersatzlos aufzulösen. Man würde die Positionen vermutlich ausbuchen und die Anleger enteignen, denn alles andere, insbesondere eine „Rettung“ der Deutschen Bank auf Steuerzahlerkosten ist bei den Unsummen, die hier im Feuer stehen, vollkommen aussichtslos.

Doch wenn sich Derivate in zweistelliger Billionenhöhe in Luft auflösen, dann muss das langfristig betrachtet kein allzugroßer Schaden sein.

Denn wenn unsere Welt eines ganz sicher nicht braucht, dann sind es windige Finanzwetten…

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Zum Autor:

Andreas Hoose ist Chefredakteur des Antizyklischen Börsenbriefs, einem Service der BörseGo AG. Weitere Informationen finden Sie unter www.antizyklischer-boersenbrief.de