Der große Schwachpunkt der Energiewende: die Rohstoffversorgung
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Die Energiewende ist in aller Munde: Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges und der eingestellten russischen Gas-Lieferungen mehr denn je. Die Politik hat sie sich auf die Fahnen geschrieben, die Ausbauziele sind gewaltig. Schließlich soll der Wirtschaftsstandort Deutschland keinen Schaden nehmen, das Klima aber um jeden Preis geschützt werden.
Am gestrigen Sonntag beispielsweise, ein insgesamt windarmer Tag, haben Erneuerbare Energien in Deutschland laut offiziellen Statistiken lediglich 35 Prozent des Stromes erzeugt. Das ist über die jüngsten Sommermonate betrachtet ein eher unterdurchschnittlicher Wert. Man denke nur, wären doppelt so viele Anlagen regenerativer Quellen am Netz, müsste nicht so viel Kohle für Strom verheizt werden, dem Klimaschutz wäre Genüge getan. Vor allem aber wäre Deutschland weniger abhängig von Energieimporten aus dem Ausland.
Dass die Erneuerbaren eine Art „Wankelstrom“ liefern, sprich nicht zuverlässig und nur unter großen, täglichen Schwankungen, und welche Folgen das für das Stromnetz und die Koordination dessen mit sich bringt, ist die eine Debatte. Die andere ist: Gibt es überhaupt genügend Rohstoffe für die Technologien der Energiewende?
Anlagen für erneuerbare Energiequellen unterscheiden sich grundlegend von einem System, das mit traditionellen Kohlenwasserstoffressourcen betrieben wird. Photovoltaikanlagen, Windparks und Elektrofahrzeuge benötigen in der Regel mehr Mineralien als ihre Pendants für fossile Brennstoffe. Ein typisches Elektroauto benötigt sechsmal mehr Mineralien als ein herkömmliches Auto, und eine Onshore-Windkraftanlage benötigt neunmal mehr Mineralien als eine Gas befeuerte Anlage, wie die Internationale Energieagentur (IEA) schreibt. Seit 2010 ist die durchschnittliche Menge an Mineralien, die für eine neue Einheit der Stromerzeugungskapazität benötigt wird, demnach um 50 Prozent gestiegen, da der Anteil der erneuerbaren Energien an den Neuinvestitionen zugenommen hat.
Die Art der verwendeten Bodenschätze variiert je nach Technologie. Lithium, Nickel, Kobalt, Mangan und Graphit sind entscheidend für die Leistung, Langlebigkeit und Energiedichte von Batterien. Seltene Erden sind für Permanentmagnete unerlässlich, die für Windturbinen und Elektromotoren notwendig sind. Stromnetze benötigen große Mengen an Kupfer und Aluminium, wobei Kupfer ein Grundstein für alle Technologien im Zusammenhang mit Strom ist.
„Die Umstellung auf ein sauberes Energiesystem wird zu einem enormen Anstieg des Bedarfs an diesen Mineralien führen, was bedeutet, dass der Energiesektor zu einer wichtigen Kraft auf den Mineralienmärkten wird“, so die IEA in ihrem Bericht. In einem Szenario, das die Ziele des Pariser Abkommens erfüllt, steigt der Anteil von sauberen Energietechnologien an der Gesamtnachfrage in den nächsten zwei Jahrzehnten laut IEA auf über 40 Prozent für Kupfer und Seltene Erden, 60 bis 70 Prozent für Nickel und Kobalt und fast 90 Prozent für Lithium. Elektrofahrzeuge und Batteriespeicher haben demnach schon die Unterhaltungselektronik als größten Lithiumverbraucher verdrängt und werden bis 2040 den Edelstahl als größten Endverbraucher von Nickel ablösen.
Laut IEA wird das prognostizierte Angebot aus bestehenden Minen und im Bau befindlichen Projekten bis 2030 schätzungsweise nur die Hälfte des Lithium- und Kobaltbedarfs und 80 Prozent des Kupferbedarfs decken.
Der steigende Bedarf an metallischen Rohstoffen gefährdet die politisch vorgegebene Energiewende in Deutschland und Europa. Nicht nur, dass es insgesamt zu wenig Rohstoffe in den entsprechenden Ziel-Zeitläuften gibt. Zusätzlich werden sich neue Abhängigkeiten von Ländern mit Metallvorkommen ergeben. Diese sind sogar noch konzentrierter als bei den fossilen Energieträgern: Während Erdöl und Kohle von einem Dutzend großer Förderländer bezogen werden, sind zahlreiche Metalle derzeit nur von wenigen Ländern zu beziehen.
Europa steht sich dabei manchmal auch selbst im Wege. Zwei Beispiele: In Spanien gibt es größere Lithiumvorkommen im Untergrund, aber geplante Bergwerke werden von Anwohnern angrenzender Gemeinden abgelehnt. 2013 suchte die serbische Regierung nach Investoren für eine Kupfermine im Osten des Landes. Trotz einigem Interesse westlicher Bergbauunternehmen unterstützte keine Regierung in der EU sie mit Bürgschaften.
In der Vergangenheit haben Belastungen des Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage bei verschiedenen Mineralien zusätzliche Investitionen sowie Bemühungen zur Abschwächung oder Substitution der Nachfrage ausgelöst, aber diese Reaktionen erfolgten mit Verzögerung und waren von erheblichen Preisschwankungen begleitet. Ähnliche Szenarien in der Zukunft könnten die Umstellung auf saubere Energien verschleppen und deren Kosten in die Höhe treiben.
Während die Energiewende momentan den Bedarf an Metallen wachsen lässt, gibt es immerhin eine positive Aussicht: Es ist der Weg zu einer Kreislaufwirtschaft, wenn etwa der Bedarf an Kupfer für neue Windräder durch das Recycling ausgedienter Anlagen gedeckt werden kann. Dieser Zeitpunkt ist aber noch lange noch nicht erreicht.
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