Fundamentale Nachricht
10:45 Uhr, 01.09.2017

Das Ende der quantitativen Lockerung in der Eurozone?

Auch wenn die Ankündigung bereits am 7. September erfolgen könnte, erwartet Franklin-Templeton-Finanzexperte David Zahn ein tatsächliches „Tapering“ der EZB frühestens 2018.

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San Mateo (GodmodeTrader.de) - Während sich die Sommerflaute auf den Märkten ihrem Ende nähert, richten Anleger ihre Aufmerksamkeit erneut auf die wichtigsten geldpolitischen Sitzungen rund um den Globus. Den Anfang macht die Europäische Zentralbank mit ihrer Sitzung am 7. September. Einige Kommentatoren sind der Ansicht, dass sie hier möglicherweise eine Änderung ihres geldpolitischen Ansatzes bekanntgeben könnte, wie Franklin-Templeton-Finanzexperte David Zahn in einem aktuellen Marktkommentar schreibt. Zahn erläutert, warum aus seiner Sicht der Anfang vom Ende der quantitativen Lockerung in Europa bevorstehen könnte, warum die EZB jedoch noch auf längere Zeit an ihrer gemäßigten Haltung festhalten dürfte.

„Wir wissen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) Änderungen an ihrem geldpolitischen Ansatz gerne lange vor deren Umsetzung signalisiert. Daher rechnen wir damit, dass EZB-Präsident Mario Draghi in unmittelbarer Zukunft ankündigen wird, dass die Bank im nächsten Jahr damit beginnen wird, ihr Programm zur quantitativen Lockerung (QE) zurückzufahren. Diese Ankündigung könnte bereits am 7. September erfolgen, wenn der EZB-Rat das nächste Mal zusammenkommt. Allerdings erwarten wir ein tatsächliches ‚Tapering‘ frühestens 2018“, so Zahn.

Jegliche Ankündigung dürfte zwar eine dramatische Reaktion der Finanzmärkte auslösen (insbesondere angesichts der Tatsache, dass nur wenige Märkte die Möglichkeit einer Kurskorrektur einzupreisen scheinen), es sei jedoch nicht mit einem schnellen Ende des Wertpapierkaufprogramms der EZB zu rechnen, heißt es weiter. „Unserer Ansicht nach liegen die Aussichten auf mögliche Zinserhöhungen in der Eurozone in sogar noch weiterer Zukunft. Die Amtszeit Draghis als EZB-Präsident läuft noch bis Ende 2019, und es würde uns überraschen, noch vor diesem Zeitpunkt eine Zinsanhebung zu sehen“, so Zahn.

Die EZB stehe wahrscheinlich vor einem Rätsel, das die Wahrscheinlichkeit eines steten Ansatzes für die Auflösung des QE-Programms erhöhe. Der Euro sei seit Beginn des Jahres aufgewertet worden, wodurch die wesentlichen Inflationskennzahlen der EZB unter Druck gekommen seien. Allerdings notiere er nur knapp höher als zum gleichen Zeitpunkt im Jahr 2016. Sollte die Bank ihre Geldpolitik zu schnell straffen, könnte die Aufwertung der Währung zusätzlich beschleunigt würden, wodurch sich wiederum der Abwärtsdruck auf die Inflation erhöhen würde. In diesem Fall könnte die Bank mit Forderungen konfrontiert werden, ihre Geldpolitik weiter zu lockern, heißt es weiter.

„Die EZB ist eine Zentralbank, die vornehmlich die Inflation ins Visier nimmt. Ihre Inflationsprognose für 2019 liege derzeit bei 1,5 Prozent, nachdem die vorherige Prognose bei der letzten Ratssitzung nach unten korrigiert worden sei. Ihrem Ziel von knapp unter zwei Prozent komme sie also nicht nahe. Sowohl beim Wachstum als auch im politischen Umfeld sei eine fortlaufende Verbesserung zu beobachten. „Unserer Ansicht nach könnten die Mitglieder des EZB-Rates bei Berücksichtigung dieser Faktoren zu dem Schluss kommen, dass die Zentralbank zwar eine gelockerte, aber nicht unbedingt eine ultralockere Geldpolitik benötigt. Unseres Erachtens muss die EZB ihren QE-Ansatz neu überdenken – nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Ähnlichkeiten zwischen den Entwicklungspfaden der Wirtschaft im Euroraum und in den USA“, so Zahn.

So wiesen die beiden Wirtschaftsräume beispielsweise eine ähnliche Größe und auffallend ähnliche Wachstumsraten auf. Auch bei der Inflation seien die Unterschiede nicht allzu groß. In Europa liege sie ein wenig geringer, aber auch nicht in dramatischem Ausmaß. Und auch die Arbeitsmarktdaten fielen nicht allzu weit auseinander. In Europa habe die Arbeitslosigkeit den in den USA verzeichneten extrem niedrigen Stand zwar nicht erreicht, sie sei jedoch auf den tiefsten Stand seit neun Jahren gefallen. Vor diesem Hintergrund könnte man zu Recht fragen, warum es sinnvoll sei, dass sich ein Wirtschaftsraum (die USA) in einem geldpolitischen Straffungszyklus befinde, während der andere (die Eurozone) sein Programm zur geldpolitischen Lockerung fortsetze, heißt es weiter.

„Um Missverständnisse zu vermeiden: wir empfehlen keineswegs, dass die EZB eine Straffung einleiten sollte. Unserer Ansicht nach sollte sie jedoch damit beginnen, den Umfang ihrer Maßnahmen zur quantitativen Lockerung zu verringern“, so Zahn. Diese Einschätzung falle mit der Erwartung zusammen, dass die EZB hinsichtlich der Mengen an Anleihen, die sie im kommenden Jahr kaufen könne, an ihre Grenzen stoßen werde. Grund hierfür seien vor allem Beschränkungen in Bezug auf ihr Eigentum an Anleihenemissionen (derzeit dürfe sie maximal ein Drittel einer Anleihenemission halten). „Unserer Ansicht nach ist es wichtig, anzuerkennen, dass die quantitative Lockerung in der Eurozone äußerst erfolgreich verlaufen ist. Die Zinsen sind hierdurch auf ein sehr akkommodierendes Niveau gesunken“, so Zahn.

Der EZB sei es gelungen, die Diskrepanzen zwischen den Bankzinsen im Norden und Süden Europas auszuräumen. Vor Einleitung der Maßnahmen zur quantitativen Lockerung seien die Zinsen in den südlichen Ländern Europas deutlich höher gewesen, so dass es dort sehr viel teurer gewesen sei, sich Geld zu leihen. „Zudem beobachten wir allmählich positives Lohnwachstum, das es in Europa schon lange nicht mehr gegeben hatte. Das positive Lohnwachstum belegt, dass eine Senkung der Zinsen tatsächlich eine effektive Kreditvergabe und damit auch Wachstum nach sich zieht. Die EZB wird hoffen, dass sich dieses Wachstum in der Inflation niederschlägt. Angesichts der niedrigen Inflationstrends in der Eurozone dürfte die EZB kurzfristig jedoch wohl noch auf längere Zeit an ihrer lockeren Geldpolitik festhalten“, so Zahn.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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