Kommentar
14:47 Uhr, 10.08.2015

Da braut sich was zusammen...

Ferien, Sommerwetter und ein laues Börsenlüftchen. Was will man mehr? Doch wenn alles scheinbar wie geschmiert läuft, ist die Gefahr besonders groß, in die Falle zu tappen. Jetzt ist es wieder soweit...

Wer mit kurzfristigen Börsengeschäften nichts am Hut hat, der kann sich den Luxus erlauben, langfristige Entwicklungen in der Analysearbeit wesentlich stärker zu gewichten. Luxus ist das deshalb, weil die eigene Perspektive von den nervösen Zuckungen des Tagesgeschäfts verschont bleibt, was den Horizont aufs Jahr gesehen gewaltig erweitert. Denn so bleibt genügend Zeit für die anderen Dinge des Lebens. Und die sind ja auch nicht ganz unwichtig...

Aktuell, so scheint es in diesem glühend heißen deutschen Sommer, lohnt es sich ganz besonders, die längerfristige Perspektive einzunehmen. Denn wie es aussieht, braut sich da etwas zusammen, das uns noch eine ganze Weile beschäftigen wird.

Nehmen wir etwa den S&P500. Ungeachtet des unaufhaltsamen Aufstieg Chinas ist das breit angelegte US-amerikanische Marktbarometer immer noch so etwas wie der Weltleitindex.

In den vergangenen Monaten hat sich hier heimlich still und leise eine Entwicklung angebahnt, die bislang kaum jemand sieht, weil sie erst dann erkennbar wird, wenn man die Brille des nervösen Tagesgeschäfts gegen die langfristige Perspektive des strategischen Investors eintauscht.

Die folgende Abbildung zeigt die Entwicklung des Index über eine volle Dekade. In diesen Zeitraum fällt sowohl die schwere Baisse der Jahre 2008 und 2009 sowie das heftige Sommergewitter vom August 2011. Jede Kerze im Kursverlauf bildet einen vollen Monat ab. Auch die dargestellten Indikatoren MACD (oben), RSI (Mitte) sowie der Slow Stochastik-Indikator (ganz unten) zeigen jeweils das Bild auf Monatsbasis.

Stand Mitte August 2015 fallen nun gleich mehrere frappierende Beobachtungen auf, die langfristig agierenden Investoren unmissverständliche Signale liefern.

Sehen wir uns das der Reihe nach an:

Erstens:

Der seit Sommer 2011 bestehende Aufwärtstrend, erkennbar an der blauen Linie in der folgenden Abbildung, wurde im Juli 2015 erstmals deutlich unterschritten. Die August-Kerze oben rechts bestätigt dieses Bild.

Zweitens:

Im August 2015 befindet sich der S&P500 seit nunmehr sieben Monaten in einer Seitwärtsphase. In der Betrachtung über mehrere Jahrzehnte zeigt sich bei verschiedenen Indizes, etwa auch beim DAX, dass nach einer Konsolidierungsphase über sieben Monaten oftmals eine Richtungsentscheidung fällt. In früheren Ausgaben des Antizyklischen Börsenbriefs hatten wir uns mit dem Phänomen ausführlich beschäftigt.

Drittens:

Sieht man sich verschiedene Indikatoren an, wird erkennbar, welche Richtung aktuell zu favorisieren ist: Anfang 2015 hat der trendfolgende MACD erstmals seit Sommer 2011 ein Verkaufssignal geliefert. Achten Sie auf die rote Markierung in der folgenden Abbildung.

Hinzu kommt: RSI und Slow Stochastik haben auf Monatsbasis sehr ausgeprägte negative Divergenzen ausgebildet, was die Signallage des MACD unterstreicht. Achten Sie auf die beiden fallenden roten Linien im unteren Bereich der Grafik.

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Bestätigt wird die schwächliche Verfassung des S&P500 von weiteren Beobachtungen am US-Aktienmarkt. So haben etwa zwei langfristig wichtige gleitende Durchschnitte des Dow Jones Index in dieser Woche erstmals seit Sommer 2011 ein langfristiges Verkaufssignal geliefert: Der 50-Tage-Durchschnitt hat die 200-Tage-Linie von oben nach unten durchkreuzt. Achten Sie auf die rote Markierung in der folgenden Abbildung:

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Unterstrichen werden diese langfristig bedeutsamen charttechnischen Warnhinweise von der sinkenden Marktbreite wichtiger Indizes. Die folgende Abbildung etwa zeigt den Anteil bullischer Aktien für den S&P500. Wir gut zu erkennen ist, hat sich auch hier eine negative Divergenz zum Kursverlauf gebildet.

Das bedeutet: Die Hausse an den US-Börsen wird von immer weniger Aktien getragen. Im Fall des S&P500 zeigen nur noch wenig mehr als 50 Prozent der dort gelisteten Anteilsscheine ein positives Chartbild.

Es ist das klassische Signal innerer Schwäche, das in der Vergangenheit jede größere Baisse angekündigt hat. Bedenklich ist zudem der vergleichsweise langsame Abstieg des Indikators. Das könnte bedeuten, dass kapitalstarke Adressen ihre Aktienbestände ganz allmählich reduzieren, um so möglichst wenig Aufsehen zu erregen

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Bestätigt wird die allgemeine Signallage an den Börsen von der eklatanten Schwäche der Öl- und Kupferpreise. Ähnlich wie im Sommer 2007 befinden sich beide Industrierohstoffe bereits in einer ausgewachsenen Baisse, während die Aktienmärkte noch in luftigen Höhen herumturnen.

Die folgende Abbildung zeigt den wichtigen US-amerikanischen Ölfunds mit dem Kürzel USO. Bemerkenswert ist, dass der MACD auf Wochenbasis soeben erst ein neues Verkaufssignal gebildet hat. Das könnte bedeuten, dass beim Öl, dem klassischen Schmierstoff der Weltwirtschaft, die nächste Abwärtswelle bevorsteht. Achten Sie auf die rote Markierung rechts unten.

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Die folgende Abbildung zeigt den Verlauf der Kupferpreise, ebenfalls auf Wochenbasis. Alles andere als der Begriff „Baisse“ wäre hier eine massive Beschönigung.

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Wenn Kupfer und Öl die Baissekarte spielen, ist man in aller Regel gut beraten, in Deckung zu gehen. Denn wenn die Nachfrage nach diesen beiden Rohstoffen fällt, und somit auch die Preise sinken, dann ist das kein gutes Zeichen für die Weltkonjunktur.

Passend hierzu zeigen defensive Aktien wie etwa die Deutsche Telekom oder auch der Pharmakonzern Pfizer (PFE) ausgeprägte relative Stärke zum Gesamtmarkt. Das ist deshalb von Bedeutung, weil hier Rotationsbewegungen sichtbar werden, die ebenfalls zu den klassischen Frühindikatoren einer beginnenden Baisse zählen:

Geht dem breiten Markt die Luft aus, schichten institutionelle Anleger das Kapital in defensive Sektoren um. So ist es nur konsequent, dass viele Titel aus dem Telekom- und Gesundheitssektor Aufwärtstrends wie aus dem Bilderbuch zeigen. Die folgende Abbildung verdeutlicht das am Beispiel von Pfizer

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Zusammengefasst ergibt sich folgendes Bild:

Anleger sollten sich von der trügerischen Ruhe in den Börsensälen nicht einlullen lassen. In der Vergangenheit hat noch jede (!) schwere Baisse mit einer Phase allgemeiner Sorglosigkeit begonnen. Und die alljährliche Sommerflaute eignet sich ganz besonders, um die Anleger in Sicherheit zu wiegen.

Tatsächlich zeigen die langfristigen Verläufe wichtiger Indizes erhebliche innere Schwäche, die ähnlich wie Ende 2007 und zuletzt im Sommer 2011 eine herbe Korrektur an den weltweiten Aktienmärkten ankündigen könnte.

Berücksichtigt man die rasant fallenden Rohstoffpreise, sowie die relative Stärke defensiver Titel, könnte sich vor unseren Augen gerade der Beginn einer schweren Baisse entwickeln.

Doch leider ist das alles inzwischen nicht mehr so einfach, wie es sich vielleicht anhört:

Weil Manipulationen an den Finanzmärkten mittlerweile zum Tagesgeschäft geworden sind, lautet die alles entscheidende Frage, ob es den Notenbanken in den kommenden Monaten gelingen kann, die Kurse weiter „über Wasser“ zu halten. Oder haben sie daran womöglich gar kein Interesse? Und was dann?

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Zum Autor:

Andreas Hoose ist Chefredakteur des Antizyklischen Börsenbriefs, einem Service der BörseGo AG. Informationen finden Sie unter www.antizyklischer-boersenbrief.de

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