Kommentar
11:38 Uhr, 22.01.2019

Brexit – was sagt eigentlich der Aktienmarkt?

Die Medien sind sich einig, dass mit dem drohenden "Brexit" eine historische Katastrophe jetzt unmittelbar vor der Tür steht. Die Börsen scheinen das jedoch völlig anders zu sehen...

Der geplante Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (Brexit) ist auf dem besten Weg, den Kontinent in eine historische Krise zu stürzen. Dieser Eindruck jedenfalls entsteht bei der Durchsicht der medialen Berichterstattung. Ein Brexit scheint so eine Art „Weltuntergang“ zu sein. Was ist davon zu halten?

Zunächst ein paar Eckdaten:

  • Am 23. Juni 2016 stimmten 51,89 Prozent der Briten in einem Referendum für einen Brexit.
  • Ende November 2018 hatten die EU-Regierungschefs einen Entwurf für ein Austrittsabkommen unterzeichnet.
  • In der vergangenen Woche hatte das britische Unterhaus den Brexit-Deal von Premierministerin Theresa May mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.
  • Einen Tag später überstand die britische Regierungschefin ein Misstrauensvotum.
  • Stand Januar 2019 soll Großbritannien am 29. März die EU verlassen – damit droht ein „ungeordneter Brexit“.
  • Um dies abzuwenden, hatte die britische Regierungschefin Theresa May am Montag, 21. Januar, ihren „Plan B“ vorgelegt, der jedoch keine neuen Erkenntnisse gebracht hat.

Demnach will die britische Regierung mit der Europäischen Union noch einmal über den Status der nordirischen Grenze nach dem Brexit verhandeln. Die Nordiren hatten im Sommer 2016 ebenso wie die Schotten und die Bürger Londons für einen Verbleib in der EU gestimmt. Dazu die folgende Grafik:

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May will jetzt mit den Abgeordneten des britischen Parlaments über die Grenzfrage beraten. Das Ergebnis der Diskussion werde sie dann in Brüssel präsentieren. Die EU bekräftigte daraufhin erneut, dass es in der Nordirland-Frage keine Nachverhandlungen geben werde.

Folgende Optionen sind derzeit denkbar:

1. Eine zweite Abstimmung im Unterhaus
2. Verschiebung des Brexit
3. Neues Referendum oder Neuwahlen
4. Annullierung des Brexit-Antrags
5. Ungeordneter Brexit...

Die Lage ist demnach einigermaßen konfus, eine Lösung weiterhin nicht in Sicht. Zaubert Theresa May jetzt nicht zügig ein Kaninchen aus dem Hut, droht Ende März tatsächlich der "ungeordnete Brexit".

Interessant sind die Horrorszenarien, die in diesem Zusammenhang von den Medien an die Wand gemalt werden. Folgt man der breiten Berichterstattung, ist man versucht, den Weltuntergang zu erwarten, sollte der Brexit tatsächlich über die Bühne gehen. Die Horrorgemälde sind vermutlich kein Zufall.
Peter Haisenko schreibt dazu bei AnderweltOnline:

„Es könnte so einfach sein. Großbritannien tritt aus der EU aus und schließt mit der EU ein Freihandelsabkommen. Etwa so, wie neulich mit Japan“.

Ein Austritt Großbritanniens aus der EU scheint für die Medien jedenfalls eine unausdenkbare Katastrophe zu sein. Doch vielleicht ist die eigentliche Angst eine ganz andere: Womöglich ginge es Großbritannien ohne Mitgliedschaft in der EU ja sogar besser als vorher. Was sollen die Medien den Bürgern in Europa denn dann erzählen?

Der ehemalige britische Abgesandte für die Brexit-Verhandlungen, David Davis, hat dazu in einem Interview mit dem Spiegel gesagt, Angela Merkel wolle am Inselstaat "ein Exempel statuieren". Nach Aussage der Kanzlerin dürfe Großbritannien "nicht vom Brexit profitieren".

Dazu ein Zitat aus dem folgenden Beitrag:

„Der ehemalige Brexit-Verhandlungsführer David Davis, der seine Rolle aus Protest gegen den umstrittenen Deal von Premierministerin Theresa May im Juli aufgegeben hatte, sprach in einem Interview mit dem Magazin Der Spiegel nun ungewöhnlich offen über die Erfahrungen mit seinen europäischen Kollegen.

Der Brexit-Unterhändler wetterte über den EU-Apparat und Angela Merkel als dessen "Anführerin". Er begann mit seinem Angriff gegen Brüssel und warf der EU vor, während des gesamten Brexit-Prozesses (zu) kompromisslos mit dem Vereinigten Königreich umgegangen zu sein. Die Hauptschuld dafür sah er bei der deutschen Kanzlerin, die anscheinend vorhatte, an Großbritannien ein Exempel zu statuieren. Davis sagte:

Tatsächlich sagte Frau Merkel, wenn ich mich richtig erinnere, sinngemäß, dass Großbritannien auf keinen Fall vom Brexit profitieren dürfe“.

Das würde natürlich einiges erklären...

Sehr aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang, dass der Londoner Aktienmarkt die Brexit-Frage offenbar völlig anders bewertet als der hyperventilierende Mainstream. Sehen wir uns dazu ein paar Grafiken an:

Die folgende Abbildung zeigt den Kursverlauf des britischen FTSE 100 (dunkelblaue Linie) im direkten Vergleich mit dem DAX (grün) und dem S&P 500 (violett).

Hier fällt auf, dass der britische Aktienmarkt seit mehr als 20 Jahren in einer zähen Seitwärtsbewegung gefangen ist. Und jetzt kommt´s:

Ausgerechnet in den Wochen nach der Brexit-Entscheidung der Briten vom Sommer 2016 (senkrechte rote Linie) konnte der FTSE 100 diese Seitwärtsphase mit einem Anstieg auf ein neues Allzeithoch beenden. Achten Sie auf den grünen Pfeil in der folgenden Abbildung.

Das ist verblüffend, denn das würde ja bedeuten, dass der Aktienmarkt in einem Austritt Großbritanniens aus der EU so eine Art „Befreiungsschlag“ sehen würde. Sollte sich das herumsprechen, könnte Brüssel in arge Erklärungsnöte kommen.

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Noch etwas deutlicher wird der Brexit-Anstieg des britischen Aktienmarktes in der Fünf-Jahres-Betrachtung. Dazu die folgende Grafik. Auch hier ist das Votum der Briten mit einer senkrechten roten Linie markiert. Die dunkelblaue Linie zeigt wieder den FTSE 100.

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Zu der Aussage, dass die Aktienmärkte einen Brexit offenbar völlig anders bewerten als die Medien, passt auch die folgende Grafik. Jetzt sehen wir uns den FTSE 100 im direkten Vergleich mit dem DAX an, und zwar auf Sicht eines Jahres. Dabei fällt auf, dass der Londoner Aktienmarkt (blaue Linie) den DAX seit Sommer 2018 deutlich hinter sich lassen kann.

Die relative Schwäche des deutschen Aktienbarometers im Vergleich mit seinem Londoner Pendant ist sicherlich zu einem guten Stück hausgemacht. Man denke etwa an die immer deutlicher werdende Abkehr der Bundesregierung von der für den Wirtschaftsstandort Deutschland überlebenswichtigen Automobilindustrie.

Tatsache ist aber auch, dass seit Sommer 2018 ein Austritt Großbritanniens aus der EU immer wahrscheinlicher wird. Die relative Stärke des Londoner Aktienmarktes gemessen am DAX könnte also auch damit zu tun haben.

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Wird uns der drohende Brexit von linksgrünen Medien und deren Politikergefolgschaft also womöglich als eine Katastrophe verkauft, die gar keine ist? Besteht die Angst von Medien und Politik in Wahrheit darin, dass sich Großbritannien nach einem Austritt aus der EU sehr viel besser entwickeln könnte als der Rest Europas? Was, wenn dann weitere Staaten den Briten nacheifern sollten?

In diesem Zusammenhang könnte man sich beispielsweise einmal ansehen, wie der Dow Jones seit dem Wahlsieg Donalds Trumps abgeschnitten hat – oder wie es der brasilianischen Börse nach dem Amtsantritt des von den Mainstream-Medien verrissenen Jair Bolsonaro ergangen ist.

Geradezu atemberaubend ist der direkte Vergleich des brasilianischen Leitindex Bovespa mit dem S&P 500 in der folgenden Abbildung. Die blaue Linie zeigt den Kursverlauf der brasilianischen Börse. Die senkrechte rote Linie und der rote Pfeil markieren den Wahlsieg Bolsonaros. Auch hier eine faustdicke Überraschung: Nicht einmal der Panikausverkauf an den Weltbörsen zum Jahreswechsel konnte die brasilianische Börse zuletzt beeindrucken.

Ein ähnliches Ereignis erlebten die Börsianer nach dem Wahlsieg Donald Trumps, als die US-Börsen vollkommen konträr zu den medialen Prophezeiungen im Anschluss an den Wahltermin im November 2016 sofort dynamisch durchstarteten. Genau wie zuletzt in Brasilien…

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Beide Politiker, Trump wie Bolsonaro, verfolgen jedoch Strategien, die dem linksgrünen EU-Zeitgeist ziemlich exakt diametral gegenüberstehen. Das wirft die folgende Frage auf:

Geht es den Menschen, der Wirtschaft und damit auch den Börsen womöglich überall dort besser, wo linke Träumer und Ökofaschisten in die Schranken verwiesen und abgewählt werden?

Und begründet das die eigentliche Panik der Brüsseler EU-Technokraten und der Mainstream-Medien vor einem Brexit?

Die Antwort darauf möge jeder für sich selbst finden. Spätestens bei den Europawahlen im Mai dieses Jahres dürfte diesbezüglich einiges in Bewegung kommen.

Mit oder ohne die Briten…

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Zum Autor:

Andreas Hoose ist Chefredakteur des Antizyklischen Börsenbriefs, einem Service der BörseGo AG. Weitere Informationen finden Sie unter www.antizyklischer-boersenbrief.de

91 Kommentare

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  • Torculus
    Torculus

    thanks for info Agent DiNoso 😎

    vielleicht kleinen Hinweis?

    10:07 Uhr, 31.01. 2019
  • DiNase
    DiNase

    Office of the Inspector General (OIG) / Department of Justice (DOJ)

    ZUSAMMENFASSUNG DER ERMITTLUNGEN

    Feststellung von "Fehlverhalten" durch 2 aktuelle hochrangige FBI-Beamte und einen pensionierten FBI-Beamter. (Guess who they are ...)

    https://oig.justice.gov/report...

    08:52 Uhr, 30.01. 2019
  • Pitjupp
    Pitjupp

    Um mal beim Brexit zu bleiben und nicht die alte "rechts-links"-Leier wieder und wieder zu drehen. Höhere Produktivität braucht größere Wirtschaftsräume. Diese brauchen einheitliche Währungen, gemeinsame Rechtsgrundlagen, am besten eine gemeinsame Sprache und zumindest kommunizierende kulturelle Werte. Das ist das das Geheimnis hinter der enormen Wirtschaftskraft der USA und jetzt auch Chinas und demnächst der anderen asiatischen Staaten i.e. Indien. Und auch Deutschland (noch gar nicht so alt-aus lauter Kleinstaaten entstanden und zu dieser Zeit dem für damalige Verhältnisse großen französischen Wirtschaftsraum hoffnungslos unterlegen) wird sich dieser Entwicklung anpassen müssen, genauso wie die Briten. Was die Briten wollen, ist dieser Wirtschaftsraum, aber ohne die Konsequenzen mitzutragen, das überlassen sie gerne den anderen. Ein NO GO, zumindest für mich.

    15:58 Uhr, 27.01. 2019
    2 Antworten anzeigen
  • feloh
    feloh

    hab jetzt alle Beiträge gelesen und finde alles sehr sehr interessant.

    In Summe bin ich geneigt in britische Aktien vermehrt zu investieren. Bestimmt noch bissle hin und her wegen der Unsicherheit.

    Sollte aber was bei rumkommen wenn die austreten. ich sehe mehr Chancen als Risiken. Muss MANN halt Eier haben.

    Aber muss jeder selbst wissen ;-)

    schönen Sonntag noch

    13:25 Uhr, 27.01. 2019
  • wolp
    wolp

    Ja richtig, es bleibt dabei. Echokammern sind der Atlas der Rechten, geht vom Leugnen des Klimawandels über den fehlenden Intellekt bis zum Glauben an den großen Zampano... Stimme ich Ihnen voll zu.

    19:16 Uhr, 26.01. 2019
    1 Antwort anzeigen
  • wolp
    wolp

    Da hat doch mal jemand über jede Menge Derivate geschrieben, die beim Brexit alles in den Orkus reißen. Unverantwortlich... A. H. Beitrag war in weiten Teilen rein satirisch-nicht gemerkt? Merci

    19:06 Uhr, 26.01. 2019
  • Investor
    Investor

    Ist es nicht egal wie die Wahl ausgeht, denn Deutschland und die EU sind die Verlierer des Handelskrieges US-China. Bleibt dieser Konflikt bestehen, dann bremst die chin Wirtschaft und die dt Exporte lassen nach. Schlimmer noch, wenn der Konflikt beigelegt würde, denn dann kauft China mehr Waren ins den USA und deutlich weniger aus Europa. Dazu stehen auch noch mehrere Mrd im Handel mit UK im Feuer.

    Dann stehen europ- Banken, Arbeitnehmer, Staaten undSozialsysteme im Regen.

    Die ganze Situation wird noch dadurch verschärft, dass in den nächsten 5 Jahren ca 20Trillionen USD an Anleihen refinanziert werden müssen - bei einem ww BIP von 80 Trillionen. Die Firmen haben ww einwn extrem hohen Frendkapitalanteil, die Staaten negativen Haushalten.

    Bin auf die Reaktionen der Notenbanken und Staaten gespannt.

    16:34 Uhr, 26.01. 2019
    2 Antworten anzeigen
  • The Secessionist
    The Secessionist

    EU= Stagnation ! Deutschland verliert seit 2013 das Wichtigste........Zeit ! Stllstand in der Infrastrukur , G5 , Digitalisierung , Modernisierung, Ausbildung Unis, Schulen , Forschung , Entwicklung zukunfts Technologien ! 0.0 Sicherung strategischer Rohstoffe! 0,0 weiterer Aufbau Goldreserven +Silber Platin !

    Folge von.........

    Dem zweit wichtigste .....Geld ! Der kontinuierliche SteuerGeld ABfluss aus Deutschland HERRAUS , in EU Efsfs ESMs, Scheckbuchtrips Africa , Rettung des Islams durch Umsiedlung ins BRD Sozialsystem , Kindergeldzahlungen nach Rumänien und Resteuropa , und Verteilung in der Restwelt!

    Die Deutschen haben die Katastrophe gewaehlt bei den letzten zwei Butawahlen und jetzt zuletzt CDU Intern !!!!!!!

    SO EINFACH IST DAS ALLES!

    14:24 Uhr, 26.01. 2019
  • trend-x
    trend-x

    die Panik der EU ist spürbar. Ein geregelter/ungeregelter Brexit ist die Blaupause für weitere Austritte. Nicht Auszudenken, sollten die Briten es tatsächlich schaffen, aus ihrer Unabhängigkeit Kapital zu schlagen Das EU Modell droht sich auf die Nehmerländer zu reduzieren, sobald noch eine der 4 größten Volkswirtschaften Europas sich verabschiedet bzw. nur laut darüber nachdenkt. Lt CIA Studie haben wir auch in D bis 2021 Bürgerkriegsähnliche Zustände. Die Hauptgründe sind on der radikalen Erkenntnis, dass der Ökowahn evtl.! den nachfolgenden Generationen nützt, die Leute aber gerne im hier und jetzt leben. Die EU arbeitet unter dem Deckmantel der CO2 Debatte/Klimawandel an einer Luftsteuer für saubere Atemluft... wer wäre da nicht lieber Brite...

    11:37 Uhr, 26.01. 2019
    1 Antwort anzeigen
  • The Secessionist
    The Secessionist

    Jeder weiss , auf GB warten blühende Landschaften und die grünsten Auen ! Je schneller der Hard Brexit kommt , fallen Innovationshemmnisse, Regulierungswahn , absurde Gesetze, kurzum jeglicher Visions zerstörender EU Sozialismus Zentralismus weg ! Das Land wird schlagartig " Frei" und kann sofort "los marschieren " ! Sofort auf die Überholspur wechseln ......... Die grösste Angst des EU Zentralkomitees! Das ist des Pudels Kern ........

    09:01 Uhr, 23.01. 2019
    2 Antworten anzeigen