Kommentar
16:44 Uhr, 25.02.2015

Alle rechnen mit niedrigen Zinsen - Gefahr?

Auch wenn tatsächlich derzeit viele strukturellen Gründe für niedrige Zinsen sprechen und eine baldiger Zinsschritt alles andere als ausgemacht ist, sollte der Selbstzufriedenheit dennoch nicht zu viel Raum gewährt werden. Unkonventionelle Geldpolitik hat nicht selten unerwartete Konsequenzen zur Folge.

„Unlike a well-defined precise game like Russian roulette, where the risks are visible to anyone capable of multiplying and dividing by six, one does not observe the barrel of reality. One is capable of unwittingly playing Russian roulette - and calling it by some alternative “low risk” game.” (Nassim Nicholas Taleb)

Die Interpretation der Zinsstruktur ist keine exakte Wissenschaft und immer auch abhängig von der zugrunde liegenden Hypothese. Grundsätzlich kann man die Rendite von Anleihen mit längerer Laufzeit jedoch in 3 Komponenten unterteilen:

  1. Ein Aufgeld für die erwartete Inflationsrate
  2. Einen Aufschlag für die erwartete Entwicklung der Realzinsen
  3. Das sogenannte „Term Premium“

Unter dem Begriff „Term Premium“, dem sogenannten Laufzeitaufschlag werden alle sonstigen, nur bedingt quantifizierbaren Faktoren zusammengefasst, welche in die Rendite mit einfließen. Beispiel dafür ist das von den Investoren erwartete Zinsrisiko, „Safe-Haven-Flows“, ein allgemein vermindertes Angebot an sicheren Geldanlagen oder Zentralbankinterventionen.

ACM Term Premium

Die Fed-Ökonomen Tobias Adrian, Richard Crump, und Emanuel Moench (kurz „ACM“) haben zur Visualisierung dieses typischerweise schlecht sichtbaren Aufschlages das sogenannte „ACM Term Premium Model“ (siehe Grafik 1) entwickelt.

Auffällig an der gegenwärtigen Entwicklung ist, dass das Term Premium jüngst deutlich in den negativen Bereich abgesunken ist, und die Renditen mit derzeit etwa -43 Basispunkten belastet.

Dieses in dieser Ausprägung anomale Verhalten wird durch die stetig sinkenden Inflationserwartungen und auch die sich abflachende Zinskurve derzeit gut maskiert, und darin genau darin liegt unter Umständen ein signifikantes Risiko, dem im Nachfolgenden auf die Spur gekommen werden soll.

Monetäre Normalisierung

„The Committee intends to reduce securities holdings in a gradual and predic table manner, primarily by ceasing to reinvest repayments of principal on securities held in the System Open Market Account. Regarding the timing for ceasing reinvestments, the Committee now expects this to occur after the initial increase in the target range for the federal funds rate. The Committee currently does not anticipate selling agency mortgage-backed securities as part of the normalization process, although limited sales might be warranted in the longer run to reduce or eliminate residual holdings.“ (Janet Yellen 17. September 2014)

Wie aus dem obigen Statement von Janet Yellen hervorgeht, führt der Weg zur geldpolitischen Normalisierung - Stand heute – anfänglich nicht über eine aktive Reduzierung der Staatsanleihen, die sich im Besitz der Notenbank befinden, sondern über alternative Maßnahmen wie Reverse Repos und Zinsen auf Überschussreserven.

Wenn man so will ist die Zinserhöhung mehr oder weniger virtueller Natur, denn de facto werden damit nur die Reserven im Bankensystem trockengelegt, die Ankäufe aber nicht rückabgewickelt. Dieser Punkt ist von entscheidender Bedeutung, denn Normalisierungsmaßnahmen nach diesem Konzept dürften nur einen relativ geringen Einfluss auf die langfristigen Zinsen ausüben.

Neben exogenen Faktoren, wie zum Beispiel der Eurokrise, liegt hier sicherlich ein entscheidender Grund für die übergeordnet anhaltende Rally an den Anleihenmärkten. Das muss nicht so bleiben.

Forward Guidance-Risiko

Die Geldpolitik nach Lehman gibt sich Mühe um einen bewusst formalen Rahmen, ist aber im Wesentlichen sehr experimenteller Natur, denn weder Zeitpunkt, Konditionalität, noch Umsetzung eines Zinsschrittes sind exakt definiert.

Die Kommunikation der Zentralbank befindet sich offensichtlich zwar im ständigen Fluss, es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass die Sequenz mit welcher die Fed ihre Zügel anziehen wird, jederzeit neu definiert werden kann – zwei Gründe:

  1. Weiterhin ist nicht vollständig nicht klar, ob der Weg über Reverse Repos und die Erhöhung der Zinsen auf Überschussreserven aufgrund seiner latenten Widersprüchlichkeit (Zinserhöhung ohne Verkauf von Anleihen) technisch überhaupt gangbar ist.
  2. Inwiefern ist es für die Fed vermittelbar signifikante Zinsen auf Bankreserven auszuschütten, wenn die Renditen für sichere Anlagen nahe oder auf Allzeittiefs notieren? Wenn europäische Zentralbanken mittlerweile sogar negative Zinsen verlangen?

Würde die sich Notenbank also aus technischer Notwendigkeit oder systemischen Bedenken zukünftig dazu entschließen, nicht länger auf einen Verkauf ihrer Assets zu verzichten und sich im Zuge dessen der negative Laufzeitaufschlag abrupt umkehren, dann muss am Bondmarkt eine erhöhte Volatilität einkalkuliert werden.

Beware the Fed Speaks

Während noch im letzten Jahr 99% der Anleger von der amerikanischen Bond-Rally auf dem falschen Fuß erwischt wurden, ist es trotz angeblich bevorstehender Zinserhöhung durch die Fed mittlerweile Konsens, dass die Renditen nur tiefer können.

Auch wenn tatsächlich derzeit viele strukturellen Gründe für niedrige Zinsen sprechen und eine baldiger Zinsschritt alles andere als ausgemacht ist, sollte der Selbstzufriedenheit dennoch nicht zu viel Raum gewährt werden. Unkonventionelle Geldpolitik hat nicht selten unerwartete Konsequenzen zur Folge.

5 Kommentare

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  • Investor
    Investor

    Herr Hauser,

    Ihr Artikel ist etwas zu technisch für mich

    Die grundliegende Frage ist doch eine andere: Solange die US Administration einen negativen Haushalt hat, muß es Käufer für mehr US treasuries geben. In der Vergangenheit waren dies FED, US Pensionsfonds oder ausländische Käufer.

    Diese Anlegergruppen kaufen nur, wenn sie langfristische Renditen erwarten. Bei erwarteten Zinserhöhungen sind sollten US Pensionsfonds ausfallen, da steigende Zinsen die Anleihenpreise fallen lassen. Ausländische Käufer brauchen im Gegenzug bei fallenden Anleihepreise einen steigenden USD, damit sich dies rechnet. Im Schnitt müssen die USA rd 1b neuer Treasuries (Refinanzierung + Neuschulden) im Markt unterbringen.

    Deshalb rechne ich nur mit symbolischen (0,3-0,7%) Renditeanstiegen. Gleichzeitig werden ausländische Käufer durch QE Maßnahmen in Japan und Europa zu US treasuries motiviert. Würden die Renditen deutlich stärker steigen, dann hätte dies Auswirkungen auf die Aktienmärkte und auf die US Wirtschaft, denn in diesem Falle entschuldet sich die US Administration auf Kosten der Pensionsfonds/Rentner und dies würde zu einem weiter sinkenden Konsum in USA führen.

    Da sich der USD als Weltleitwährung immer stärker im Wettbewerb mit Yuan und anderen Währungen befindet, werden die Notenbanken ihre reserves dem neuen Mix der Handelswährungen anpassen müssen. Dies reduziert natürlich weiter die ausländische Nachfrage nach US treasuries und muß kompensiert werden.

    Alles andere ist Technik wie man die Ziele am Besten erreichen kann.

    08:40 Uhr, 26.02. 2015
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Über den Experten

Simon Hauser
Simon Hauser
Redakteur

Simon Hauser hält für Guidants News die Stellung in North Carolina und sendet aus sicherer Entfernung zur Wall Street Echtzeitnachrichten in die Welt. Leider spielen die Kennzahlen der Wirtschaftsteilnehmer oft nur eine untergeordnete Rolle und werden dominiert von einem hysterischen Medienzirkus, punktundkommalosem Zentralbank-Blubber, und mysteriösen Algo-Kreaturen. Simon Hauser hat über die Jahre als aktiver Börsenteilnehmer ein krudes Interesse für diese Dinge, welche in einer perfekten Welt eigentlich keine Rolle spielen sollten entwickelt, und versucht (mit wechselndem Erfolg) zu ergründen was die Kurse wirklich treibt.

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