Kommentar
16:05 Uhr, 10.01.2017

Aktienquote: Die wichtigste Entscheidung im Portfolio

Ich bin der festen Überzeugung, dass das Wohl und Wehe einer Geldanlage mit der Bestimmung des eigenen Risikos zusammenhängt. Warum gibt es so viele enttäuschte Aktionäre, dagegen aber so viele zufriedene Bausparer oder Tagesgeldanleger?

Bei der Anlage in Aktien handelt es sich um Einzeltitel oder Fonds, die erheblich schwanken können. Fragen Sie mal Telekom- oder RWE-Aktionäre, was diese von Aktien halten. Vielleicht gehören Sie selbst zur gebrannten Anlegergruppe.

Der Schlüssel zum Erfolg bei der Geldanlage liegt nicht darin, die Anlagen mit dem größten Renditepotenzial zu finden, sondern die mit dem größten Risiko zu vermeiden.

Wer seine Geldanlage von der Risikoseite her angeht, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit eher zum Erfolg gelangen, als diejenigen, die sich von Renditen und Performancezahlen locken lassen. In der Praxis muss das keine Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen sein. Im Gegenteil. Wer mit Indexfonds (ETFs) investiert, der kann sein Risiko meist mit Hilfe der Grundrechenarten (Risikoquote = Portfolio - Liquiditätsteil) bestimmen.

Wie viel seines Gesamtportfolios möchte man in Aktien- und Rohstoffefonds investieren? Wie viel Geld lässt man auf der Bank oder im Liquiditätsteil des Depots? Hier werden bereits vor Beginn der Geldanlage die meisten Fehler gemacht. Denn viele Anleger stecken ihr gesamtes, zur Verfügung stehendes Geld in den Risikotopf.

Der Denkfehler ist logisch. Warum sollte ein Anleger sein zur Verfügung stehendes Kapital aufteilen und einen Teil auf der Bank lassen, wo es keine Zinsen gibt?

Diese Vorgehensweise hat zwei wesentliche Vorteile. Zum einen spürt das Portfolio die starken Schwankungen der Finanzmärkte nur zu dem Teil, der auch im Risikotopf investiert ist. Der Preis, den ein Anleger dafür zahlen muss, ist die möglicherweise entgangene Rendite, die er hätte erzielen können, wenn er sein gesamtes Vermögen investiert hätte.

Die meisten Menschen finden es aber weniger schlimm, nur 10 % statt 15 % zu gewinnen, als 50 % statt 25 % zu verlieren. Wir nehmen Verluste stärker wahr, als Gewinne. Geld zu verlieren fügt dem Gehirn mehr Schmerzen zu, als ihm Gewinne Freude bereiten.

Der zweite Grund, warum es wesentlich vorteilhafter ist, sein Depot in einen Risiko- und einen Sicherheitstopf aufzuteilen, ist die Möglichkeit, auf Kursschwankungen an der Börse zu reagieren. In der Fachsprache nennt man das „Rebalancing“ eines Portfolios.

Damit haben Sie die Möglichkeit, Ihren Risikotopf (z.B. bestehend aus Aktien- und Rohstoffefonds) aufzustocken, wenn dieser über einen längeren Zeitraum stark gefallen ist. Das funktioniert übrigens auch andersherum. Ist Ihr Risikotopf aufgrund stark gestiegener Kurse deutlich über den Anfangswert (z.B. von 70 % Ihres Depots auf 85 % Ihres Depots) angestiegen, können Sie die Kursgewinne verkaufen und dem Sicherheitstopf zuführen (Verkauf von 15 % und Rückführung der Risikoquote auf Ausgangswert von 70 %).

Das nennt man auch antizyklisches Investieren und das führt langfristig zu einer höheren Rendite.

Sie sehen, dass ETF-Investieren oder „Kaufen-und-Halten“ weit weniger langweilig ist, als es Ihnen ein Teil der Fonds- und Bankenindustrie weismachen möchte.

Doch aus wie viel Prozent des Portfolios besteht nun die eigene Risikoquote?

Bei der Beantwortung dieser Frage hilft uns die Vergangenheit. Wir können uns anschauen, wie sich verschiedene Portfolioaufteilungen in den letzten Jahrzehnten entwickelt haben und bekommen ein Gefühl dafür, wie sich das eigene Portfolio verhalten wird.

Ganz wichtig dabei ist, dass Sie nicht den typischen Fehler von Finanzplanern und „Robo-Advisors“/Fintechs machen, die auf Basis von historischen Kursen Renditeziele oder -Berechnungen vornehmen. Die Vergangenheit ist ein schlechter Ratgeber für die Zukunft. Sie dient maximal der Orientierung. Anleger, die glauben, dass man die Vergangenheit einfach fortschreiben kann, begegnen über kurz oder lang einem „schwarzen Schwan“.

Anbei beispielhaft die Renditeentwicklungen und in Kauf zu nehmenden Kursschwankungen von drei verschiedenen Portfolios der letzten 20 Jahre. (Guidants-Leser öffnen bitte die Tabelle im Anhang).

Schauen Sie bei der Tabelle nicht auf die Renditen, die sind zufällig und nicht relevant für die Zukunft (das sieht man z.B. an dem 10-Jahresergebnis der Strategie mit 80 % Aktien, da dieser Zeitraum zufällig deutlich schlechter ist als der 5-Jahreszeitraum). Relevant für die Auswahl Ihres Portfolios sind nur die unteren zwei Zeilen.

Wie viel Risiko sind Sie bereit in Kauf zu nehmen, um die darüber liegenden Renditen (die wir nicht mit Sicherheit kennen) zu erwirtschaften. Rechnen Sie dabei die Prozentzahlen auch immer auf die realen Eurobeträge Ihres Depots um. Bei 100.000 EUR sind 14 % Verlust ganze vierzehntausend Euro. Das fühlt sich mehr an als 14 Prozentpunkte.

Meiner Erfahrung nach kommen Einsteiger am besten mit einer 50 % Risiko und 50 % Sicherheit-Aufteilung zurecht.

Das liegt daran, weil die Auswirkungen des Aktienmarktes erstmal nur halb so stark im eigenen Portfolio zu spüren sind. Wenn in den Abendnachrichten zu hören ist, dass der Dow Jones Index um 2 % gefallen ist, dann ist das eine Zahl, die wir nur schwer zuordnen können. Was sind schon 2 %, sagen sich Anleger. Spannender wird es da schon bei 5 % oder 10 %. Auf den ersten Blick sind das immer noch kleine Zahlen.
„Das halte ich locker aus“ hab ich viele ehemalige Kunden bei Vertragsabschluss sagen hören.

Als es dann aber zur Feuerprobe kam und aus den Prozentpunkten dann plötzlich 25.000 EUR oder gar 250.000 EUR zwischenzeitlicher Wertverlust des eigenen Vermögens wurden, hielten mir die Mandanten oft lange Vorträge, wie leichtsinnig ich ihr schwer verdientes Geld „verzocken“ würde.

Ein erfahrener Berater und geschätzter Kollege nahm mich dann zur Seite und gab mir den unglaublich wertvollen Tipp, dass ich die vom Kunden selbst eingeschätzte Risikoquote im Kopf immer durch den Faktor 2, besser durch den Faktor 3 teilen sollte. Damit konnten die Kunden besser schlafen und ich hatte weniger anstrengende Besprechungen, wenn die Märkte fielen.

Bei der Festlegung der eigenen Risikoquote ist es wie mit dem Autofahren. Wir halten uns alle zum großen Teil für außergewöhnlich gute Autofahrer. Bis es dann plötzlich knallt. Wer jedoch vorausschauend fährt, immer genügend Sicherheitsabstand lässt, der kommt mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich an sein Ziel.

Viele Grüße
Jakob Penndorf

Folgen Sie mir auf Guidants! Ich veröffentliche dort regelmäßig Beiträge zu allgemeinen Finanzthemen

2 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • Garten
    Garten

    No risk no fun,

    ich finde es besser den vollen Einsatz zu gehen aber nach Möglichkeit auf zig unabhängige Anlageideen zu setzen.

    Weltweit antimodern, antizyklisch und auf das was die beste Perspektive bringt vor allem gegen den verblödenden Mainstream.

    17:31 Uhr, 10.01.2017
  • AUMNGH
    AUMNGH

    Ich find den V-Daxnew ganz nützlich zur Bestimmung der Aktienquote. Kurz nach einer 50%Volaspitze wird das Risikokapital hochgefahren. Je länger eine solche her ist, desto näher kommt die nächste und die Liquidität muß hochgefahren werden. Zumindest aber SL nachgezogen um im gegebenen Fall Liquide zu sein. Vllt kommt ja auch wieder mal die Zeit zurück, als man Umschichtungen in Anleihen mit einer inversen Zinsstruktur timen konnte. Das war früher mal recht angenehm. Leider bezweifle ich, daß die Zyklen auch in Zukunft so ablaufen werden wie das mal war...

    16:47 Uhr, 10.01.2017