Kommentar
07:25 Uhr, 12.09.2014

Achtung: Einkommensungleichheit erreicht kritische Masse!

Wenn Vermögen in einer Gesellschaft zu ungleich verteilt ist, dann kommt es zu einem Systemwechsel. Wenn eine Gesellschaft so weit ist, dass nur noch eine kleine Elite Vermögen hat und der Großteil der Gesellschaft in Armut lebt, dann wird es kritisch.

Erwähnte Instrumente

Vielleicht stehen wir nicht kurz vor einer Revolution, aber der aktuelle Trend führt uns dorthin.

Einkommen so ungleich verteilt wie 1929

Kurz bevor es zum großen Crash an der Wall Street kam und die Wirtschaft in eine tiefe Depression rutschte, waren die Einkommen in den USA so ungleich verteilt wie noch nie. Die Top 0,1% der Gesellschaft hatten 8,2% der Einkünfte. Einige Jahre zuvor war dieser Wert noch etwas höher. 1918 stand der Wert schon einmal bei 9,87%. In den Jahren danach verteilten sich die Einkünfte etwas, aber nicht zum Wohle der Mittelschicht oder der Armen, sondern zugunsten der Top 5 und Top 1% der Gesellschaft. Die Top 1% hatten knapp 20% der Einkünfte und die Top 5% in etwa 35% der Einkünfte (Grafik 1). Die Top 10% sind nicht mehr in der Grafik abgebildet. Sie hatten insgesamt knapp 50% des Einkommens im jeweiligen Jahr.

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Nach 1929 ging es mit der Einkommenskonzentration steil bergab. Dafür gab es zwei Gründe. Der erste ist ziemlich einfach. Wer nichts hat, kann nichts verlieren. Wer etwas hatte, verlor einen Großteil davon während der Großen Depression. Ein Großteil des Einkommens kam damals und kommt auch heute nicht unbedingt aus Arbeit, sondern aus Kapitaleinkünften. Wer Aktien besaß, hatte viel zu verlieren. Viele Unternehmen überlebten die Wirtschaftskrise nicht. Die, die die Depression überlebten, warfen lange Jahre keine Kapitalerträge ab.

Ein ganz anderer Grund lag in der Regulierung von Unternehmen. Bis 1930 waren Unternehmen sehr frei in der Entscheidung, was sie mit Gewinnen machen wollten. Was sie taten, war fast immer das gleiche. Sie kauften Aktien zurück oder schütteten einen Großteil des Gewinns an die Aktionäre aus. Das war nach 1930 nicht mehr so einfach möglich. Unternehmen waren gezwungen, mehr zu investieren. Gleichzeitig beteiligten sie Mitarbeiter mehr am Erfolg des Unternehmens durch Gehaltssteigerungen. Bis in die 70er Jahre wuchs das durchschnittliche Einkommen im gleichen Ausmaß wie die Produktivität. Seit Anfang der 80er Jahre geht die Schere zwischen Produktivitäts- und Einkommenswachstum stark auseinander. Daher steigen auch seit vielen Jahren die Reallöhne nicht mehr. Bis in die 70er Jahre konnten sich Beschäftigte über steigende Reallöhne freuen, seitdem sinken sie tendenziell.





Unternehmen und ihre Gewinne

Anfang der 80er Jahre wurde die Regulierung gelockert. Seitdem können Unternehmen Gewinne wieder verwenden wie sie wollen und von Gewinnen haben sie eigentlich genug. Grafik 2 zeigt den S&P 500 Verlauf und die Höhe der Unternehmensgewinne. Aktien und Gewinne gehen Hand in Hand. Lediglich in der New Economy Blase Ende der 90er Jahre stiegen Aktien während die Gewinne bereits zurückgingen. 2007/08 konnten wie etwas ähnliches beobachten. Momentan wachsen die Gewinne noch, steigen aber langsamer an als Aktien. Geht das so weiter, dann ist es nur eine Frage von ein oder zwei Jahren, bis das Ungleichgewicht zu groß wird und korrigiert werden muss.

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Unternehmen mangelt es nicht an Geld. Die S&P 500 Unternehmen haben bereits 2013 die Marke von 1 Billion USD an Gewinn deutlich hinter sich gelassen. Was aber wird mit dem Geld gemacht?

Bis in die 70er Jahre investierten Unternehmen einen Großteil der Gewinne und schütteten sie nicht an die Aktionäre aus. Das Motto war „retain and reinvest“ , was so viel heißt wie „Gewinne einbehalten und reinvestieren.“ Heute handeln Unternehmen nach anderen Maßstäben. Das Mantra heißt: downsize and distribute (sparen und verteilen). Dahinter steckt ein einfacher Mechanismus. Unternehmen versuchen zu sparen, wo es geht. Alles wird effizienter. Wenn es zu Hause nicht mehr effizienter geht, dann wird verlagert – nach China oder sonst wohin, Hauptsache billiger. Das, was dadurch gespart wird, wird an die Aktionäre verteilt. Unternehmen tun dies, indem sie Dividenden erhöhen. Noch lieber aber kaufen sie eigene Aktien zurück. Das hat einen ganz bestimmten Grund.

In den 80er Jahren wurde dereguliert. In den 70er Jahren gab es bereits einen kleinen Aufstand der Aktionäre. Sie hatten nicht das Gefühl ausreichend für ihre Investments entschädigt zu werden. Wer die Börsenhistorie kennt, weiß, dass Aktien in den 70er Jahren seitwärts liefen. Kein Wunder, dass Aktionäre wenig erfreut waren. Um Manager mehr am Aktienkurs zu interessieren wurde immer mehr der Gehälter an die Performance des Aktienkurses gekoppelt bzw. hohe Anteile des Gehalts in Aktien ausbezahlt. Manager hatten also einen sehr großen Anreiz, Aktienkurse in die Höhe zu treiben. Die beste Art, das zu tun, geht über Aktienrückkäufe.

Aktienrückkäufe auf Rekordständen

Manager finden immer Argumente, weshalb Aktien zurückgekauft werden müssen. Eines der geläufigen Argumente klingt gut, ist aber Unsinn. Oft wird angeführt, dass Aktien zurückgekauft werden, weil man an das Unternehmen glaube und am eigenen Erfolg teilhaben wolle. Grundsätzlich ist das ein schönes Argument. Praktisch werden Aktien aber immer dann gekauft, wenn sie besonders teuer sind. Kurs von dem Crash 2008 erreichten die Rückkäufe ihre Höchststände. Einige Unternehmen mussten, nachdem sie Milliarden in Rückkaufprogramme gesteckt hatten und zu hohen Kursen kauften, mitten in der Krise bei niedrigen Kursen eine Kapitalerhöhung durchführen. GE Capital hatte 2008 noch Milliarden zum Durchschnittskurs von über 30 USD pro Aktie investiert, um später zum Preis von 20 USD neue Aktien zu begeben. Die Summe war dabei noch höher als die zuvorigen Rückkäufe. Es kam zu einer starken Verwässerung.

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Ein anderes Argument für Rückkäufe ist fast schon beängstigend: „Unser Unternehmen ist zu groß und zu lange am Markt, um den Großteil der Gewinne wieder profitabel zu investieren.“ Wenn ich so etwas höre, würde ich als Aktionär die Füße in die Hand nehmen. Wenn mir ein Manager erzählt, dass er nicht weiter investieren kann, dann muss man am Geschäftsmodell zweifeln.

Ein Unternehmen, welches glaubt, nicht die Investitionsmöglichkeiten zu haben, ist Exxon. Zugegeben, es ist nicht einfach, von einem Jahresgewinn in Höhe von 30 Mrd. alles wieder zu investieren. Man stelle sich aber nur vor, sie würden es versuchen. Exxon würde nicht nur das größte Ölunternehmen der Welt bleiben, sondern hätte zum großen Energieversorger werden können. Man stelle sich vor, Exxon hätte jährlich 20 Mrd. in erneuerbare Energien investiert. Sie würden den Markt in den USA beherrschen wie sonst keiner.

Andere Unternehmen betteln die Regierung an, sie solle mehr Fördergelder für Forschung zur Verfügung stellen. Das bedeutet schon einmal, dass sie Ideen für Investitionen haben. Sie wollen nur nicht selbst investieren, sondern das Geld, welches sie haben, lieber in Aktienrückkäufe stecken und die Regierung für Forschung zahlen lassen. Da möchte man nur noch den Kopf schütteln.

Ewig wird es so nicht weitergehen können. Irgendwann sind die Unternehmen ausgepresst, verlieren an Wettbewerbsfähigkeit und Produktnachschub. Wer zu wenig investiert, stirbt irgendwann. Ganz nebenbei hat der Wahn der Rückkäufe und Ausschüttungen dazu geführt, dass Mitarbeiter immer weiter ausgepresst werden und Geld immer mehr zu Vermögenden fließt. Es geht hier nicht mehr um Value Creation, sondern nur mehr um Value Extraction. Das hat ein Ablaufdatum. Wann das ist, kann keiner sagen. Eines ist aber gewiss: so große Ungleichheit führt zum Aufstand oder einer schweren Wirtschaftskrise. Die Ungleichheit von 1929 hätten wir bereits wieder erreicht...

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20 Kommentare

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  • Kaputtnick
    Kaputtnick

    "Spiegel": Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erwägt Steuervergünstigung für Patente. Die Steuern auf Einnahmen aus Patenten sollen von rund 30% auf 10-15% sinken.

    12:53 - Echtzeitnachricht

    Abschaffung der kalten Progression kein Geld vorhanden .....

    Zwangssoli Umwandlung in andere Steuer............................

    Die Umverteilung geht munter weiter ...............

    15:39 Uhr, 14.09.2014
  • shark
    shark

    ​Hervorragender Beitrag.Diese Vermögensdisparitäten führen nach meiner Meinung zu einer deflationären Depression.

    15:28 Uhr, 14.09.2014
  • marwing
    marwing

    ​da haben wir es stehen: "... Die beste Art, Aktienkurse in die Höhe zu treiben, geht über Aktienrückkäufe."

    Wenn weiter zurückgekauft wird, dürfte das also die Kurse weiter befeuern. Und die Schwemme an billigem Geld tut das übrige ...

    12:43 Uhr, 14.09.2014
  • marwing
    marwing

    ​Zustimmung, Löwe30.

    Wenn es heute so ist wie 1929, dann haben wir ja die stärkste Rallye am Aktienmarkt erst noch vor uns :)

    16:53 Uhr, 13.09.2014
  • Löwe30
    Löwe30

    Bis 1929 hatte ebenfalls die FED auch viel Fiat-Geld unter die Leute gebracht, das führte damals wie heute zum Steigen der Aktienkurse. Das hat die Ungleichheit in der Gesellschaft auf neue Höhen getrieben, weil dadurch gerade die Wohlhabenden, die dort entsprechend viel Monopoly-Geld eingesetzt hatten, schneller reich wurden als die große Mehrheit der Bevölkerung. Das ist heute nicht anders. Der entscheidende Grund für ungleiche Vermögen und Einkommen liegt in der unmoralischen Ausweitung der Geldmenge, die durch Notenbanken betrieben wird.

    18:48 Uhr, 12.09.2014
  • Humpty
    Humpty

    ​Starker Artikel, vor allem der 2. Teil zur Gewinnverwendung von Unternehmen. Das Schlimme dabei ist aber nicht nur die Gewinnverwendung, sondern auch die Tatsache, dass die Höhe der Gewinne teilweise nur dank kreativer Buchführung und lascher Bilanzierungsregeln (Stichwort Goodwill, Pensionsrückstellungen, …) erzielt werden. Die Scheingewinne werden dann aus der Substanz des Unternehmens gezahlt.

    Am 1. Teil mit der These „Ungleichheit => Systemwechsel“ habe ich 3 kleine Kritikpunkte.

    1) In den USA gab es zwar einen Börsencrash und eine Depression, aber Systemwechsel?

    2) Die Korrelation zwischen Ungleichverteilung in den 20ern und Börsencrash/Depression mag zwar vorhanden sein, aber die Schlussfolgerung „wenn Ungleichverteilung x%, dann …“ lässt sich m.E. aus einem Einzelfall nicht ziehen.

    3) Außerdem werden „Einkommen“ (Gehalt, Dividenden, Mieterträge, …) und „Vermögen“ gleichgesetzt. Mein Vermögen kann durch Buchgewinne (Aktienkursgewinne, Wertsteigerung von Immobilien oder Gold) steigen, ohne dass ich irgendein Einkommen erziele. Ungleichverteilung gibt es zwar bei Vermögen und Einkommen, allerdings ist die Unterscheidung aus meiner Sicht entscheidend bei der Frage, welche Maßnahmen zur Reduzierung der Ungleichheit am zielführendsten sind. Und da gibt es für mich bei der Vermögensbesteuerung Nachholbedarf.

    11:25 Uhr, 12.09.2014
  • Manfred Riedl
    Manfred Riedl

    ​Grautuliere zu dem Artikel,

    Bin froh das es Menschen gibt die gegen den Strom schwimmen und auch solche Sachen zeigen.

    08:52 Uhr, 12.09.2014
  • 280a
    280a

    ​Endlich macht mal einer auf DAS GRÖSSTE PROBLEM der ganzen Menschheit aufmerksam. Kommt leider viel zu selten vor. Danke für den Superartikel!

    23:33 Uhr, 11.09.2014
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    ​Chapeau!!! Ganz herausragender Beitrag, einer der besten Artikel auf GT in letzter Zeit.

    22:54 Uhr, 11.09.2014

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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