Science Corner: So tradest Du Earnings richtig
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Der Post-Earnings-Announcement Drift (PEAD) beschreibt die Tendenz von Aktien, sich nach einer Gewinnüberraschung allmählich in die Richtung der Ankündigung zu bewegen, auch nachdem diese bereits öffentlich gemacht wurde.
Das bedeutet: Wenn ein Unternehmen Ergebnisse präsentiert, die über den Erwartungen liegen, kann der Aktienkurs über einen längeren Zeitraum hinweg weiter steigen, selbst nachdem die positiven Nachrichten veröffentlicht wurden. Umgekehrt könnte eine negative Gewinnüberraschung dazu führen, dass der Kurs der Aktie über einen längeren Zeitraum hinweg fällt.
Woran liegt das? Es gibt verschiedene Erklärungsansätze. Eine besagt, dass Investoren Zeit benötigen, um die neuen Informationen vollständig zu verarbeiten und ihre Handelsentscheidungen zu treffen. Eine Studie im European Journal of Finance mit dem Titel "Seasonal patterns of earnings releases and post-earnings announcement drift" hat dieses Phänomen genauer untersucht. Im Folgenden präsentiere ich Euch eine Zusammenfassung der Studie und eine dazu passende Handelsidee.
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Die zentralen Ergebnisse der Studie
- Einfluss von institutionellen Anlegern und Finanzanalysten: Die Studie zeigt, dass Unternehmen mit geringerem Engagement von institutionellen Anlegern oder weniger Aufmerksamkeit durch Finanzanalysten, insbesondere in Wochen mit vielen Quartalsberichten, einen ausgeprägteren PEAD aufweisen. Wenn weniger große Akteure oder Experten ein Unternehmen im Blick haben, dauert es oft länger, bis der Aktienkurs nach einer Gewinnankündigung ein angemessenes Niveau erreicht. Dies weist auf eine geringere Effizienz des Marktes hin.
- Gewinnankündigungen in den Höhepunkten der Quartalsberichtssaison: Interessanterweise zeigen Unternehmen, die ihre Ergebnisse in Wochen mit vielen anderen Gewinnankündigungen veröffentlichen, einen stärkeren PEAD im Vergleich zu jenen, die in ruhigeren Zeiten berichten. Je mehr Gewinnberichte zeitgleich veröffentlicht werden, desto abgelenkter sind die Investoren. Frühere Studien legen nahe, dass eine stärkere Ablenkung durch irrelevante Ereignisse zu einer stärkeren Unterreaktion auf Gewinnnachrichten führt, was wiederum einen ausgeprägteren PEAD zur Folge hat. Die Hauptgründe für diese Unterreaktionen liegen nicht nur in der Ablenkung oder mangelnden Aufmerksamkeit der Investoren, sondern auch in deren begrenzten Kapazitäten, sofort zu reagieren.
Wie lassen sich diese Erkenntnisse im Trading nutzen?
Wer den PEAD und die ihn beeinflussenden Faktoren versteht, kann dieses Wissen in seine Handelsstrategie einfließen lassen. Selbst wenn die Richtung der Kursbewegung nach einer Gewinnankündigung schwer vorherzusagen ist, kann man vom anhaltenden "Post Earnings Drift" profitieren.
Da Unternehmen mit weniger Coverage stärker vom PEAD betroffen sind, eignet sich diese Anlagestrategie besonders für Small- und Mid-Cap-Aktien. Um Unternehmen zu identifizieren, die die Erwartungen übertroffen haben, kann ein Tool wie der Pattern-Screener-Desktop hilfreich sein, den ich hier bereits vorgestellt habe. Besonders profitabel ist es, in Unternehmen zu investieren, die in der „Earnings-Peak-Week“ berichten, also in der Woche der Quartalsberichtssaison mit den meisten Veröffentlichungen. Idealerweise sollte dies in der gleichen Woche geschehen, in der die großen Tech-Unternehmen ihre Ergebnisse präsentieren, da dann die Aufmerksamkeit hauptsächlich auf diesen Large-Caps liegt.
Wichtiger Zusatzhinweis: Der PEAD-Effekt kann durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden, darunter Analystenratings und die Berichterstattung von Unternehmen aus derselben Branche (Peer Group).
Analystenratings:
Nach der Bekanntgabe von Gewinnen, die über oder unter den Erwartungen liegen, passen Finanzanalysten oft ihre Einschätzungen und Empfehlungen für die betroffene Aktie an. Diese neuen Ratings können zusätzliche Aufmerksamkeit auf die Aktie lenken und den PEAD-Effekt verstärken. Beispielsweise könnte ein Upgrade von Analysten nach einer positiven Gewinnüberraschung den Kurs weiter steigen lassen, während ein Downgrade nach enttäuschenden Ergebnissen den Verkaufsdruck erhöhen und den Kurs weiter sinken lassen könnte. Aus diesem Grund ist es oft nicht ratsam, nach schlechten Quartalszahlen sofort auf den fallenden Kurs zu setzen (buy the dip).
Quartalszahlen der Peer Group:
Unternehmen derselben Branche oder desselben Sektors werden häufig gemeinsam bewertet. Wenn ein Unternehmen in einer Branche unerwartet gute oder schlechte Ergebnisse meldet, kann dies die Erwartungen für andere Unternehmen der Branche beeinflussen. Solche Beziehungen nutze ich persönlich besonders gerne, mehr dazu hier. Ein Beispiel: Der Cybersecurity-Konzern Crowdstrike legte zuletzt schwache Zahlen vor und belastete damit den gesamten Sektor. Wer jedoch weiß, welche Unternehmen in diesem Sektor besonders robust sind, kann den Dip sogar als Kaufgelegenheit nutzen.
Wo findet ihr Informationen zur Peer Group?
Beispiel Monday.com Quartalszahlen 12.08.2024 nachbörslich
- Monday.com legte zuletzt starke Quartalszahlen vor, was durch viele Kurszielerhöhungen und positiven Analystenkommentare bestätigt wurde. Darauf gilt es auf jeden Fall zu achten. Außerdem solltest Du auch auf die Analystenrevisionen hinsichtlich EPS und Umsatzschätzungen blicken. Steigen diese sogar stärker als der eigentliche Kurssprung, wird die Aktien fundamental sogar günstiger. Das beste Beispiel dafür ist Nvidia.
- Unabhängig von dem Beispiel sind auch angekündigte Aktiensplits ein weiterer Treiber für PEADs: Im Jahr nach der Ankündigung eines Aktiensplits legen Aktien laut Studie um durchschnittlich 25 % zu, während es der breite Aktienmarkt nur auf 12 % bringt. Aktien, bei denen ein Split angekündigt wurde, performen splitbereinigt also ungefähr doppelt so gut wie der Gesamtmarkt auf Sicht von zwölf Monaten.
Chart-Verlauf
- Der Monday.com Kurs endete vor den Quartalszahlen am 09.08.2024 mit einer sehr starken Tageskerze auf Tageshoch bei 225,69 USD.
- Der Kurs startete nach den vorbörslichen Zahlen am 12.08.24 mit einer Kurslücke zur Oberseite bei 248,3 USD in den US-Handel.
- Gemäß der Post-Earnings-Announcement Drift (PEAD) - Logik sollte der Trader zum Handelsstart kaufen, in die Stärke hinein. Parallel dazu erfolgt der Schritt der Stop-Loss-Bestimmung. Im hier gezeigten Fall bietet sich alte Verlaufshochs bei 238 USD an.
- Im letzten Schritt legen wir dann noch ein Kursziel fest, an dem der Trade beendet wird oder die gehaltenen Anteile reduziert werden. Dies sollte immer dann geschehen, wenn das Doppelte des eingegangenen Risikos verdient wurde. Da das Risiko - 3,3 % beträgt, wären das im hier gezeigten Fallbeispiel + 6,6 % bzw. ein Aktienkurs von 264,8 USD. Auf diese Weise kann der Trader nämlich den Faktor Glück an der Börse eliminieren, da nur eine Trefferquote von 33,3 % nötig ist, um “break even” zu sein. Es müssen also nur 34 Trades von 100 Trades auf diese Art gewonnen werden, das ist machbar (Erwartungswert im Schnitt ca. 55 von 100 Trades die gewonnen werden können).
- Tatsächlich steigt der Kurs am 1. Tag gemäß der PEAD-These trotz der Kurslücke direkt weiter an und erreicht innerhalb von 2 Handelstagen das ermittelte Mindestkursziel bei 264,8 USD. Treffer!
Und wie sieht die Performance aus, wenn man genau diese Strategie die letzten 12 Monate gefahren hätte?