Analyse
14:03 Uhr, 05.08.2015

Zinsstrukturkurve: Sargnagel für die Börsenhausse?

Die interessantesten Entwicklungen sind immer dort zu finden, wo kaum jemand hinsieht. Auch derzeit ist das wieder so, wie ein Blick auf die Renditen an den Anleihemärkte zeigt...

Erwähnte Instrumente

  • DAX
    ISIN: DE0008469008Kopiert
    Kursstand: 11.606,17 Punkte (XETRA) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • Dow Jones
    ISIN: US2605661048Kopiert
    Kursstand: 17.550,69 Punkte (NYSE) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

Wer derzeit etwa nach Begriffen wie "Flüchtlingwelle" sucht, der wird mit Informationen geradezu überflutet. Von anderen Phänomenen, die in diesen turbulenten Zeiten eine mindestens ebenso große Durchschlagskraft entwickeln könnten, wenn auch in einem völlig anderen Zusammenhang, spricht dagegen kein Mensch.

Im folgenden Artikel hat mein Kollege Jochen Stanzl auf ein Phänomen aufmerksam gemacht, das derzeit kaum gesehen wird: In den USA beginnen die kurzfristigen Zinsen rasant zu steigen, während die Renditen der „Langläufer“ weitgehend unverändert bleiben.

Was wir hier gerade sehen, könnte als der Beginn einer historischen Geldmarktentwicklung in die Geschichtsbücher eingehen: Der seltene Fall einer inversen Zinsstrukturkurve tritt empirisch betrachtet nämlich nur sehr selten und dann mit Vorliebe im Vorfeld von Rezessionen auf, die durch die Geldpolitik verursacht wurden.

Was hat das zu bedeuten?

In der Regel rentieren lang laufende Zinspapiere deutlich höher als Kurzläufer. Der Zinssatz steigt also mit der Bindungsdauer. Der Grund ist, dass Anleger, die ihr Kapital längerfristig binden, höhere Risiken eingehen. Und diese höheren Risiken, etwa die Erwartung steigender Inflationsraten oder auch Unsicherheiten über die Zahlungsfähigkeit eines Schuldners, werden an den Kapitalmärkten traditionell mit einer höheren Verzinsung vergütet.

Wird diese Regel jedoch auf den Kopf gestellt, rentieren Kurzläufer also höher als langlaufende Anleihen, spricht man von einer inversen Zinsstrukturkurve. Erklären lässt sich das Phänomen beispielsweise damit, dass in naher Zukunft fallende Zinsen erwartet werden und Anleger deshalb vorzugsweise in langlaufende Papiere investieren, um sich die höheren Zinsen zu sichern. Die Kurse kurzlaufender Anleihen steigen dann langsamer oder sinken sogar, wodurch deren Renditen steigen oder langsamer fallen als die der Langläufer. Und exakt dies sehen wir gerade.

Jochen Stanzl fragt:

„Die Renditen am kurzen Ende sind die einzigen, die auf wachsende Zinserwartungen reagieren. Die große Frage ist, was verpassen wir da gerade? Was sieht der Anleihenmarkt, was wir nicht sehen? Ist es China? Ist es die wirkliche Situation der Weltwirtschaft? Ist es ein Abrutschen der Inflation“?

Wahrscheinlich kommt da gerade einiges zusammen, worüber jedoch erst die kommenden Monate Aufschluss geben werden. Da die Geldmarktanleger in der Regel sehr viel besser über den Zustand der Weltwirtschaft informiert sind als die Aktienmarktakteure, ist es nur folgerichtig, dass sich die schweren Wirtschaftskrisen der Jahre 2000 und 2008 schon eine ganze Zeit zuvor an den Geldmärkten gezeigt haben, nämlich in Form einer inversen Zinsstrukturkurve. Etwas Ähnliches scheint sich gerade wieder anzubahnen.

Doch was hat die aktuelle Geldpolitik damit zu tun? Um es mit einfachen Worten zu sagen: Man muss längst kein Experte mehr sein, um zu erkennen, dass die Geldpolitik der vergangenen Jahre grandios gescheitert ist.

Die Flutung der Märkte mit immer mehr billigem Geld hat weder in den USA noch in Europa oder Japan zu nachhaltigem Wachstum und mehr Beschäftigung geführt. Doch anstatt die Programme zu überdenken und gegebenenfalls über Bord zu werfen, gehen die Zentralplaner weiterhin den Weg, eine erkennbar unwirksame Medizin in noch höherer Dosis zu verabreichen.

Die Folgen von Quantitative Easing für die Zinsstruktur wird im folgenden schon etwas älteren Hintergrundartikel beleuchtet:

http://www.oekonomenstimme.org/artikel/2013/07/quantitative-easing-und-die-zinsstrukturkurve/

Das Fazit ist ernüchternd:

„Die Fed nährt zwar die Aktienkursblase, aber sie versagt hinsichtlich der eigentlichen geldpolitischen Ziele, nämlich eine Wachstumsbeschleunigung und rasche Senkung der Arbeitslosigkeit herbeiführen zu können. Sie sitzt jetzt sogar in der geldpolitischen Falle. Sobald sie ihre hinsichtlich Wirtschaftswachstum und Beschäftigung wirkungslose Politik einstellen würde, riskiert sie einen Börsencrash“.

Genau darauf weisen nun immer mehr Indikatoren hin. Eine inverse Zinsstrukturkurve wäre ein weiterer Sargnagel, der anzeigt, dass die immer noch laufende Börsenhausse nun unweigerlich ihrem Ende entgegen geht.

Bleiben Sie wachsam!

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Zum Autor:

Andreas Hoose ist Chefredakteur des Antizyklischen Börsenbriefs, einem Service der BörseGo AG. Informationen finden Sie unter www.antizyklischer-boersenbrief.de

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35 Kommentare

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  • marwing
    marwing

    Ich vermisse die grafische Darstellung.

    Man sieht die Zinsstrukturkurve zum Beispiel hier: http://stockcharts.com/freecharts/yieldcurve.php

    Vor Crashs verlief die Kurve zuletzt immer horizontal, jetzt verläuft sie ansteigend. Von dieser Seite gibt es also schon mal kein Crashsignal.

    14:21 Uhr, 08.08.2015
    1 Antwort anzeigen
  • 2 Antworten anzeigen
  • Marco Soda
    Marco Soda

    grob 6% 10J Kurs 165 = 65-60=-5 geteilt :10 = -0,5%

    11:44 Uhr, 06.08.2015
    1 Antwort anzeigen
  • Floyd K
    Floyd K

    Oliver Baron hat vor einiger Zeit diese Problematik ebenfalls angesprochen und diskutiert.

    Wenn man nachgewiesen haben möchte, dass die Aussagen bezüglich der Zinskurve in der Vergangenheit überwiegend richtig war, der kann hier nachschauen:

    http://stockcharts.com/freecharts/yieldcurve.php

    Insbesondere in der automatisch ablaufenden Darstellung sieht man das. Die Aussage also, dass eine "flache bzw schwebende Yieldcurve" als Vorbote eines Einbruches gewertet werden kann, wird eindrücksvoll gezeigt. Spielen Sie mal damit. Mit Prophetie hat das alles wenig zu tun, es ist Kurvenauswertung und die Auswertung von Wahrscheinlichkeiten, wie immer.

    Zu sehen ist übrigens auch, dass dieser Schwebezustand, also eine horizontale Zinskurve relativ lange andauern kann, bevor sich der Kurvenverlauf im Zuge eines Chrashs wieder normalisiert.

    Dank nochmals an Herrn Baron.

    10:17 Uhr, 06.08.2015
    1 Antwort anzeigen
  • SieNanntenIhnLücke
    SieNanntenIhnLücke

    Halten Sie durch mit Ihren Armageddon Sprüchen... irgendwann wird sich der markt fallen und irgendwann wird wahrscheinlich auch das System kollabieren. Zwischendrin haben dann warscheihnlich viele aber das Leben voller Depression verpennt.

    Aber irgendwann kommt das beschworene und... DANN HATTEN SIE RECHT... und wer Recht hat zahlt ne Maß....

    Aber Kopf hoch, die Zeugen Jehova haben glaub ich auch schon 25 mal den Weltuntergang vorrausgesehen.... bisherige Trefferquote 0%... aber irgendwann klappt bestimmt..

    Kann sich nur noch um ein paar Zentauren handeln...

    09:01 Uhr, 06.08.2015
    1 Antwort anzeigen
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Es gibt aktuell mehrere Signale, die darauf hinweisen, das die relative Eintönigkeit der vergangenen Monate an den Finanzmärkten in Bälde durch massive Bewegungen abgelöst wird. Eines dieser Signale ist die inverse Zinsstruktur in den USA. Desweiteren deutet eine viel zu geringe Geldumlaufgeschwindigkeit in den USA auf massive Probleme hin. Trotz Jubelmeldungen der FED zum Arbeitsmarkt, ist die Partizipationsrate der arbeitsfähigen Amerikaner auf dem tiefsten Niveau seit den Siebziger Jahren. China stottert deutlich und die Staatsführung hat alle Hände voll zu tun, das aus dem Schnupfen keine Grippe wird. Die Welt scheint in ein deflationäres Szenario zu schlittern. Die seit über einem halben Jahr andauernde Seitwärtsbewegung an den Aktien und Anleihemärkten könnte ein Hinweis darauf sein, das die großen Akteure langsam kalte Füße bekommen, sich aber noch nicht sicher sind, wo und wie sie ihre Multimilliardenvermögen in Sicherheit bringen. Die Zentralbank der Zentralbanken mit Sitz in Basel schlägt wieder einmal Alarm und sieht die Weltwirtschaft in Schwierigkeiten. Weltweit sehr niedrige Zinsen seien das offensichtlichste Symptom einer größeren Problematik. Originalton BIZ: Die negativen Renditen an einigen Märkten für Staatsanleihen sind schlicht beispiellos und dehnen die Grenzen des Undenkbaren. Diese Aussagen dürften bei den Zentralplanern in der Politik und bei den Notenbanken für erhöhten Blutdruck sorgen. So wie es ausschaut, sind wir jedenfalls nicht mehr allzu weit von einem wichtigen Entscheidungspunkt entfernt.

    22:48 Uhr, 05.08.2015
  • S_o_r_o_s
    S_o_r_o_s

    Aber erstmal wird auf dem Gipfel noch Polka getanzt

    20:14 Uhr, 05.08.2015
  • S_o_r_o_s
    S_o_r_o_s

    Hallo Herr Hoose,

    der Dow - Chart spricht auch Bände.

    Verbinden Sie doch mal das Tief aus dem Jahre 2002 mit dem Tief aus 2009.

    Da sehen sie die Richtung des Dow für die kommenden Jahre ;)

    Es geht auf knapp 5000-5500 Punkte....

    Man kann auch noch im Langfristchart auf Quartalskerzen (1 Kerze = 4 Monate) umstellen.

    Diese sind ultra-bärisch.

    Vermutlich sehen wir nach Jahrzehnten wieder mal eine richtige Baisse. Keinen Crash, der nach nen halben Jahr wieder erledigt ist, sondern einen über Jahre laufenden Bärenmarkt.

    20:13 Uhr, 05.08.2015
    2 Antworten anzeigen
  • Bigdogg
    Bigdogg

    Invers?? Mag ja alles stimmen was Sie und Ihre Kollege Stanzl sehen, aber von einer Inversen Zinsstrukturkurve sind wir noch meilenweit entfernt!

    15:38 Uhr, 05.08.2015
    2 Antworten anzeigen