Kommentar
08:31 Uhr, 01.09.2014

Zentralbanken nutzen neue Superindikatoren

In Jackson Hole haben die Notenbankchefs der Fed und EZB mehr oder weniger neue Indikatoren ins Feld geführt, um ihre Politik zu rechtfertigen.Was steckt dahinter?

Mario Draghi hat der „5 Year 5 Year Swap Rate“ zu relativem Ruhm verholfen, während Yellen auf den geheimnisumwitterten LMCI baut.

Neue Pragmatik

LMCI steht für „Labor Market Condition Index“ und soll helfen, die Qualität des Aufschwungs am Arbeitsmarkt besser einschätzbar zu machen, als es durch die reine Betrachtung der Arbeitslosenrate möglich wäre, denn deren Signale sind für die Standortbestimmung der Fed zunehmend irrelevant geworden.

Die Einführung des LMCI ist ein durchaus geschickten Schachzug, denn dadurch wendet sich die Fed einem neuen und mandataufweichenden „Pragmatismus“ zu:

„..monetary policy ultimately must be conducted in a pragmatic manner that relies not on any particular indicator or model..“ (Yellen, Jackson Hole 2014)

Der LMCI im Detail

Der LMCI setzt sich aus 19 Sub-Indikatoren zusammen, die dynamisch nach ihrer Korrelation untereinander gewichtet werden.

Sinkt also die Korrelation einer Teilkomponente relativ zum Gesamtindex Richtung Null, findet sie damit automatisch weniger Berücksichtigung.

Grafik 1 stellt alle Komponenten und ihre jeweilige Korrelation zum LMCI dar. Auf den ersten Blick fällt auf, dass die Erwerbsquote (Labor Force Participation Rate) und die Lohnentwicklung (Wages) eine nur wenig ausgeprägte Wechselbeziehung zu den restlichen Faktoren aufweisen und daher wenig Eingang in den Index finden.

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Es ist eine berechtigte Frage, ob die statistische Abwertung dieser beiden Schlüsselwerte hilfreich ist, oder ob vor allem die geringe Berücksichtigung der Lohnentwicklung die Gefahr birgt, dass der Exit aus der lockeren Geldpolitik unter Umständen nicht korrekt terminiert wird.

Die Datenlage

Werfen wir einen Blick auf den Index. Grafik 2, zeigt die über ein halbes Jahr geglättete, monatliche Veränderung des LMCI seit 1976 an, Grafik 3 bildet den vergrößerten Ausschnitt seit 2007 ab. Instinktiv drängt sich der Eindruck auf, dass die gegenwärtige Situation doch so schlecht gar nicht ist.

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Grafik 4 bestätigt diesen Eindruck. Seit 1976 gab es keine länger andauernde Periode mit so soliden Zuwächsen im LMCI wie ab dem Jahr 2009, und selbst die letzte und bisher dynamischste Expansionsphase ab 2003 war mit „nur“ 43 Monaten rund ein Jahr kürzer als die Derzeitige (und weiterhin) anhaltende.

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Um den gegenwärtigen Aufschwung noch ein besser einordnen zu können, habe ich mir erlaubt alle Kontraktionsmonate auszublenden, um die durchschnittliche Zuwachsrate des LMCI während positiven Zeiträumen zu berechnen.

Wie aus Grafik 5 ersichtlich ist, konnte der LMCI im April (dies ist der letzte zur Verfügung stehende Wert - der letzte „Monetary Policy Report“ vom Juli zeigt seitdem jedoch eine deutliche Verbesserung an) um 6% zulegen, und liegt damit über dem durchschnittlichen Punktestand ab 1976 von 5,97.

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Die Raten im gegenwärtigen Boom hinken mit durchschnittlich 5,27 Zählern im Vergleich dazu zwar etwas zurück, aber dafür ist der Aufschwung wie schon angesprochen unvergleichlich konstanter.

Grafik 6 stellt der Vollständigkeit halber dar, wie sich die Zuwächse zusammensetzen. „Private Payroll Employment“ und die „Unemployment Rate“ machen generell die dicksten Brocken aus.

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Fazit

Was ist in Anbetracht der besprochenen Details vom sogenannten „Labor Market Condition Index“ (LMIC) zu halten? Meiner Meinung nach sehr wenig.

Einerseits redet Yellen von einem „pragmatischen“ Ansatz, andererseits scheut sie sich anscheinend vor zu viel „Hemdsärmeligkeit“ und führt einen umständlichen Indikator ein, der viele Fragen offenlässt:

1) Warum werden die Daten zum LMCI nicht in Echtzeit (der Begriff Echtzeit sollte in Anbetracht der vielen unterschiedlichen Komponenten nur sehr locker ausgelegt werden) veröffentlicht, wenn das oberste Gebot der Fed doch angeblich Transparenz für alle Anleger lautet?

2) Warum sind keinerlei Ziele definiert? Für wie lange muss der LMCI in welchem Bereich notieren, um die Fed zufriedenzustellen?

3) Was für ein Sinn macht ein zusätzlicher Indikator, der fast exakt negativ zur Arbeitslosenrate korreliert (siehe Grafik 1)?

4) Warum wird in New York ein neuer proprietärer Index entwickelt, wenn die Kollegen von der [Link "Kansas City Fed diesen Job doch viel besser und transparenter besorgen" auf www.kansascityfed.org/... nicht mehr verfügbar] ?

Ich unterstelle den Zentralbanken, dass sie ihre Mandate immer stärker aufweichen, indem sie den Fokus von der offiziellen Inflations- und Arbeitslosenrate zunehmend auf „Pseudoindikatoren“ legen, nur um sich damit nicht eingestehen zu müssen, dass die Ziele der Geldpolitik vor allem für den Normalanleger zunehmend unklarer und unberechenbarer werden.

Es ist überspitzt formuliert, aber ich warte langsam auf den Tag, an welchem die Federal Reserve ihre Politik vom „Gallup-Wohlfühlindex“ abhängig macht.

4 Kommentare

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  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Was sich die Zentralbanken in den Jahren seit Lehman anmassen, ist Planwirtschaft reinsten Wassers. Erich Honecker sitzt mittlerweile mit Sicherheit im Sarg und wenn Super-Mario und Frau Yellen so weitermachen, dann hält Honi nichts mehr und er steigt aus der Gruft.

    Ich glaube auch nicht, das die Herren des (Papier) - Gelds nicht wissen, was sie tun. Sie wissen das sehr genau, aber da die Politik in unseren Wohlfahrtsstaaten sich nicht wirklich traut, das Übel an der Wurzel zu packen, müssen nun die Zentralbanken die Kastanien

    aus dem Feuer holen. Da der Normalbürger sowieso nur Bahnhof versteht, wenn Yellen oder Draghi sich in ihrem Zentralbankersprech äussern, liegt es doch nur nahe, zur weiteren Verschleierung flugs einen neuen Indikator, der sich sehr wissenschaftlich anhört, aus dem Hut zu zaubern.

    John Williams von shadowstats.com errechnet aktuell eine echte Inflation von knapp 6% und eine echte Arbeitslosenquote von 22% für die USA. So what? Tarnen, tricksen, täuschen so sieht die Politik und die Zentralbankpolitik doch seit etlichen Jahren aus. Stellt sich Frage, wie lange mag das Spiel noch funktionieren bis die Rechnung auf den Tisch kommt.

    Es drängt sich der Eindruck auf, das da wo man den Bock zum Gärtner macht, die Zentralbanken nicht weit sind. Da Draghi sicherlich nicht tatenlos zusehen wird, wie Bella Italia langsam aber sicher im Mittelmeer versinkt, kann man darauf wetten, das er die nächsten Monate alles gibt, what ever it takes..... Zinsen komplett auf null, den Pleitebanken ABS-Papiere

    abkaufen und sie dem Steuerzahler unters Hemd schieben. Das ganze gemanagt durch Black Rock. Hallelujah!!!

    21:09 Uhr, 01.09. 2014
    1 Antwort anzeigen
  • Löwe30
    Löwe30

    Meine Meinung zu dem "Superindikator": ​Denn sie wissen nicht was sie tun.

    Eine Behörde, wie die Zentralbank, kann unmöglich Angebot und Nachfrage nach Geld in Einklang bringen, da kann die FED oder eine andere Zentralbank noch so viele Indikatoren hervorzaubern, gemäß dem „Hayek-Argument“, handelt es sich hier um den klassischen Fall der „Anmaßung von Wissen“.

    Ergänzend dazu kommt das „Mises-Argument“: die Unmöglichkeit sozialistischer Wirtschaftssteuerung. Die Zentralbanken betreiben nichts weiter als Geldsozialismus, sie erlauben keine Markt-, sondern nur administrativ manipulierte Preise. Das Resultat ist das, was Ludwig von Mises bereits 1922 in „Die Gemeinwirtschaft“ konstatierte: „Sozialismus ist Aufhebung der Rationalität in der Wirtschaft“.

    "Sechs Jahre realer Nullzinspolitik, auf die nun immer verzweifeltere Marktinterventionen der Zentralbanken folgen, haben die Wirtschaftsstruktur massiv verzerrt. Die Zinsen verraten nichts mehr über die Sparneigung der Menschen, die Gewinne haben immer weniger mit unternehmerischem Geschick, die Renditen immer weniger mit guter Voraussicht, die Investitionen immer weniger mit zukünftigen Konsumentenwünschen zu tun.

    Die Alternative zur Geldplanwirtschaft ist keine fertige Patentlösung, sondern ein Entdeckungsprozess, dessen Ergebnisse offen sind...

    Wettbewerb, also der Wettstreit unzähliger Pläne anstelle eines Zentralplans, sollte auch auf den Bereich des Geldes und des Bankwesens ausgedehnt werden." http://www.misesde.org/?p=8023

    Ein neuer Superindikator behebt nicht diese Fehlentwicklung.

    Passend dazu eine Begründung von Ludwig von Mises: „Wie Marx und allen Sozialisten fehlt den mathematischen Nationalökonomen die Erkenntnis, dass menschliches Handeln mit künftigen Verhältnissen zu tun hat, über die nichts Sicheres bekannt ist. Wenn man von der Unbestimmtheit der künftigen Dinge absieht, kann man freilich großartige mathematische Kartenhäuser bauen.“

    09:13 Uhr, 01.09. 2014

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Über den Experten

Simon Hauser
Simon Hauser
Redakteur

Simon Hauser hält für Guidants News die Stellung in North Carolina und sendet aus sicherer Entfernung zur Wall Street Echtzeitnachrichten in die Welt. Leider spielen die Kennzahlen der Wirtschaftsteilnehmer oft nur eine untergeordnete Rolle und werden dominiert von einem hysterischen Medienzirkus, punktundkommalosem Zentralbank-Blubber, und mysteriösen Algo-Kreaturen. Simon Hauser hat über die Jahre als aktiver Börsenteilnehmer ein krudes Interesse für diese Dinge, welche in einer perfekten Welt eigentlich keine Rolle spielen sollten entwickelt, und versucht (mit wechselndem Erfolg) zu ergründen was die Kurse wirklich treibt.

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