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08:48 Uhr, 20.08.2019

Zentralbanken können Inversion der Zinskurve korrigieren

Die Mittel der EZB und der BOJ mögen erschöpft sein, aber China und die USA haben nach Einschätzung von Matt Eagan, Portfoliomanager bei US-Gesellschaft Loomis Sayles, noch Munition.

Boston (GodmodeTrader.de) - Renditekurven von Anleihen sind eigentlich etwas für „Nerds“, wie Matt Eagan, Manager des „Loomis Sayles Bond Fund” und Mitglied des Vorstands der amerikanischen Fonds­gesellschaft „Loomis, Sayles & Company“ (einer Tochter von Natixis Investment Managers), in seinem aktuellen Blog schreibt.

Das habe sich jedoch dramatisch geändert, seit die Rendite der zehnjährigen US-Anleihe unter jene der zweijährigen gefallen sei. Die Inversion der Zinskurve tauge plötzlich zum Partygespräch. Und weil auch die Rendite der 30-jährigen Anleihe ein Allzeittief erreicht habe, werde ein düsteres Bild vom zukünftigen US-Wachstum und den Inflationserwartungen gezeichnet, heißt es weiter.

„Wir sollten den Blick allerdings nicht auf die USA verengen. Wir leben in einer vernetzten Weltwirtschaft, und die USA treiben diesen Wirtschaftszyklus nicht voran“, so Eagan. Auf globaler Ebene nimmt der Fondsmanager vier Lektionen aus der jüngsten Entwicklung am US-Treasury-Markt mit:

  1. Die Aussichten für die Weltwirtschaft hätten sich deutlich eingetrübt. Ein unerbittlicher Strom schwacher Wirtschaftsdaten und eskalierende Spannungen zwischen den USA und China hätten die Hoffnung zunichte gemacht, dass die Verlangsamung der Produktion nur von kurzer Dauer sein werde. Die Unruhen in Hongkong könnten auch zu einer ernsthaften destabilisierenden Kraft werden. Der Markt sei besorgt über geopolitische Spannungen, weit verbreiteten Protektionismus und wie sich ein Zusammenbruch des Welthandels durch die einzelnen Volkswirtschaften auswirke, heißt es.
  2. „Die Flut der negativ verzinslichen Schulden in der Welt lässt Investoren nach jedwedem positiven Ertrag streben. Mittlerweile handeln 45 Prozent der globalen Investment-Grade-Schulden außerhalb der USA im negativen Bereich. Je größer das Volumen der negativ rentierenden Anleihen (aktuell etwa 16,7 Billionen US-Dollar), desto unersättlicher ist der Risikoappetit. Bedenken Sie, dass zehnjährige Staatsanleihen in Italien (worunter sich wohl niemand einen grundsoliden Schuldner vorstellt) weniger als zehnjährige US-Treasuries bringen. Es gibt sogar europäische Junk-Bonds mit negativen Renditen. Im Vergleich zum Rest der Welt sind die USA immer noch ein Hochertragsland und ein relativ stabiler Schuldner. Es ist diese doppelte Value Proposition, die die Investoren in der letzten Woche gekauft haben“, so Eagan.
  3. Die Geldpolitik könne nicht zaubern. Wichtige Komponenten der Weltwirtschaft könnten einfach nicht wachsen. Europa habe den Weg Japans eingeschlagen. Beide litten aufgrund der anämischen oder negativen demografischen Entwicklung und der schlechten Produktivität unter einem außergewöhnlich niedrigen Potenzialwachstum. Beide seien im Wesentlichen an die Grenzen der Geldpolitik gestoßen, zumindest in ihrer jetzigen Form. Noch mehr quantitative Lockerung und Zinssenkungen würden nicht die Antwort auf stagnierendes Wachstum sein. Das wahrscheinlichste Ergebnis für diese Regionen heiße eher „more of the same“: langsames Wachstum und sehr niedrige Zinssätze. Europa brauche wirklich aktive Fiskalpolitik. Deutschland erwärme sich vielleicht für die Idee steigender Staatsausgaben, aber er würde nicht darauf wetten, heißt es weiter.
  4. „Die Fed-Politik ist angesichts der sich verschlechternden weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen wahrscheinlich zu restriktiv. Ich denke, dass Investoren, die sich auf eine US-Rezession konzentrieren, das Gesamtbild verpassen. Um sich in diesem Markt zu positionieren, ist eine globale Perspektive und nicht eine US-zentrierte Sichtweise entscheidend. Von einem globalen Standpunkt aus gesehen, denke ich, dass es fair ist zu sagen, dass sich der Zyklus in der Abschwungphase befindet. Die Frage ist, ob es von hier aus schlimmer wird. Die US-Wirtschaft mag sich dank ihrer soliden Konsumbasis besser behaupten als der Rest der Welt, aber die Fäulnis aus China und Deutschland ist es, was die Märkte meiner Meinung nach antreiben wird. Risikoaktiva in den USA, wie Aktien und spekulative Schuldtitel, sind anfällig für eine Ansteckung aus dem Ausland, selbst wenn die US-Wirtschaft weiterhin intakt ist. In den frühen Phasen des Abschwungs lohnt es sich in der Regel, die Duration beizubehalten und höherwertige Risikoaktiva zu bevorzugen. Ich würde auf einen größeren Ausverkauf warten, um das Risiko zu erhöhen“, so Eagan.

Der Fondsmanager ist auch auf mögliche politische Reaktionen eingestellt. Die Zentralbanken würden wahrscheinlich nicht zögern, angesichts der Erfahrungen aus der großen Finanzkrise weitere Impulse zu setzen. Die Mittel der EZB und der BOJ mögen erschöpft sein, aber China und die USA hätten noch Munition, heißt es weiter.

„Wenn sich die Dinge verschlimmern, wäre ich nicht überrascht, wenn die Fed einen überraschenden Schnitt von beispielsweise 50 Basispunkten zwischen ihren Sitzungen vornimmt und eine taubenhafte Haltung einnimmt. Ein solcher Zug könnte die Umkehrung der Zinskurve korrigieren und die Geister wieder in Schwung bringen. Es wäre hilfreich, wenn auch China mehr Impulse geben würde, was angesichts der zuletzt schlechten Daten wahrscheinlich ist“, so Eagan.

3 Kommentare

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  • wizardmw
    wizardmw

    Die Geldpolitik könne nicht zaubern... Aber sie versuchen es, und es ist die gewaltigste Illusion der Menschheitsgeschichte, die auch den gewaltigsten Preis abfordert eines Tages.....

    15:10 Uhr, 20.08. 2019
  • German2
    German2

    Wachstum, Wachstum, Wachstum ...um die Welt vorm Ökokollaps zu retten brauchen wir weniger Wachstum, am besten negatives Wachstum....man wird irgendwann zur Einsicht kommen müssen das es so nicht weitergeht .... dieser Wachstumswahn ist einfach nur Irrsinn!

    10:43 Uhr, 20.08. 2019
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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