Kommentar
14:50 Uhr, 11.02.2011

Wo bleibt die Korrektur im DAX?

Diese Frage scheinen sich derzeit viele Anleger zu stellen. Und sollte es dem DAX jetzt weiterhin nicht gelingen die Marke von rund 7.350 dauerhaft zu überwinden, könnte es tatsächlich mal einen Rückschlag geben. Die Frage ist, wie stark dieser ausfällt? Bekannte Markttechniker wie Jeffrey Saut von Raymond James oder Mary Ann Bartels von der Bank of America Merrill Lynch sehen seit Wochen Signale, die eine Korrektur an der Wall Street anzeigen. Immer wieder werden diesbezüglich auch die überhitzten Stimmungsindikatoren ins Feld geführt. Aber bisher klettert der Markt einfach immer weiter nach oben.

Die vergangenen Wochen haben deutlich gezeigt, dass auch das Interpretieren von Stimmungsindikatoren viel Fingerspitzengefühl bedarf. Es gibt nicht das System, das beim Erreichen eines gewissen Optimismuslevels einen automatischen Verkauf oder beim Erreichen eines gewissen Pessimismusniveaus einen automatischen Kauf bedeuten.

Stimmungsindikatoren sollen bekanntlich helfen den Investitionsgrad von Anlegern zu ermitteln. Wer optimistisch ist, der dürfte auch investiert sein und fällt als potentieller Käufer für die Zukunft aus, während Pessimisten auf hohen Barreserven sitzen sollten. Doch nicht immer ist dies der Fall. Vorhergehende Crashs wie die jüngste Finanzkrise können durchaus dazu führen, dass die Anleger eigentlich optimistisch sind und an eine Erholung glauben, die generelle Vorsicht aber noch sehr groß ist.

Auch kann es sein dass Anleger in den Stimmungsindikatoren ihren mittel- bis langfristigen Optimismus zum Ausdruck bringen, sie kurzfristig aber eher mit einem Rückschlag rechnen. Nach meiner Interpretation ist dies seit Jahresanfang der Fall. Die Tatsache, dass in den vergangenen drei Jahren im Januar stets Verluste auftraten, der Markt seit September ohne größere Rückschläge steigt und die optimistischen Stimmungsindikatoren, haben viele offenbar dazu verleitet, auszusteigen, um auf einen Rückschlag zu warten. Dass deren Verkäufe nicht zu Kursverlusten geführt haben, liegt wahrscheinlich daran, dass die unterinvestierten Lebensversicherungen, Pensionskassen und andere langfristige Kapitalsammelstellen, die händeringend nach rentierlichen Anlagealternativen zu Staatsanleihen suchen, die Papiere übernommen haben.

Nun stehen - so scheint es - viele vor allem kurzfristigere Marktakteure an der Seitenlinie und sehen, wie ihnen die Kurse davon laufen. Je länger das Spiel geht, desto nervöser werden sie Dementsprechend wächst dann auch die Bereitschaft, auch schon kleinere Korrekturen für Verkäufe zu nutzen. Erst wenn die Mehrheit wieder eingestiegen ist, droht ein Rückschlag. Zwischen kurz- und längerfristigem Optimismus zu unterscheiden ist nicht leicht. Sentix, ein Unternehmen, das sich auf die Stimmungsanalyse spezialisiert hat, befragt seine Teilnehmer nach deren kurzfristiger und mittelfristiger Meinung zum Aktienmarkt. Hier kommt dieser von mir vermutete Unterschied derzeit so deutlich zum Ausdruck wie selten zuvor.

Auch andere Indikatoren wie die Zuflüsse in auf fallende Kurse setzende ETFs in den USA untermauern dieses Bild. Nach Analyse des US-Research Unternehmens TrimTabs ist dies ein Kontraindikator, der seit 2006 sehr gut funtioniert. Wann immer diese Short-ETFs starke Mittelzuflüsse verzeichnen, geht der Markt anschließend nach oben. Zuletzt war dies der Fall.

Wie stark der Drang, auf fallende Kurse zu setzen, momentan bei den den Anlegern ist, lässt sich auch am Optionsmarkt ablesen. Für Put-Optionen, mit denen Anleger auf fallende Kurse spekulieren, wird deutlich mehr bezahlt, als für vergleichbare Call-Optionen, die auf steigende Kurse setzen. Derzeit wird für eine Put-Option Laufzeit bis Juni, die 500 Punkte unter dem aktuellen DAX-Stand zum Verkauf berechtigt, das anderthalbfache dessen bezahlt, was eine Call-Option gleicher Laufzeit kostet, deren Bezugkurs 500 Punkte über dem aktuellen DAX liegt.

Fazit: Der Aktienmarkt kann entgegen der allgemeinen Erwartung zunächst weiter nach oben klettern, im Verlauf des Jahres könnte den Anlegern der Wind dann aber härter ins Gesicht blasen.

Mehr und Updates zu den Kolumnen wie Immer unter www.rissesblog.de

Stefan Riße, ist Deutschlandchef und Chefstratege von CMC Markets. Bekannt ist er durch seine jahrelange Tätigkeit als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender N-TV. Sein aktuelles Buch "Die Inflation kommt" war in den Bestsellerlisten 2010 ganz oben.

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