Kommentar
15:15 Uhr, 26.09.2017

Wirklich historisch einmalig?

Immer wieder dürfen wir in den letzten zwei Jahren von „der historisch einmaligen Niedrigzinspolitik“ der Notenbanken in Europa, USA oder Japan lesen. Ein Blick ins Geschichtsbuch zeigt, dass die Phase weder einmalig noch besonders gefährlich für Aktionäre ist.

„Es fehlt an Geld. Nun gut so schaff’ es denn.“ – Goethe, Faust II (1832)

Ich habe in dem Exkurs-Artikel „Das Papiergespenst. Goethes Warnung vor dem billigen Geld“ davon berichtet, dass nicht nur Goethe in seiner Funktion als „Consigliere“ des Weimarer Hofes ein Kritiker des Gelddruckens war, sondern dass auch Adam Smith in „Wohlstand der Nationen“ von 1776 bereits die Stimulation der Wirtschaft durch die Ausgabe von billigem Geld forderte.

Ray Dalio, einer der erfolgreichsten Hedgefondsmanager unserer Zeit, verglich die derzeitige Niedrigzinsphase zuletzt mit der Phase nach dem großen Crash von 1929.

„It's very much like the '30s in that in 1929-1932, like 2008, we had a debt crisis — took your interest rates to zero both of those times. When interest rates hits zero, you don't have the same kind of monetary policy. So, they print money, they buy financial assets — in both cases they did. That caused an economic rebound in both of those cases. And it caused the stock market to rise a lot in those particular cases.“(1)

Dalio zieht eindeutige Parallelen zwischen 1929 – 1932 und 2008.

Beides waren - gemessen an vergangenen Aktienmarktentwicklungen, besonders schlimme Crashs. Der deutsche Aktienmarkt verlor in der Weltwirtschaftskrise von 1929 über 55 Prozent an Wert. In der Finanzkrise 2008 verlor der DAX (12.601,39 0,05 %) über 57 Prozent.

Auch das finanzpolitische Handeln zeigt verblüffende Parallelen. Es werden die Zinsen gesenkt und Finanzwerte (Anleihen, Bankaktien) werden durch Regierungen gekauft. In beiden Fällen, 1929-1932 und nach 2008, führte das zu stark steigenden Aktienmärkten.

Die Frage ist natürlich, die auch Dalio nun umtreibt, wie es weitergeht.

Er weist daraufhin, dass die Niedrigzinspolitik eine massive Vermögensverschiebung auslöst, die letztlich das Geld von den Sparern und Geringverdienern zu den Vermögenden transferiert.

„Today, the top 1/10 of 1 % of the population has a net worth that is equal to the bottom 90 % combined, okay? The wealth gap is the largest wealth gap that there has been since the 1935 to 1940 period. And so while we have good conditions here, for the bottom 60 % of the population, we have bad conditions.“ (1)

Ähnlich wie in den 1930er Jahren sieht Ray Dalio den Boden für den Aufstieg von populistischen Parteien geebnet. Die Folgen davon sind schwer abzusehen.

Ob es jedoch zu einem erneuten Crash wie 1929 oder 2008 aufgrund der Niedrigzinspolitik kommt, ist fraglich, denn die Niedrigzinsphasen sind in der Geschichte immer Antworten auf Krisen und nicht ihre Vorläufer gewesen.

Auch Dalio konstatiert:

This is not like 2007 and 2008. (...)

By and large, economically we are at the part of the cycle that is not too hot and not too cold, and assets have the right risk premiums, and so on. So, it's a relatively stable kind of environment.“ (1)

Fazit

Wie Ray Dalio es skizziert, sind wir in einer schwierigen wirtschaftlichen und finanzpolitischen Phase, die nicht ohne Konsequenzen bleiben wird. Denn die Ausweitung der Wohlstandsverteilung hat den Populismus in Europa und den USA befördert.

Der Vergleich mit der letzten großen Niedrigzinsphase ist nicht ohne Interesse. Zwischen 1934 und 1956 lagen die Zinsen in den USA unter 3 Prozent. Auch in Japan sind die Zinsen bereits seit Ende der 1990er Jahre auf einem historisch relativ niedrigen Niveau.

Es ist durchaus vorstellbar, dass die Zinsen noch viele Jahre auf dem aktuellen Level verbleiben.

Die Konsequenzen im Detail zu benennen ist unmöglich. Sie werden vor allem im politischen und sozialen, weniger im wirtschaftlichen Bereich Einfluss haben.

Denn schaut man in die Vergangenheit, dann sehen wir, dass die Märkte schon andere Niedrigzinsphasen überwunden haben. In den USA folgte am Ende der großen Depression ein gigantischer Bullenmarkt, der sogenannte „Post-War Boom“, der bis in die Stagflationsphase von 1973-1975 anhielt.

Der S&P 500 verzehnfachte sich in diesem Zeitraum.

Viele Grüße
Jakob Penndorf

--

(1) Ray Dalio: The US economy looks like 1937 and we need to be careful. Businessinsider.com vom 22.09.2017.
(2) Grafik im Anhang: Long-Term Interest Rates Have Been This Low Only Twice In The Past 214 Years. Businessinsider.com vom 19.11.2014.

--

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9 Kommentare

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  • Precious Mental
    Precious Mental

    Jakob, deine redaktionellen einlagen sind immer die besten hier

    wir lesen alle zerohedge, etc , aber du machst immer was draus, sehr gut. nur ist zu erwahnen, ray dalio ist der duesjaehrige underperformer, da er einfach sich gegen den markt stemmt, aber seither am lautesten troetet, sich an jedem postit an parallele zu 29,37,08 ergoetzt, aber einen punkt klein zugibt: alle sind jetzt so erfahren und haben sich sowas von drauf spezislisiert den abverkauf zu gewinn zu machen, dass er quadi nie kommen koennte. bloomberg interview mit ihm im aufust war super! gibts bestimmt in der mediathek

    19:16 Uhr, 26.09. 2017
    1 Antwort anzeigen
  • Elchness
    Elchness

    Mir gefällt der Vergleich mit der großen Krise der 30er Jahre. Denn heute wie damals wird es einen Krieg brauchen, um die Nachfrage wieder anzukurbeln.

    Niedrige Zinsen haben schon damals nicht ausgereicht.

    16:49 Uhr, 26.09. 2017
    1 Antwort anzeigen
  • BTCETH
    BTCETH

    Herr Penndorf. Noch folgende Frage: Finden Sie es gefährlicht, wenn die Aktienkurse Doppelt so schnell steigen wie die Unternehmensgewinne?

    16:14 Uhr, 26.09. 2017
    1 Antwort anzeigen
  • BTCETH
    BTCETH

    Was ist denn aus Ihrer Sicht eigentlich noch gefährlich für die Aktienmärkte? Nichts oder...

    15:20 Uhr, 26.09. 2017
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Jakob Penndorf
Jakob Penndorf

Jakob Penndorf teilt seit 2015 seine Expertise als Finanz- und Tradingexperte auf GodmodeTrader und Guidants, den Finanzportalen der BörseGo AG. Er startete seine Karriere als Börsenhändler und Analyst bei einer Wertpapierhandelsbank, war Berater und Fondsmanager für Asset Manager in Frankfurt am Main und Gründer eines Finanztechnologie-Unternehmens in Berlin. Jakob Penndorf hat zahlreiche Lehrgänge absolviert, u.a. ist er akkreditierter Berater der namhaften Investmentgesellschaft Dimensional Funds Advisors (DFA) aus den USA, deren Vorstand und Verwaltungsrat führende Finanzforscher wie Kenneth French, Roger Ibbotson oder Eugene Fama angehören. Jakob Penndorf veröffentlichte zahlreiche Fachartikel über Börsenstrategien, Anlegerverhalten und technische Handelssysteme. Er trainiert Unternehmer, Börsenhändler und Investoren im Umgang mit Risiken an den Finanzmärkten.

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