Kommentar
16:43 Uhr, 09.06.2010

Wie war das noch beim letzten mal?

Wenn derzeit über die kommende Aktienmarkttendenz diskutiert wird, spielen vor allem fundamentale Erwägungen die entscheidende Rolle. Das Lager lässt sich da sehr einfach aufteilen. Die Konjunktur-Optimisten, die von einem sich nun entwickelnden selbsttragenden Aufschwung ausgehen, halten Aktien immer noch für billig, weil die Gewinne aus ihrer Sicht weiter steigen werden. Die Konjunkturpessimisten, die mit einer Double-Dip Rezession rechnen, warnen hingegen vor viel zu optimistischen Gewinnprognosen und einer dementsprechenden Überbewertung der Aktien.

Fundamental betrachtet neige ich eher dem Lager der Skeptiker zu, halte die daraus abgeleiteten negativen Aktienmarktprognosen aber für voreilig.

Was die Kurse ab März 2009 steigen ließ, war ja nicht etwa eine sich abzeichnende Konjunkturerholung. Auf diese konnte man nur vage hoffen, und die Hoffnung lieferte dann die fundamentale Begründung. Die tatsächliche Triebfeder für diesen extrem steilen Anstieg war die Liquidität, die von den Notenbanken rund um den Globus in die Märkte gepumpt wurde. Ganz verstärkt nach der Lehman-Pleite. Diese hatte den Geldmarkt austrocken lassen und für eine extreme Liquiditätsknappheit gesorgt. Anleger flüchteten aus allen Vermögenswerten, oder besser gesagt waren gezwungen alles wahllos zu verkaufen, um Liquidität zu gewinnen. Die Gegenmaßnahmen der Notenbanken konnten die Lage dann entspannen. Es dauerte dann jedoch noch rund ein halbes Jahr, bis der Aktienmarkt drehte.

Die Schuldenkrise in Europa, die in den Finanzierungsnöten Griechenlands gipfelte, darf durchaus als eine kleine Version der Schuldenkrise, die auf den Zusammenbruch von Lehman Brothers folgte betrachtet werden. Es fand ebenfalls eine Flucht in den Dollar statt, Aktien wurden verkauft. Gold als sicherer Hafen konnte profitieren, an besonders verlustreichen Tagen bei Aktien, wurde jedoch auch Gold verkauft. Die Notenbanken, momentan vor allem die Europäische Zentralbank (EZB) reagierten mit den gleichen Mitteln: Unbegrenzte Refinanzierungsmöglichkeiten und Aufkauf von Anleihen.

Ich gehe davon aus, dass die Reaktion der Märkte auf die Gegenmaßnahmen die gleiche sein wird, nur alles im Verhältnis zur Krise angemessen kleiner. Das bedeutet, dass die Aktien sicher nicht so heftig nach oben korrigieren, da sie zuvor auch nicht so stark gefallen sind. Auch dürfte es nicht so lange dauern, bis die Liquidität am Aktienmarkt ankommt, da der Markt deutlich bereinigter sein sollte, als im Lehman-Crash. Der Euro dürfte sich im gleichen Zuge dann auch wieder erholen. Spannend ist, was das Gold machen wird. Zurzeit fällt es, da sich die Lage entspannt. Das könnte sich allerdings auch schnell wieder umdrehen, wenn andere Vermögenswerte und die Gemeinschaftswährung wieder nennenswert zulegen.

Dass die Reaktion der gestallt ausfallen wird, dem messe ich eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit zu, so dass ein Investment in Aktien unter Chance/Risiko-Aspekten sehr sinnvoll ist. Die Frage ist nur, ob wir den Höhepunkt der europäischen Schuldenkrise zumindest zunächst hinter uns haben. Die Märkte spielen eher das Gegenteil, womit ich wie so oft eine konträre Meinung einnehme. Die neuen Rekordtiefs beim Euro waren nicht mehr von politischer Aufregung begleitet, was für mich darauf hindeutet, dass die Eurozone gewillt ist, den schwach eingeschätzten Länder Anschlussfinanzierungen zu gewährleisten, wenn der Markt nicht gewillt ist, dies zu vernünftigen Zinsen zu tun. Setzt sich diese Erkenntnis durch, dann wird allen klar, dass der Spekulation vorerst der Boden entzogen ist. Gewinnmitnahmen der Pessimisten dürften die Folge sein und für die genannten Gegenbewegungen sorgen.

Die fundamentalen Aspekte könnten dann eher Richtung Jahresende ein Thema werden. Mit deutschen Exportwerten sollten Anleger am besten bedient sein. Sie profitieren vom Boom in den Schwellenländern aufgrund des schwachen Euros immer stärker und könnten einigermaßen durchkommen, selbst wenn die Sparmaßnahmen in Europa zu einer neuen Rezession führen.

Stefan Riße, ist Deutschlandchef und Chefstratege von CMC Markets. Bekannt ist er durch seine jahrelange Tätigkeit als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender N-TV. Sein aktuelles Buch „Die Inflation kommt“, steht seit Wochen oben auf den Bestsellerlisten.

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