Kommentar
15:40 Uhr, 21.11.2014

Was werden wohl unsere Enkel sagen?

"Wenn der Mensch nicht darüber nachdenkt, was in ferner Zukunft liegt, wird er das schon in naher Zukunft bereuen". (Konfuzius)

Es will mir beim besten Willen nicht in den Kopf, warum jetzt wieder so viele Kollegen vollkommen hirnlos und gänzlich unkritisch die jüngste Stilblüte der Europäischen Zentralbank (EZB) bejubeln: Als am Freitag bekannt wurde, dass die Notenbank die Geldschleusen noch weiter aufreißen will, um so die Wirtschaft in Europa zu befeuern, da kannte die Euphorie keine Grenzen. Der DAX sprang hurtig mehr als zwei Prozent nach oben; Focus Online titelte sogleich, EZB-Chef Draghi habe die Märkte mit seinem Statement in „Jubellaune“ versetzt.

Die altbekannten Mechanismen funktionieren also auch um siebten Jahr (!) der Finanzkrise immer noch: Mehr Geld heißt automatisch, alles wird gut. Dass in Wahrheit das genaue Gegenteil zutrifft, scheint immer noch kaum jemanden zu interessieren.

Wirklich interessant könnte es allmählich allerdings beim Gold werden. Der Freitag hat das gezeigt: Die neuerliche Ankündigung einer weiteren Geldflut zur Belebung der Konjunktur in Europa war kaum verhallt, da kam die Gemeinschaftswährung auch schon unter Druck. Der Goldpreis wegen der Dollar-Aufwertung ebenfalls. Doch anders als der Euro konnte sich das Gold nach einer kurzen Schrecksekunde sofort wieder erholen. Die folgende Grafik zeigt das. Die blaue Linie zeigt den Euro / Dollar-Wechselkurs, die grüne Linie bildet den Goldpreis ab:

Was-werden-wohl-unsere-Enkel-sagen-Kommentar-Andreas-Hoose-GodmodeTrader.de-1

Womöglich dämmert da einigen, was in Europa gerade passiert: Die EZB ist nämlich auf dem besten Wege, in die Fußstapfen der japanischen Notenbank zu treten. Deren Versuche, die Wirtschaft über die Druckerpresse zu stimulieren, brachten zuletzt gänzlich unerwartete „Erfolge“: „Völlig überraschend“ war die japanische Wirtschaft im abgelaufenen Quartal nämlich schon wieder geschrumpft, und zwar um beachtliche 0,4 Prozent.

Mit Neuwahlen will sich Ministerpräsident Abe jetzt beim Wähler eine erneute Legitimation für seinen Harakiri-Kurs abholen.

Man kann heute schon prognostizieren, dass das historisch einmalige geldpolitische „Weltexperiment“ in Euroland nicht anders verlaufen wird als in Japan: Die Notenbanken können die Geldschleusen jetzt so weit aufreißen wie sie wollen, die Konjunktur wird deshalb trotzdem nicht in Schwung kommen.

Das liegt nicht etwa an den bösen Bankern oder gar an unwilligen Marktakteuren, sondern schlicht und ergreifend daran, dass völlig überschuldete und im Geld geradezu ersaufende Volkswirtschaften ab einem bestimmten Punkt durch noch mehr „von dem Zeug“ nicht mehr befeuert werden können. In Japan ist dieser Punkt ganz offensichtlich bereits erreicht, in den USA ebenfalls - und demnächst auch in Europa. Wer das immer noch nicht verstanden hat, der wird es in den kommenden Jahren lernen.

Zu lernen wird es dann noch mehr geben. Zum Beispiel, dass eine Ausweitung der Geldmenge, wie wir sie derzeit rund um den Globus bestaunen dürfen, irgendwann sehr wohl die Inflation befeuern wird. Und zwar vermutlich sehr viel stärker als mancher sich das heute vorzustellen vermag. In weiten Teilen der Wirtschaft geschieht das ja bereits. Man sehe sich etwa die Aktien- wie auch die Immobilienmärkte an. Oder die Preisentwicklung bei vielen Lebensmitteln.

„Völlig überraschend“ werden daher auch die offiziell verlautbarten Inflationsraten irgendwann zu traben beginnen. Wann das passiert, und ob vorher noch ein deflatorischer Schock die Märkte durchschütteln wird, das lässt sich aus heutiger Sicht nicht prognostizieren.

Was man dagegen sehr wohl sagen kann, ist folgendes: Dieser Irrsinn wird kein gutes Ende nehmen und wir alle wären gut beraten, uns beizeiten, also heute, nach sinnvollen Alternativen für ein Wirtschafts- und Finanzsystem umzusehen, das immer deutlicher an seine Grenzen stößt. Recht erhellend ist in diesem Zusammenhang der folgende Artikel. Wenn Autos offensichtlich zu Tausenden für die Müllhalde produziert werden, dann kann doch irgendetwas nicht stimmen mit unserer Form des Wirtschaftens:

http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/enthuellungen/tyler-durden-und-vince-lewis/-channel-stuffing-wo-die-nicht-verkauften-kraftfahrzeuge-weltweit-vor-sich-hin-rotten.html

Eines kann man daher auch heute schon mit einiger Sicherheit sagen: Je länger wir damit warten, sinnvolle und vor allem nachhaltige Alternativen für unser vollkommen aus dem Ruder laufendes Wirtschafts- und Finanzsystem zu erdenken, desto gravierender werden die Folgen für uns alle.

In der aktuellen Ausgabe des Antizyklischen Börsenbriefs haben wir ein solches alternatives Geldmodell vorgestellt. Aus heutiger Sicht mag der Ansatz noch völlig utopisch erscheinen, aber vielleicht ist er gerade deshalb so interessant. Denn vieles deutet darauf hin, dass wir ganz neue Wege suchen müssen, wenn wir die aktuellen Probleme auch im Sinne nachfolgender Generationen lösen wollen...

Anmeldemöglichkeit (1) : Das Drei-Monats-Abo des Antizyklischen Börsenbriefs

Anmeldemöglichkeit (2) : Das Jahres-Abo des Antizyklischen Börsenbriefs

Zum Autor:

Andreas Hoose ist Chefredakteur des Antizyklischen Börsenbriefs, einem Service der BörseGo AG, und Geschäftsführer des Antizyklischen Aktienclubs. Börsenbrief und Aktienclub, das komplette Servicepaket für die Freunde antizyklischer Anlagestrategien! Informationen finden Sie unter www.antizyklischer-boersenbrief.de und www.antizyklischer-aktienclub.de

62 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • Cristian Struy
    Cristian Struy

    ​den dow seit fr 16 uhr shorten, der gerade die ok des exp triangle berührt hat. Bei gold auf nen rucksetzer warten um den swiss abstimmungshype bis 1225 mitzunehmen und nachdem der nicht gekommen ist am kommenden freitag wieder shorten:)

    14:00 Uhr, 23.11.2014
  • 1 Antwort anzeigen
  • Icaro
    Icaro

    ​Lieber Anderl,

    auf den Punkt gebracht haben das denkbar einfach/komplexe Thema schon 2011 unsere sprachlich verwandten Freunde der Austria-Band "Hubert von Goisern" mit dem Song

    "Aba brenna dat's guat".

    Gemeint ist das Geld und nicht "da Woaz'n" ! Du verstehst mich schon.

    Wer's noch (immer) nicht ganz geschnallt hat, höre sich den Song mit Text (Lyrics) an.

    Mani

    11:38 Uhr, 23.11.2014
  • motörhead
    motörhead

    ​Und täglich grüsst das Murmeltier. Weltuntergangsszenarien, Horrormeldungen, Verschwörungen, Amerika und Israel sind an allem schuld usw. und so fort. Wenn ich mir dann noch die "compacten" blogs in diversen Foren anschaue, reibe ich mir jedesmal die Augen, und frage mich, ob der eine oder andere zu viel "Russia TV" mit eingebauter Gehirnwäsche schaut. Seit knapp einer Dekade geht die Welt nun schon unter. Seit knapp einer Dekade fahre ich Zähne klappernd einkaufen und mannomann, was bin ich jedesmal erleichert vor prall gefüllten Regalen zu stehen, an jeder Ecke mit Reiseangeboten überhäuft zu werden, und, ...meine Aktieninvestments haben sich sehr erfreulich entwickelt. Mag sein dass eines Tages die Inflation uns überrollt. Bis dahin reite ich weiterhin die Aktienwelle und pfeif auf Gold.

    11:06 Uhr, 23.11.2014
    3 Antworten anzeigen
  • Danyo
    Danyo

    @ Überschrift des Artikels

    Hier ein Beitrag vom Deutschland Funk, der gestern abend lief. Hier geht es um das Freihandelsabkommen zwischen den USA, Kanada und Mexiko und deren Folgen für die Länder und deren Bevölkerungen.

    http://www.deutschlandfunk.de/nafta-freihandelsabkommen-oder-blaupause-des-neoliberalen.1170.de.html?dram:article_id=299940

    Angesichts der teilweise erschreckenden Inhalte des Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europas sollte es unsere erste Aufgabe sein dieses Abkommen zu verhindern.

    Hörenswerter Beitrag des DLF, der es aus vielen Perspektiven beleuchtet.

    16:30 Uhr, 22.11.2014
  • Sonnenschein
    Sonnenschein

    Hallo Herr Hoose !

    ​Ich bin mir alles andere als sicher, dass die Dax-Bewegung vom Freitag und auch der neuerliche Einbruch des €/USD vom gestrigen Freitag auf die Rede von Draghi zurückzuführen sind und ohne diese Rede nicht gekommen wären.

    Und Focus Online weiß - ebenso wie alle Medien - ja auch nicht, warum der Dax steigt oder fällt. Aber es werden halt Ursachen "festgestellt", die zwar plausibel sind, aber nicht überprüft werden oder auch nicht überprüft werden können.

    Interessant wäre, was Kapitalmarktkenner zu den Ursachen einzelner Börsen-Bewegungen (z.B. des Dax-Index) sagen würden, wenn sie denn ihre (Insider-)Kenntnisse veröffentlichen dürften ... und auch wollten ...

    Vielen Dank (mal wieder) bei dieser Gelegenheit für Ihre Wochenend-Beiträge!

    09:15 Uhr, 22.11.2014
    1 Antwort anzeigen
  • amateur
    amateur

    Hallo Herr Hoose,

    ich weiß, bei Ihnen muss ja die Welt mal untergehen oder so - schreiben Sie ja schon seit über 5 Jahren. Und ja, irgendwann wird irgendwas passieren. Was das Geld angeht - jedes Geldsystem fährt mal an die Wand, das zeigt die Geschichte. Wenn ein Staat mal total überschuldet ist, hat er zwei Möglichkeiten: Er holt sich das fehlende Geld mit Gewalt (hoffen wir, dass das bei uns nie passiert!!!) oder er guckt, dass die Schulden sich signifikant verringern, da gibt es nur die Währungsreform, neues Geld o. ä. ..Unser Staat gibt seit über 30 Jahren Geld an die Bürger (Kindergeld, Ehegattensplitting, Sozialhilfe...), das er über Schulden aufnimmt bzw. was er nicht hat (um z. B. Wahlversprechen zu finanzieren). Und irgendwann bei Überschuldung holt er sich das zurück (von denen, die noch was haben!!!). Solange die Kapelle spielt, wird auch getanzt...Aber: Das war schon immer so!!! Aber ja, irgendwas müssen Sie ja schreiben...

    20:04 Uhr, 21.11.2014
    2 Antworten anzeigen