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17:37 Uhr, 14.06.2022

Warum Indien jetzt russisches Öl einkauft

Die USA haben Neu Delhi zwar aufgefordert, nicht zu viel russisches Öl zu erwerben, verhindern kann Washington die Ankäufe aber nicht.

New York (Godmode-Trader.de) - Die Importe Indiens von russischem Rohöl sind im Mai erheblich gestiegen. Russland ist sogar zum zweitgrößten Öllieferanten nach dem Irak aufgestiegen. Die Raffinerien auf dem Subkontinent bestellten rund 819.000 Barrel pro Tag an russischem Öl, wie aus der am Montag veröffentlichten Handelsstatistik hervorgeht. Zum Vergleich: Im April waren es nur rund 277.00 Barrel.

Russische Ölsorten machten im Mai etwa 16,5 Prozent der gesamten indischen Importe aus. In der Vergangenheit war Russland kein wichtiger Lieferant für den Subkontinent. Im Januar und Februar dieses Jahres hatte Indien überhaupt kein Erdöl aus Russland bezogen.

Die indischen Verträge für Ural-Rohöl - die von Russland am häufigsten exportierte Sorte - für März, April, Mai und Juni sowie die Prognosen für die Lieferungen im Juli und August (insgesamt rund 66,5 Mio. Barrel) belaufen sich laut der Datenfirma Kpler auf mehr als die im gesamten Jahr 2021 angekauften Menge.

Indien ist der drittgrößte Ölverbraucher der Welt und importiert über 80 Prozent seines Bedarfs. Im vergangenen Jahr kamen die drei wichtigsten Lieferanten aus dem Nahen Osten, gefolgt von den USA und Nigeria. Nur etwa zwei Prozent der gesamten Öleinfuhren (12 Mio. Barrel Ural-Rohöl) stammten laut Kpler überhaupt aus Russland.

Der Wendepunkt in den neuen Öl-Verläufen ist der Einmarsch Russlands in die Ukraine zum 24. Februar. Dies hat viele Ölimporteure veranlasst, den Handel mit Moskau zu stornieren. Weil dadurch die Nachfrage sank, wurden die Notierungen für russisches Rohöl mit hohen Abschlägen gegenüber anderen Sorten gehandelt.

Indien sprang umgehend in die Bresche und hat die günstigen Preise genutzt, um seine Ölimporte aus Russland in einer Zeit zu erhöhen, in der die weltweiten Energiepreise gestiegen sind. „Der exakte Preis des an Indien verkauften Rohöls ist nicht bekannt, aber „der Abschlag des Ural-Öls gegenüber Brent liegt weiterhin bei etwa 30 Dollar je Barrel", so ein Analyst bei Kpler. Der Rabatt dürfte mittlerweile noch höher liegen.

Obwohl der Preis attraktiv ist, stehen die indischen Raffinerieunternehmen aufgrund der Sanktionen gegen russische Banken vor der Herausforderung, diese Käufe zu finanzieren. Eine der Optionen, die Neu Delhi nun prüft, ist ein Transaktionssystem auf der Grundlage lokaler Währungen, bei dem indische Exporteure in Russland in Rubel statt in Dollar oder Euro bezahlt werden. Die USA haben ihre Vorbehalte gegenüber diesem System deutlich gemacht und erklärt, dass es „den Rubel stützen oder das auf dem Dollar basierende Finanzsystem untergraben" könnte.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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