Warum die SNB-Entscheidung sowohl Broker als auch Trader traf
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Erwähnte Instrumente
Der Crash des Schweizer Franken am 15. Januar hat wie eine Bombe eingeschlagen. Fast alle Trader waren auf der Longseite anzutreffen, hat die Schweizer Nationalbank doch auf einer garantierten Preisuntergrenze von 1,2 gepocht. Durch die überraschende Aufhebung dieser Unterstützung haben Privatanleger innerhalb weniger Minuten dreistellige Millionenverluste erlitten. Genaue Zahlen stehen noch aus, rechnet man Hedgefonds und Vermögensverwalter mit ein, geht die Summe sicher in die zig Milliarden. Die Broker selbst sind aber ebenfalls enorm geschädigt worden, wie konnte das geschehen?
Hebelwirkung - Der Casus Belli
„Überhebelt euch bloß nicht!“ ist ein häufiger Rat an Einsteiger. Diese Warnung bleibt hängen und suggeriert für viele Trader, dass ein hoher Hebel mit hohem Risiko gleichzusetzen ist. Das ist er aber nur dann, wenn man kein Moneymanagement beherzigt. Sprich, wenn man die Positionsgröße nicht wie man es sollte am Risiko der Position im Verhältnis zum vorhandenen Kapital ausrichtet. Sondern daran, wieviel Margin eine Position in Beschlag nimmt. Und genau dieser Tradingsünde sind wohl nicht wenige Trader zum Opfer gefallen diese Woche. So liest man in Foren von 500€-Konten, aus denen -6.000€ wurden. Oder von einer 3.000€ Investition in Franken, aus der ein sechsstelliger Verlust wurde.
Klar, auch bei kleinen Positionsgrößen waren die Verluste herb und konnten das Konto sogar ins Minus führen. Aber sehr viele die jetzt laut aufschreien haben sich schlicht und einfach überhebelt.
Der Hebel ist nichts anderes als die Margin, also die Sicherheitsleistung die man hinterlegen muss für den Handel auf den Kredit des Brokers. Ein Hebel von 1:50 bedeutet, dass ich für meine Position 2% Margin hinterlegen muss. Dieser unübliche kleine Hebel und noch geringer wurde von immer mehr Brokern in den letzten Wochen für Handeln mit CHF-Pairs verlangt, und hat diese nun vor größerem Schaden bewahrt. Nicht so aber etwa bei Alpari, die mit einem enormen Hebel von 1:500 geworben haben, und so sich letztendlich selbst in die Insolvenz geschossen haben.
Hebel-Beispiele und die Auswirkungen des EUR/CHF-Crash
Was bedeutete dieser enorme Hebel nun im Falle des Währungspaares EUR/CHF: Mit 1 Lot (=100.000 Einheiten) EUR/CHF bewegte man bis Donnerstag Vormittag eine Summe von 120.000 CHF. Bei einem Hebel von 1:500 verlangte der Broker dafür aber nur eine Sicherheitsleistung von 240 CHF = 200€. D.h. mit einem Kontostand von sagen wir 1.000€ war man theoretisch in der Lage, eine Summe von 5 Lot = 500.000€ zu bewegen!
Natürlich nur solange der Kurs nicht gegen einen lief, denn dann hätte man ja nichts mehr am Konto gehabt um Margin nachzuschießen. Nicht wenige Trader haben aber beim Kursniveau von 1,2 mit viel zu großen Stückzahlen auf steigende Kurse spekuliert, da die SNB den Kurs ja schon weiterhin stützen wird. Damit haben sicher nicht wenige Trader lange Zeit gut verdient, sich dabei aber größere Positionen erlaubt als vernünftig gewesen wäre.
Dieser enorme Hebel ging nun nach hinten los. Viele Trader wurden am Donnerstag um 0,9 herum glattgestellt. War man mit 1 Lot Long von 1,20 bis 0,90 bedeutet das einen Verlust von sage und schreibe 30.000€.
Hier hat es also viele Trader gehörig zerbröselt, auch wenn man ordentliches Moneymanagement verfolgte ging das richtig an die Substanz. Ein klassisches Beispiel für einen "vernünftigen" Trader anhand eines 10.000€ Kontos:
Er möchte beim EUR/CHF-Kurs von 1,2 auf wieder steigende Kurse spekulieren. Der Stopp kann aufgrund der bisherigen Garantien eng gesetzt werden, sagen wir auf 1,195. Das ist ein Abstand von 50 Pip und er ist bereit 1% seines Kapitals zu riskieren, das sind 100 Euro bzw. 120 Franken zum damaligen Kurs. Damit kann er 24.000 Einheiten EUR/CHF kaufen. Das sind 0,24 Lot oder 2,4 Mini-Lot.
Der Crash im Ausmaß von 3.000 Pip (wenn er denn nicht besser ausgeführt worden wäre als zu 0,90) bedeutet also auch für diesen konservativen Anleger einen außerordentlichen Verlust von 7.200€. Und damit ist der Großteil des Kontos weg.
Wie Broker durch die Entscheidung der Schweizer Notenbank in die Krise rutschten
Warum nun können Broker aufgrund so eines Kurssturzes überhaupt in Bedrängnis kommen (EUR/CHF-Crash - diese Broker sind betroffen), bzw. welche anderen Auswirkungen müssen bedacht werden?
- können Kundenkonten massiv ins Minus gelangen wenn diese sich überhebelt haben. Da sich dies letztendlich auf die Bilanz und damit auf die Zahlungsfähigkeit auswirkt, und das Eintreiben der Nachschussforderungen nicht so rasch von sich gehen kann, kann dies sogar zur Insolvenz führen.
- können aus dem selben Grund lizenzrechtliche Bestimmungen verletzt werden. Die Aufsichtsbehörde verlangt eine Aufstockung des Eigenkapitals, was in diesem Umfeld nicht einfach sein wird.
- könnten Kunden ja auch extrem auf einen fallenden Schweizer Franken spekuliert haben mit riesigen Gewinnen. Wenn der Broker ein Market-Maker ist, der Positionen ins eigene Buch nimmt (B-Buch), dann hätte er hier immense Verluste erlitten. Was wiederum zur Zahlungsunfähigkeit führen könnte. Trifft in diesem Szenario aber auf niemanden zu, da der Großteil der Trader aufgrund der bisher garantierten Preisuntergrenze eben Long investiert war.
- werden speziell schwere Kaliber, die viel Geld verloren haben, genau nachsehen ob die Broker dieMargin Calls exakt so durchgeführt haben wie in den AGB´s beschrieben, bzw. ob die Stop-Out-Level funktioniert haben. Das kann einen Rattenschwanz an rechtlichen Auseinandersetzungen nach sich ziehen. Vielleicht nicht lebensbedrohlich für die Broker, aber für das Image allemal.
- Ähnlich gelagert ist der Fall bei jenen Anbieter, die mit "Keine Nachschusspflicht!" werben bzw. geworben haben. Hier kann man sich entweder durch eine Klausel im Kleingedruckten alá "mit Ausnahme bei besonderen Ereignissen" aus der Affäre ziehen und auf der Nachschusspflicht bestehen, die Finanzen so wieder besser stellen. Aber das kann schon mal einen Shitstorm auslösen, und diese Kunden sind mit Sicherheit für immer verbrannt. Oder man stellt seine Kunden zufrieden und gleicht die Konten aus. Das haben sogar manche Broker gemacht, ohne diesen Extraservice versprochen zu haben. Das gibt natürlich dicke positive Publicity.
- So ein Shitstorm wird auch auf jene Broker zukommen, die glauben, im Nachhinein ausgeführte Orders auf Kundenkonten zum Schlechteren ändern zu müssen. Dies wurde von zumindest drei Market Makern bereits angekündigt. Diese haben Stops/Limits wohl einfach ziemlich automatisiert ausführen lassen. Und sind dann erst drauf gekommen, dass sie von deren Liquiditätsprovidern weitaus schlechter abgerechnet werden.
- Es gibt natürlich auch Häuser die Eigenhandel betreiben. Auch hier hat es einige erwischt bzw. wird das meiste diesbezüglich wohl erst noch öffentlich werden. Hierzu wird es auch spannend, den Bericht der amerikanischen CFTC von Ende Dezember zum finanziellen Zustand der US-regulierten Broker mit jenem von Ende Januar zu vergleichen.
Fazit
Ich möchte aber auch betonen, dass die Broker keineswegs Schuld daran sein müssen, wenn Kunden schlecht ausgeführt wurden. Wenn sich einfach keine Gegenpartei am Markt bzw. im Liquiditätspool findet wie geschehen, dann wird der Broker kaum auf eigene Kosten eine bessere Ausführung gewährleisten (dies war aber wohl unbeabsichtigt bei jenen der Fall, die jetzt noch Kurskorrekturen auf den Kundenkonten durchführen.
Es hat sich aber sehr wohl schon gezeigt welche Broker sehr gute Infrastruktur zur Verfügung stellen, und welche Probleme hatten mit solchen raschen und massiven Kursbewegungen. Diesbezüglich rufen wir auch alle Trader dazu auf uns Feedback darüber zu geben wenn sie mit ausgeführten Stopps, Margin Calls und generell Ausführungskursen nicht einverstanden sind und dies auch belegen können. Wir werden die Broker dann damit konfrontieren und die Informationen und Ergebnisse sachlich aufbereiten. Sowohl Positives, als auch Negatives.
Es erlitten übrigens auch Trader Verluste, die auf einen fallenden Schweizer Franken spekuliert hatten. Weil sich der Spread so plötzlich massiv ausweitete, dass auch die über dem Einstiegskurs gelegenen Stoppkurse gerissen werden konnten.
Auf jeden Fall ein schwarzer Tag ohne wirkliche Gewinner, die Schweizer Nationalbank hat sich definitiv keine Freunde gemacht mit ihrer überstürzten Aktion. Das Traderleben wird aber weitergehen. Zum einen haben die meisten Broker, speziell die Partner von BrokerDeal, die ganze Sache unbeschadet überstanden. Zum anderen haben Trader ein kurzes Gedächtnis, wie die Geschichte lehrt.
Und so ein Black-Swan-Ereignis, wie unvorhergesehene News dieser Größenordnung auch genannt werden (auch in englischsprachigen Medien bereits "Donnerstagsdebakel" genannt), sind letztendlich ja doch äußerst selten.
Trotzdem könnte eine Folge aus dem Ganzen sein, dass der irrsinnig große Forex-Markt, der absolut unreguliert ist und nur zwischen zahllosen Einzelhändlern (Tier1-Liquiditätsprovider, Broker, Market-Maker) stattfindet, stärker in den Fokus der Behörden rückt.
BrokerDeal drückt allen Betroffenen die Daumen und wünscht viel Erfolg beim Trading!
Michael Hinterleitner
www.brokerdeal.de
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