Kommentar
13:21 Uhr, 07.05.2014

Wann lässt die EZB Mario Draghis Worten Taten folgen?

Vor zwei Jahren hat EZB-Präsident Draghi die Märkte mit zwei kurzen Sätzen beruhigt. Möglicherweise ist aber mehr vonnöten als Worte.

Taten sagen bekanntlich mehr als Worte, doch für die Europäische Zentralbank gilt dies derzeit nicht. Zwei kurze Sätze, die EZB-Präsident Mario Draghi vor zwei Jahren äußerte, haben Wunder gewirkt: Sie beruhigten die Märkte, stabilisierten die europäische Gemeinschaftswährung und trugen dazu bei, den Weg für den Konjunkturaufschwung in der Eurozone zu ebnen. Möglicherweise ist aber mehr vonnöten als Worte, um die schuldengeplagten «Peripherieländer» der Eurozone über Wasser zu halten. Wir erwarten zwar keine weitere Runde unorthodoxer geldpolitischer Maßnahmen. Allerdings ist es ist denkbar, dass solche Schritte letztlich doch noch notwendig werden.

«Im Rahmen ihres Mandats ist die EZB bereit, alles Notwendige zu tun, um den Euro zu erhalten. Und glauben Sie mir, es wird ausreichen.» Dies waren die Worte von Mario Draghi auf einer Investmentkonferenz in London am 26. Juli 2012. Sie bewirkten, dass die Eurozone allgemein wieder als ein sicherer Ort für Geldanlagen betrachtet wird. Zugegebenermaßen gibt es noch immer Bereiche der Unsicherheit, insbesondere im Zusammenhang mit der rechtlichen Basis des Outright Monetary Transactions-Programms (OMT) der Europäischen Zentralbank (EZB). Fragen wirft auch die Europäische Bankenunion auf, und es ist unklar wie Konkursverfahren und Einlagensicherung letztlich finanziert werden sollen. Allerdings gibt es überwältigende Belege dafür, dass die EZB bislang erfolgreich war: Die Renditen südeuropäischer Staatsanleihen sind dank der hohen Nachfrage nach «Peripherietiteln» drastisch gesunken (siehe Grafik 1). Die Banken der Eurozone haben wieder Zugang zu den Finanzmärkten, und der Euro ist gegenüber den meisten Währungen gestiegen. Hinzu kommt, dass die Nettoforderungen der Deutschen Bundesbank innerhalb des europäischen Zentralbanksystems seit der Äußerung von Mario Draghi stetig sinken (siehe Grafik 2). Dass sich das Blatt für die Eurozone gewendet hat, lässt sich an der jüngsten erfolgreichen Auflegung einer fünfjährigen griechischen Anleihe mit einem Volumen von vier Milliarden Euro und einer Verzinsung von unter fünf Prozent ablesen – die Emission war mehrfach überzeichnet.

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Die EZB versucht eine Politik der ruhigen Hand zu verfolgen

Die Eurozone steht nicht mehr am Abgrund, aber das Wirtschaftswachstum kommt nur schleppend in Gang – wir erwarten 1,2 Prozent für 2014. Die Arbeitslosigkeit ist mit 11,9 Prozent noch immer hoch, und die Inflation hält sich hartnäckig unter dem langfristigen Zielwert der EZB von zwei Prozent. Eine zu niedrige Inflationsrate, verbunden mit einem mageren realen Wirtschaftswachstum würde die Aussichten auf eine Stabilisierung der Staatsschulden enorm verschlechtern, vom Schuldenabbau ganz zu schweigen. Die Geschichte zeigt, dass eine hartnäckige Disinflation – und natürlich eine Deflation – äußerst schwierig zu bekämpfen ist, wie wir es in Japan erlebt haben. Gemäß den im März veröffentlichten langfristigen Prognosen der EZB wird die Inflation in der Eurozone im vierten Quartal 2016 ein Niveau von 1,8 Prozent erreichen. Unser hauseigenes Modell ergibt, in etwa im Verlauf der nächsten zwölf Monate, einen Anstieg der Kerninflation von aktuell 0,7 Prozent in Richtung 1,5 Prozent. Wir dürfen dabei jedoch nicht übersehen, dass der starke Euro und weltweite disinflationäre Kräfte, die durch die Wachstumsverlangsamung in China verstärkt werden, zu einem Inflationsrückgang beitragen. Auch braucht es angesichts des hohen Verschuldungsgrades keinen großen externen Schock, um den fragilen Aufschwung in der Eurozone aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Was bedeutet das für die EZB? Entgegen den aktuellen Spekulationen erwarten wir nicht, dass die Notenbank in irgendeiner Weise auf eine unorthodoxe Geldpolitik zurückgreifen wird, solange sich die Wirtschaft nach ihrem Plan entwickelt. Da es jedoch eine ganze Reihe von Faktoren gibt, die das Kernszenario der EZB über den Haufen werfen könnten, müssen die europäischen Währungshüter tatsächlich darauf vorbereitet sein, nötigenfalls doch außerordentliche Maßnahmen zu ergreifen. Jede «quantitative Lockerung» dieser Art müsste neben Staatsanleihen auch den Ankauf von privaten Schulden wie Bankkrediten oder sogenannten Asset-Backed-Securities (ABS)-Anleihen beinhalten, um tatsächlich Wirkung zu entfalten. Der Grund ist, dass in Europa die Banken – anders als in den USA – eine bedeutende Rolle bei der Finanzierung der Wirtschaft spielen. Draghis Versprechen, «alles Notwendige» zu unternehmen, mag momentan ausreichend sein, aber es bedarf eines geeigneten Rahmens, der entschiedenes Handeln – sofern dies notwendig werden sollte – ermöglichen würde.

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Gute Aussichten für Risikoanlagen

Die Spannungen zwischen der Ukraine und Russland sind zwar noch ungelöst, aber die Märkte genießen weltweit weiterhin Unterstützung durch die geldpolitischen Lockerungsmaßnahmen der großen Zentralbanken und durch ordentliche Unternehmensgewinne. Vor diesem Hintergrund bleiben wir vorsichtig optimistisch und behalten unsere moderate «Übergewichtung» von Risikoanlagen bei. Wir haben unser Engagement in auf Lokalwährungen lautende Schwellenländeranleihen erhöht, da sich die in den vergangenen zwölf Monaten verzeichnete deutliche Underperformance dieses Segments unserer Ansicht nach kaum fortsetzen dürfte. Wir sehen eine Verbesserung bei den Leistungsbilanzdefiziten der wichtigsten Schwellenländer zu einem Zeitpunkt, zu dem die Umlaufrendite in diesem Segment bei fast sieben Prozent liegt – ein angemessener Puffer, um eine mögliche Abwertung von Schwellenländerwährungen aufzufangen. Entscheidend ist, dass eine solche Rendite im Vergleich zu den meisten «Fixed Income»-Segmenten ähnlicher Bonität attraktiv ist.

Autor: Christophe Bernard, Chefstratege bei Vontobel

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