Kommentar
11:38 Uhr, 03.03.2015

Negativzinsen: die neuen Rahmenbedingungen für Investoren

In Anlehnung an Carl von Clausewitz, Militärtheoretiker im 19. Jahrhundert, können wir uns fragen, ob Negativzinsen nicht eine bloße Fortsetzung der Geldpolitik mit anderen Mitteln sind. Wird der Schritt der Zentralbanken, Negativzinsen einzuführen, zur Bekämpfung der Deflation beitragen? Oder wird er zur Entstehung von Preisblasen führen? Eines ist jedenfalls sicher: Geld anzulegen ist viel anspruchsvoller geworden.

Zweijährige Staatsanleihen der Schweiz, Dänemarks, Deutschlands, Schwedens, Österreichs, der Niederlande, Frankreichs und Belgiens weisen derzeit eine negative Verfallrendite auf (siehe Grafik 1). Die Europäische Zentralbank (EZB) sowie die Notenbanken in der Schweiz, Schweden und Dänemark haben Negativzinsen auf Einlagen eingeführt. Als Gründe nannten sie die Konjunkturschwäche, die sehr niedrige Teuerung – und im Falle von Dänemark und der Schweiz die Kapitalflucht in «sichere Häfen». Diese Situation ist ein Novum. Sowohl für die Anleger als auch die Sparer bedeutet die «Ausradierung» positiver Nominalrenditen für Barmittel und erstklassige Staatsanleihen eine neue, gewaltige Herausforderung.

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Wir wollen nun die Gründe für diese unkonventionelle Geldpolitik untersuchen. Zentralbanken haben die Aufgabe, zu einem angemessenen Wachstum beizutragen und die Preisstabilität zu bewahren. Zur Erfüllung ihres Auftrags greifen sie dann auf

Negativzinsen zurück, wenn sie mithilfe konventioneller und anderer unkonventioneller Maßnahmen nicht die gewünschte Wirkung erzielen. Zweck der Negativzinsen ist es, die Kreditvergabe zu stimulieren, die Wirtschaftstätigkeit anzukurbeln und die Anleger dazu zu bringen, höhere Risiken einzugehen. Auch soll damit eine Schwächung der Währung und folglich eine Förderung der Exporte erreicht werden.

Wird sich die Wirtschaft für Negativzinsen erwärmen?

Derzeit ist noch unklar, ob es letztlich gelingen wird, die Wirtschaft durch negative Zinsen «aufzutauen». Die ersten Anzeichen sind jedoch erfreulich. So haben sich etwa die Währungen derjenigen Länder, die Negativzinsen auf Einlagen eingeführt haben, ohne Ausnahme abgeschwächt. Das gilt sogar für den Schweizer Franken: Dieser beliebte «sichere Hafen» hat seit dem 22. Januar 2015, als auf Einlagen in Schweizer Franken Negativzinsen (-0,75 Prozent) eingeführt wurden, auf handelsgewichteter Basis nachgegeben. Das Wachstum der Geldmenge M3, einer Kennzahl für die weit gefasste Liquidität, hat sich in der Eurozone auf 4,1 Prozent (gegenüber dem Vorjahr) beschleunigt. Das ist der höchste Wert seit der Finanzkrise (siehe Grafik 2) und entspricht dem Ziel der EZB.

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Die schwierige Suche nach attraktiven Alternativen

Was bedeutet dies für die Anleger? Der Erwerb von Staatsanleihen mit negativen Renditen scheint eine schlechte Idee zu sein – außer man erwartet eine Deflation und eine Depression. In jenem Fall ist beispielsweise das Halten zehnjähriger Schweizer «Eidgenossen», die eine Nullrendite erzielen, durchaus sinnvoll. Welche Alternativen gibt es? Solange eine Rezession ausgeschlossen wird – und das ist unsere derzeitige Sichtweise –, bieten Unternehmensanleihen insbesondere im hochverzinslichen Bereich sowie Schwellenländeranleihen angemessene Renditen. Die Negativzinsen sind bei sonst gleichen Bedingungen auch vorteilhaft für Goldanlagen, denn es fallen keine Opportunitätskosten an. Ebenso sind gegenwärtig Aktien von Unternehmen attraktiv, die einen robusten, nachhaltigen Cashflow aufweisen und eine aktionärsfreundliche Dividendenpolitik verfolgen. Ferner werden Portfoliomanager, die mit ihren Strategien unabhängig vom Marktumfeld absolute Renditen erzielen, von einer starken Anlegernachfrage profitieren. Allerdings werden vorsichtige Anleger die mögliche Bildung von Preisblasen, verursacht durch die Maßnahmen der Zentralbanken, genau beobachten. Sie dürften Zeiten niedriger Volatilität dazu nutzen, sich mithilfe von sogenannten Put-Optionen kostengünstig gegen Abwärtsrisiken zu schützen.

Im Devisenbereich wird der US-Dollar, gestützt durch die besseren Aussichten für die weltweit größte Wirtschaft, seinen Aufwärtstrend wohl fortsetzen. So wie die Dinge jetzt stehen, scheint Amerika das einzige wichtige Industrieland zu sein, für das eine restriktivere Geldpolitik in nächster Zeit angezeigt ist. Möglicherweise fällt auch Großbritannien in dieses Lager.

Noch keine groß angelegte Umschichtung in Aktien

Der entscheidende Faktor für die Portfoliopositionierung sind die Perspektiven für das globale Wirtschaftswachstum und die Inflation. Was die künftige Entwicklung des globalen Bruttoinlandprodukts betrifft, erwarten wir, dass der seit Langem bestehende Trend, die Wachstumserwartungen nach unten zu korrigieren, allmählich endet. Dazu beitragen dürften Aufwärtskorrekturen in der Eurozone und in Japan. Eine solche Stabilisierung ist eine Voraussetzung für eine allfällige Umschichtung von Anleihen in Aktien. Im Hinblick auf die Inflation dominieren nach wie vor die globalen disinflationären Kräfte. Gründe hierfür sind der Arbeitnehmerüberschuss, ein Überangebot im Rohstoffsektor, der Schuldenabbau sowie eine ungünstige demographische Entwicklung. Allerdings werden die Preise die Talsohle irgendwann durchschritten haben. In der Folge werden sich neben der amerikanischen auch andere Zentralbanken allmählich überlegen, die extremen Maßnahmen zur Stimulierung der Wirtschaft zu beenden – Schritte, die auf Anleihen fokussierten Anlegern zumindest vorübergehend Verluste verursachen würden. Doch an diesem Punkt sind wir noch lange nicht angekommen.

Gegenwärtig sind die Aktienbewertungen nicht besonders attraktiv, wobei die Geldpolitik insgesamt sehr unterstützend wirkt. In diesem Umfeld haben wir risikoreiche Anlagen auf «leicht übergewichtet» aufgestockt.

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