Vom Euro hängt jetzt alles ab
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Wer sich derzeit über die weitere Tendenz bei Aktien oder auch beim Gold und auch anderen Rohstoffen Gedanken macht, der muss sich vor der detailierten Einzelanalyse zunächst mal über die weitere Entwicklung des Euros Gedanken machen. Die vergangenen beiden Tage haben deutlich gemacht, dass die generelle Tendenz, der sich nur selten Werte wiedersetzen können, eng mit der Tendenz der Gemeinschaftswährung verbunden ist. Lange Zeit hatte das Gold den fallenden Euro, der sonst Gift für die Goldpreisentwicklung in Dollar ist, getrotzt. Zuletzt und bis gestern Mittag war er sogar bis auf 1.195 US-Dollar pro Feinunze gestiegen, obwohl der Euro immer mehr an Wert verlor. Mit den Aktien war es ähnlich. Diese hatten zwar schon früher zur Korrektur angesetzt, bekamen den richtigen Schlag aber ebenfalls erst als der Euro gestern in Richtung 1,30 Euro und sogar darunter ging. Gold korrigierte heute bei weiteren Verlusten im Euro bis auf 1156 US-Dollar. Es ist damit offenbar, dass bei einem sich fortsetzenden Abwärtstrend des Euro sich Gold und Aktien mit neuen Jahreshöchstkursen schwer tun dürften. Eine Erholung der Gemeinschaftswährung könnte dagegen ein regelrechtes Kursfeuerwerk auslösen. Ich gebe gerne zu, dass ich den Euro nicht habe unter 1,30 fallen sehen, doch das hält mich nicht davon ab, bei der Einschätzung zu bleiben, dass zunächst einmal eine größere Korrektur nach oben anstehen sollte. Sieht man sich den Chart an, so könnten die vergangenen drei Tage mit einem Kurssturz um satte fünf Cents der Beginn des vorläufigen Ausverkaufs sein. Ob er mit dem heutigen Tage schon beendet ist, hängt sicher davon ab, wie sich die Situation in Griechenland entwickelt. Die Proteste heute haben die Verkaufswelle ausgelöst und sie machen deutlich, dass es mit dem Verabschieden der Hilfen für Griechenland noch nicht getan ist. Die Finanzmärkte wollen sehen, dass die Hellenen die Sparmaßnahmen tatsächlich umsetzen werden, woran heute berechtigte Zweifel aufgekommen sind. Es steht in Frage, ob die aktuelle Regierung überleben wird, wenn sie an diesem Kurs festhält. Grundsätzlich bin ich der Ansicht, dass eine solche Deflationspolitik, wie sie jetzt von Griechenland erwartet wird, in einer Demokratie nicht durchsetzbar ist. Da die nächsten Wahlen in Griechenland aber erst im September 2011 stattfinden, ist damit zu rechnen, dass sich die Lage zunächst einmal wieder beruhigen wird. Ein Putsch ist nicht realistisch. Jede Beruhigung könnte aber eine Erholung beim Euro auslösen, die stärker ausfallen könnte, als sich das heute jemand vorstellen kann. Die Stimmung ist mittlerweile rekordverdächtig negativ für den Euro. Das drückt sich auch in der Anzahl der Shortpositionen in Euro-Terminkontrakten an der Chicago Mercantile Exchange (CME) aus. Diese sind nochmals um satte 25 Prozent gestiegen und haben jetzt ein Volumen von zehn Milliarden Euro erreicht, die größte je in einer Währung gemessene Shortposition. Auch kann ich mir nach wie vor nicht vorstellen, dass die USA dem Treiben noch lange tatenlos zusehen wird. Ihre sich gerade verbessernde Handelsbilanz würde darunter erneut leiden. Die Schweiz hat jedenfalls bereits mit massiven Interventionen in den vergangen Tagen verhindert, dass der Euro gegen den Franken weiter verliert, andere Länder könnten hier nachziehen.
Kommt es zu einem plötzlichen Anstieg des Euros, könnten die Aktien sehr schnell wieder nach oben drehen, denn die Faktoren Liquidität bei gleichzeitigem Anlagenotstand aufgrund der Nullzinspolitik sind weiterhin in Kraft. Beim Gold halte ich dann eine Reise in Richtung 1.300 Dollar für durchaus realistisch. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es mit der Feinunze plötzlich sehr schnell nach oben gehen kann. Und eines dürfte bei den Anlegern bleiben, nämlich die generelle Frage: Was wird aus unseren Währungen, egal ob Euro, Dollar oder Pfund. Gold dürfte für die Skeptiker weiterhin der sichere Hafen sein.
Stefan Riße, ist Deutschlandchef und Chefstratege von CMC Markets. Bekannt ist er durch seine jahrelange Tätigkeit als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender N-TV. Sein aktuelles Buch „Die Inflation kommt“, liegt aktuell auf Platz 1 der Handelsblatt-Bestsellerliste.
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