Kommentar
15:19 Uhr, 09.08.2010

USA: Weiterhin kaum Beschäftigungsaufbau, Lohnwachstum und Wochenarbeitszeit hellen das Bild etwas auf

  • Die Anzahl der Beschäftigten ist im Juli um 131.000 Personen gesunken. Die Arbeitslosenquote stagnierte bei 9,5 %. Die durchschnittlichen Stundenlöhne nahmen im Vergleich zum Vormonat unerwartet um 0,2 % zu.
  • Zwar war die zu Ende gegangene Volkszählung in erster Linie für den Beschäftigungsabbau verantwortlich. Ohne diesen Effekt nahm die Anzahl der Beschäftigten aber nur um 12.000 Personen zu. Aufgrund der Abwärtsrevision der Vormonate stagniert die Anzahl der Beschäftigten nun schon drei Monate in Folge.
  • Die Entwicklung der Stundenlöhne und der Wochenarbeitszeit, die beide positive Rückpralleffekte zum Vormonat aufweisen, hellen das Bild von der Entwicklung am Arbeitsmarkt etwas auf.
  • Die Schwäche am Arbeitsmarkt ist sehr ungewöhnlich, weil die Investitionsdynamik der Unternehmen zeitgleich sehr hoch ist.

1. Der Arbeitsmarkt kommt auch zu Beginn der zweiten Jahreshälfte dieses Jahres nicht richtig in Schwung. Der Arbeitsmarktbericht für Juli enttäuschte zwar etwas weniger als im Vormonat, aber von einer spürbaren Aufwärtsbewegung kann weiterhin nicht gesprochen werden. Insgesamt sank die Anzahl der Beschäftigten im Juli um 131.000 Personen deutlicher als erwartet (Bloomberg-Umfrage: -65.000 Personen, DekaBank: -50.000 Personen).

Wie im Vormonat ging der Beschäftigungsabbau in erster Linie auf das Auslaufen von kurzfristig geschaffenen Arbeitsplätzen im Zuge der Volkszählung „Census 2010“ zurück. Hierdurch wurden 143.000 Stellen gekürzt, und weitere rund 200.000 Stellen werden in den kommenden Monaten noch verloren gehen. Der Beschäftigungsaufbau in der Privatwirtschaft stellte mit 71.000 Stellen (Bloomberg-Umfrage und DekaBank: 90.000 Personen) für sich genommen nur eine geringe Enttäuschung dar, allerdings wurden die beiden Vor2
monate um rund 100.000 Stellen nach unten revidiert. Rechnet man aus der gesamten Beschäftigungsentwicklung nur die Effekte durch die Volkszählung heraus, dann hat sich die Anzahl der Beschäftigten in den vergangenen drei Monaten insgesamt noch nicht einmal um 40.000 Personen erhöht. Dies entspricht quasi einer Stagnation am Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote verharrte im Juli unerwartet bei 9,5 % (Bloomberg-Umfrage: 9,6 %, DekaBank: 9,5 %). Wie im Vormonat sank aber nach der zu Grunde liegenden Haushaltsbefragung die Beschäftigung um knapp 160.000 Personen und die Anzahl der Erwerbspersonen um 180.000 Personen. Dies zeugt ebenfalls nicht von einer Belebung am Arbeitsmarkt.

2. Der Arbeitsmarktbericht bietet zumindest hinsichtlich der Lohnentwicklung der Wochenarbeitszeit Erfreuliches. Im Juli stiegen die durchschnittlichen Stundenlöhne aller Beschäftigten um 0,2 % an (Bloomberg-Umfrage: 0,1 %, DekaBank: 0,2 %), und der Vormonat wurde zu einer Stagnation nach oben revidiert. Die Jahresrate war mit 1,8 % auf Vormonatsniveau. Die Wochenarbeitszeit stieg auf das Mai Niveau zurück, sodass auch hier ein positiver Rückpralleffekt vorgelegen hat. Diese Werte beziehen sich auf die Lohnstatistik
aller Angestellten und Arbeiter. Diese Lohnstatistik wird erst seit kurzem veröffentlicht. Für die ältere Lohnstatistik, die Arbeiter und Angestellten mit Weisungsbefugnis nicht berücksichtigt, wurde ein monatlicher Anstieg von 0,1 % ausgewiesen sowie eine Jahresveränderungsrate von 2,3 %. Insgesamt deuten diese Zahlen zumindest auf einen Anstieg der Löhne und Gehälter bzw. der persönlichen Einkommen der privaten Haushalte hin. Von einer sich belebenden Einkommensentwicklung kann aber auch hier nicht gesprochen werden.

3. Die über drei Monate nun schon stagnierende Beschäftigungsentwicklung (ohne Volkszählung) wäre schon Grund genug für Trübsal. Speziell im Juli kommt aber noch ein kleiner Sondereffekt hinzu, der die Beschäftigungsentwicklung nach oben verzerrt hat. Normalerweise wird der Juli von der Automobilindustrie zum Modellwechsel genutzt, und die Bänder stehen dann still. Diese zeitlich befristeten Werksschließungen führen zu kurzfristigen Entlassungen. In diesem Jahr blieben diese Werksschließungen aus, bzw. wurden im geringeren Maße durchgeführt. Durch die übliche Saisonbereinigung sind hierdurch rund 20.000 Stellen „geschaffen“ worden. Sieht man von diesem Effekt ab, dann ist in fast allen Bereichen die Beschäftigungsentwicklung eher enttäuschend. Zumindest im Baugewerbe scheint die Entlassungswelle der vergangenen Monate abzuebben. Dagegen sind im Finanz- und Versicherungsgewerbe netto wieder mehr Stellen gestrichen worden als in den Vormonaten.

4. Die Schwäche am Arbeitsmarkt ist sehr ungewöhnlich, weil die Investitionsdynamik der Unternehmen zeitgleich sehr hoch ist. Normalerweise entwickeln sich nämlich die Investitionen der Unternehmen und der Arbeitsmarkt weitgehend parallel (siehe Anhang). Die Kluft zwischen beiden Entwicklungen war noch nie so hoch wie in diesem Aufschwung. Der Anstieg der Ausrüstungsinvestitionen in den ersten vier Aufschwungsquartalen
von über 15 % hätte eigentlich zu einem Beschäftigungsniveau führen müssen, das im
Durchschnitt des zweiten Quartals rund 6,5 Millionen Stellen höher gelegen hätte. Rechnet man den entsprechenden Anstieg der realen Löhne und Gehälter in einen Zuwachs der Konsumausgaben um, dann hätte das Bruttoinlandsprodukt in den ersten vier Quartalen nicht um 3,2 % sondern um 6,5 % ansteigen müssen. Umgekehrt würde zu der bisherigen Beschäftigungsentwicklung eher eine schrumpfende Investitionsdynamik passen. Der Rückgang der Investitionen wäre mit knapp 5 % über die vergangenen vier Quartale dann durchaus deutlich gewesen. Die unterschiedlichen Entwicklungen von Arbeitsmarkt und Investitionstätigkeit sind Anzeichen dafür, dass die sonst funktionierenden zyklischen Zusammenhänge erheblich gestört sein müssen. Von einem stabilen Konjunkturaufschwung kann somit weiterhin nicht gesprochen werden.

Rudolf Besch - Analyst bei der Deka Bank

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