Kommentar
17:07 Uhr, 03.09.2010

USA: Was ist mit dem Konjunkturzyklus der US-Wirtschaft los?

  • Die Investitionsdynamik der US-Unternehmen ist im bisherigen Konjunkturaufschwung weitüberdurchschnittlich gewesen. Der Arbeitsmarkt hat hiervon aber nicht wie gewohnt profitiert. Die Folge ist, dass der Aufschwung nach vier Quartalen weiterhin fragil ist.
  • Der Unterschied der Wachstumsgeschwindigkeiten von Unternehmensinvestitionen und Arbeitsmarkt ist historisch hoch. Die Gründe hierfür sind vielfältig und betreffen sowohl das Arbeitsangebot als auch die Arbeitsnachfrage.
  • Von Seiten des Arbeitsangebots sind wohl die Nachwehen der Immobilienkrise und die Alterung der Gesellschaft im Zusammenhang mit regionalen Wachstumsdivergenzen die größte Belastung. Der Verlust an Humankapital kommt erschwerend hinzu.
  • Dagegen scheint bei der Arbeitsnachfrage die Unternehmensgröße im Zusammenwirken mit der Investitionstätigkeit eine entscheidende Rolle zu spielen. In der Vergangenheit sorgten in erster Linie kleine und mittlere Unternehmen für den Beschäftigungsaufbau. Die kleinen Unternehmen investieren derzeit, aufgrund der noch virulenten Bankenkrise, nicht ausreichend und schaffen damit keine zusätzlichen Arbeitsplätze. Die großen Unternehmen haben andere Finanzierungsmöglichkeiten und können daher investieren. Diese Investitionen führen aber bislang zu keinem spürbaren Beschäftigungsaufbau.
  • Die allgemeinen Finanzierungsbedingungen verbessern sich, und auch die Gewinnentwicklung der kleinen Unternehmen ist aufwärtsgerichtet. Der Konjunkturaufschwung ist somit zwar noch fragil. Die strukturellen Verbesserungen dürften sich aber zukünftig in einer höheren wirtschaftlichen Aktivität niederschlagen.

Investitionsdynamik stark –Arbeitsmarkt schwach?
Der bisherige Konjunkturaufschwung in den USA war bis einschließlich dem ersten Quartal 2010 relativ normal: Noch während der Rezession stiegen die Gewinne der Unternehmen stark an. Mit dem Ende der Rezession Mitte des Jahres 2009 (dieses wurde vom National Bureau of Economic Research offiziell noch nicht festgelegt) nahmen die Ausrüstungsinvestitionen der Unternehmen zu. Spätestens seit dem vierten Quartal 2009 ist hier eine sehr kräftige Entwicklung zu erkennen. Insgesamt stiegen die Ausrüstungsinvestitionen in den ersten vier Aufschwungsquartalen um starke 16 % an.

Normalerweise hätte zeitgleich mit der gestiegenen Investitionstätigkeit der Unternehmen deren Arbeitsnachfrage ebenfalls stark ansteigen und in einen gleichfalls kräftigen Beschäftigungsaufbau münden müssen. Dieser kräftige Beschäftigungsaufbau lässt sich aber, wenn man von einzelnen Monaten absieht, nicht feststellen. Die Folgen sind deutlich zu sehen: Die Schwäche am Arbeitsmarkt führte zu einer geringen gesamtwirtschaftlichen Lohn- und Gehaltsdynamik sowie einer schwachen Einkommensentwicklung der privaten Haushalte. Die Einkommensentwicklung ist aber der mit Abstand wichtigste Einflussfaktor für die Konsumdynamik der privaten Haushalte.

Der geringe Zuwachs der Einkommen

Einkommen war somit der Hauptgrund für die enttäuschende Konsumentwicklung in den bisherigen Aufschwungquartalen. Der normalerweise hervorragend funktionierende zyklische Ablauf: „Gewinnwachstum steigende Investitionen Expansion am Arbeitsmarkt Lohn und Gehaltswachstum Einkommenszuwächse privater Konsum“ scheint im bisherigen Aufschwung an einer Stelle empfindlich gestört zu sein. Die Gründe hierfür sind vermutlich vielfältig, struktureller Natur und damit schwer zu quantifizieren. Je nach Ausmaß können die strukturellen Probleme Auswirkungen für die kurzfristigen wie auch für die langfristigen Wachstumsperspektiven der Volkswirtschaft haben.

Ausmaß der unterschiedlichen Wachstumsgeschwindigkeiten

Nach bisherigem Kenntnisstand fand der erste Beschäftigungsaufbau in diesem noch jungen Aufschwung im November 2009 statt. Darauf folgte ein weiterer Rückgang im Dezember, der zum Beschäftigungstiefstand führte. Bis einschließlich April dieses Jahres nahm dann die Beschäftigungsentwicklung beständig zu und erreichte mit knapp 250.000 Personen den bislang höchsten monatlichen Zuwachs.1 Es folgten drei Monate, in denen in Summe ein Beschäftigungsaufbau von nicht einmal 40.000 Personen stattfand. Insgesamt sank die Anzahl der Beschäftigten seit Juli 2009, dem von uns angenommenen Rezessionsende, um rund eine Million. Gemessen an der kräftigen Investitionsdynamik der Unternehmen hätte aber ein Beschäftigungsaufbau von gut 5,5 Millionen stattfinden müssen. Auf Monatsbasis entspräche dies monatlichen Anstiegen der Beschäftigtenzahl von 400.000 bis 500.000 Personen. Somit war also selbst der stärkste Beschäftigungsmonat eine Enttäuschung. Grafisch werden die unterschiedlichen Entwicklungen von Beschäftigung und Investitionstätigkeit am deutlichsten, wenn man die Jahresveränderungsraten standardisiert und anschließend deren Differenz nimmt. Das Ausmaß der unterschiedlichen Entwicklungen ist in der Nachkriegsgeschichte einmalig: Noch nie klafften Investitions- und Arbeitsmarktentwicklung so weit auseinander wie aktuell.

Wachstumsdivergenzen zu groß für spätere Revisionen

Mitunter wird auf die große Revisionsanfälligkeit der Beschäftigungsstatistik in den USA hingewiesen, bei der sich nach Revisionen die Entwicklungen ganz anders darstellen.4Die Wahrscheinlichkeit für eine spätere starke Aufwärtsrevision der aktuellen Beschäftigungsentwicklung ist aus verschiedenen Gründen allerdings relativ gering: So wird die monatliche Beschäftigungsentwicklung (Payrolls) vom BLS durch eine Unternehmensumfrage erhoben. Daneben gibt es mit dem ADPReport, der zwei Tage früher von einem Unternehmensdienstleister veröffentlicht wird, und der Haushaltsbefragung, die zur Berechnung der Arbeitslosenquote dient, zwei weitere Beschäftigungsstatistiken. Die jeweiligen Beschäftigungsentwicklungen unterscheiden sich zwar durchaus voneinander. Im Vergleich zur Investitionsdynamik sind diese Unterschiede aber vernachlässigbar. Alle drei Statistiken zeigen, dass die Beschäftigungsentwicklung deutlich schwächer als die Investitionsdynamik der Unternehmen ist.

Die möglichen Gründe für das Auseinanderklaffen von Investitionsdynamik und Beschäftigungsentwicklung können in zwei Bereiche unterteilt werden:

  • Die Arbeitsnachfrage der Unternehmen ist eigentlich hoch. Das Arbeitsangebot stellt aber einen limitierenden Faktor dar, sodass die Unternehmen nicht hinreichend einstellen können. Die Unternehmen suchen demnach händeringend nach Arbeitskräften und finden diese nicht.
  • Die Arbeitsnachfrage hat trotz hoher Investitionstätigkeit der Unternehmen nicht entscheidend zugenommen.

Warum ist das Arbeitsangebot limitiert?

Angesichts einer im historischen Vergleich hohen Arbeitslosenquote dürfte eigentlich das Arbeitsangebot für Unternehmen hinreichend hoch sein. Dennoch gibt es Gründe, die für ein limitiertes Arbeitsangebot sprechen. Diese Gründe bedeuten, dass das Arbeitsangebot an Flexibilität verloren hat.

Regionale Wachstumsdivergenzen: Die Nachwehen der Immobilienkrise …

Seit kurzem veröffentlicht die Federal Reserve Bank of Philadelphia ein Datenset von Frühindikatoren für 50 Bundesstaaten. Anhand dieser nun verfügbaren Frühindikatoren lassen sich regional unterschiedliche Entwicklungen für den aktuellen Aufschwung erkennen. Die regionalen Frühindikatoren deuten an, dass mehrere Bundesstaaten extrem stark wachsen (bspw. New Hampshire, Michigan, Kentucky), während sich zeitgleich andere Bundesstaaten noch am Rande einer Rezession befinden (Montana, Nevada, Colorado). Die hieran erkennbaren Unterschiede der konjunkturellen Entwicklungen der einzelnen Bundesstaaten sind für den Beginn eines Aufschwungs ungewöhnlich hoch.

Für das Arbeitsangebot bedeuten diese unterschiedlichen Entwicklungen zunächst noch keine Einschränkung: Die US-Amerikaner galten in der Vergangenheit als flexibel, und häufige Wohn- bzw. Arbeitsplatzwechsel wurden akzeptiert. Die Hürden, seinen Wohnort aufgrund unterschiedlicher regionaler Entwicklungen der Arbeitsnachfrage zu wechseln, waren eher gering. Diese Hürden könnten im aktuellen Aufschwung höher als sonst üblich sein und damit die Flexibilität des Arbeitsangebots entscheidend einschränken. Ein wichtiger Einflussfaktor könnten hierbei die stark gesunkenen Immobilienpreise sein. Denn im Falle eines Ortswechsels wird der allgemeine Rückgang der Immobilienpreise faktisch realisiert. Solange keine Neubewertung einer Immobilie ansteht, sind die Preisrückgänge ansonsten nämlich nicht relevant. Ist die Immobilien noch mit einer Hypothek belegt, dann kann sich ein eventueller Ortswechsel als gravierender Nachteil erweisen.

… und die Alterung der Gesellschaft belasten das Arbeitsangebot

Die geringere Bereitschaft, seinen Wohnort für einen Arbeitsplatz zu wechseln, könnte auch mit der Alterung der Gesellschaft zu tun haben. Hierbei wird unterstellt, dass ältere Arbeitnehmer tendenziell weniger bereit sind ihren Wohnort zu verlassen, weil sie beispielsweise ihr jahrelang aufgebautes soziales Umfeld nicht verlassen möchten. Tatsächlich ist die Altersstruktur der Arbeitslosen derzeit sehr ungewöhnlich. Im Vergleich zu früheren ähnlich ausgeprägten Rezessionen wie Mitte der Siebzigerjahre bzw. Anfang der Achtzigerjahre sind die Arbeitslosenquoten der 16- bis 19-Jährigen bzw. der 20- bis 24-Jährigen ungewöhnlich niedrig. Auf Rekordniveau sind dagegen die Arbeitslosenquoten der über 54- Jährigen in der vergangenen Rezession angestiegen. Erkennbar sind diese Entwicklungen auch am Anteil der Arbeitslosen, die über 54 Jahre alt sind. Mit rund 15 % liegt hier ein einsamer Rekordwert vor. Hier wird die Alterung der Gesellschaft deutlich. Anders als beispielsweise noch im letzten Aufschwung hat diese Alterung nun ein Ausmaß erreicht, das zu einer spürbaren Belastung des Arbeitsangebots führt.

Der Verlust an Humankapital kommt erschwerend hinzu

Eine geringere Flexibilität am Arbeitsmarkt kann neben der mangelnden räumlichen Flexibilität auch durch den Verlust an Humankapital im Zusammenhang mit der Krise entstanden sein. Ein überdurchschnittlicher Verlust an Humankapital einer Gesellschaft in einer Rezession bedeutet, dass relativ viele Arbeitslose während des sich anschließenden Aufschwungs gezwungen sind, bei einer Neueinstellung neues Humankapital aufzubauen.
Beispielsweise dürfte dies für viele Kreditmanager im Bereich von Hypotheken zutreffen. Die Höhe des Humankapitals einer Gesellschaft lässt sich numerisch nicht direkt bestimmen. Unterstellt man, dass es einen Zusammenhang zwischen der Höhe der Bruttowertschöpfung einer Branche und dem eingesetzten Humankapital gibt, dann kann man den gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungsabbau während einer Rezession nach den einzelnen Branchen zerlegen und diese mit den jeweiligen Gewichten nach der Bruttowertschöpfung versehen. Überwiegt dieser neu gewichtete Beschäftigungsabbau den tatsächlichen (mit dem Arbeitsmarkt gewichteten) Abbau, dann deutet sich ein erhöhter Verlust an Humankapital in einer Rezession an. Beispielsweise gingen im Bereich der Informationsdienste (Medien) zwischen dem vierten Quartal 2007 und dem zweiten Quartal 2009 gut 200.000 Stellen verloren. Gemessen an der Gesamtbeschäftigung sind hier ca. 2 % beschäftigt. Der Anteil der Bruttowertschöpfung liegt mit gut 4 % aber doppelt so hoch, sodass im Bereich der Informationsdienste ein erhöhter Verlust an Humankapital stattgefunden hat.

Der hiernach approximativ gerechnete Verlust an Humankapital für die Gesamtwirtschaft ist in der vergangenen Rezession zwar nicht einmalig hoch gewesen. Beispielsweise war hieran gemessen die 2001er Rezession einschneidender. Im Zusammenspiel mit den regionalen Wachstumsdivergenzen und der fortgeschrittenen Alterung der Gesellschaft könnte das Arbeitsangebot durch den zusätzlichen Verlust an Humankapital entscheidend an Flexibilität verloren haben.

Kann das Arbeitsangebot der limitierende Faktor bei flexibler Lohnentwicklung sein?

Angenommen, das Arbeitsangebot ist limitiert, dann müssten im Falle einer starken Entwicklung der Arbeitsnachfrage und einer flexiblen Preisgestaltung auf dem Arbeitsmarkt die Löhne der bereits Beschäftigten kräftig steigen. Die realen durchschnittlichen Wochenlöhne, die zusammen mit dem Arbeitsmarktbericht veröffentlicht werden, sind zwar im bisherigen Aufschwungszeitraum stärker als üblich angestiegen. Die Unterschiede sind
aber vernachlässigbar. Von einem Lohndruck kann hier sicherlich nicht gesprochen werden. Zudem müsste man erwarten, dass eine Vielzahl an Unternehmen über einen Arbeitskräftemangel berichtet. Die anekdotische Evidenz beispielsweise anhand des monatlich veröffentlichten Beige Book kann dies aber nicht bestätigen.

Die Entwicklung der Arbeitsnachfrage lässt sich approximativ durch den Help Wanted OnLine (HWOL) darstellen, der die Anzahl der von Unternehmen über Internetseiten nachgefragten Stellen umfasst. Die Relation aus der Anzahl der zurzeit Arbeitslosen zu dieser approximativen Arbeitsnachfrage ist zwar in den vergangenen Monaten deutlich rückläufig gewesen, weil die Arbeitsnachfrage zugenommen hat. Von einer gesamtwirtschaftlich starken Arbeitsnachfrage bei gleichzeitig schwachem Arbeitsangebot kann derzeit aber wohl nicht gesprochen werden.

Das Zwischenfazit ist somit, dass es Gründe gibt, weshalb das Arbeitsangebot limitiert ist. Diese Gründe sind teilweise als Nachwehen der Immobilienkrise und der dann folgenden Rezession zu sehen. Aufgrund der flexiblen Preisgestaltung am Arbeitsmarkt und der aus der Lohnentwicklung zu ziehenden Schlüsse scheint das limitierte Arbeitsangebot aber eher eine zusätzlich belastende Begleiterscheinung zu sein. Diese Begleiterscheinung mag zu einem späteren Zeitpunkt des Konjunkturaufschwungs an Bedeutung gewinnen, wenn die Arbeitsnachfrage hinreichend stark gewachsen ist. Aktuell ist dieser Belastungsfaktor aber nicht entscheidend für die enttäuschende Beschäftigungsentwicklung.

Warum ist die Arbeitsnachfrage der Unternehmen so schwach?

Eine starke Investitionsdynamik zusammen mit einer schwachen Entwicklung am Arbeitsmarkt ließe sich am einfachsten mit einem kapitalintensiven Investitionsaufschwung erklären: Demnach investieren die Unternehmen zwar – sie benötigen für diese Investitionen aber keine zusätzlichen Arbeitskräfte.

Kleine Unternehmen und große Unternehmen unterscheiden sich in ihrem Investitionsverhalten, …

Seit längerem beschäftigt sich die US-Zentralbank mit der Frage, ob die Unternehmen je nach ihrer Größe unterschiedlich von dem Aufschwung profitieren. Die Befürchtung
ist, dass die kleineren Unternehmen, die maßgeblich für den Aufbau an Beschäftigung verantwortlich sind, derzeit noch nicht am Aufschwung teilhaben. Tatsächlich zeigt der ADP-Report, der eine Aufschlüsselung der Beschäftigungsentwicklung nach Unternehmensgröße ermöglicht, dass große Unternehmen weder im vergangenen noch im aktuellen Aufschwung nennenswert neue Stellen aufgebaut haben. Die Beschäftigungsdynamik der kleinen und der mittleren Unternehmen ist im Vergleich zum vergangenen Aufschwung sehr schwach. Seit Februar dieses Jahres wurde hier insgesamt nicht einmal 200.000 Stellen geschaffen während nach dem Erreichen des Beschäftigungstiefpunkts Mitte 2003 in den ersten sieben Monaten ein Stellenaufbau von über 750.000 Personen erreicht wurde.

Es ist also durchaus möglich, dass die starke Investitionsdynamik auf große Unternehmen zurückzuführen ist, die für sich genommen ein übliches Einstellungsverhalten zeigen. Seit März dieses Jahres wurden in diesem Segment knapp 5.000 Stellen pro Monat geschaffen, was der durchschnittlichen Entwicklung des vergangenen Aufschwungs entspricht. Die kleinen und mittleren Unternehmen investieren dagegen noch nicht umfangreich und stellen daher auch kaum neu ein.

… weil die Fremdfinanzierungsmöglichkeiten von der Unternehmensgröße abhängen …

Die Möglichkeiten der Unternehmen zur Fremdfinanzierung von Investitionen unterscheiden sich nach deren Größe. So haben größere Unternehmen die Möglichkeit, Fremdkapital sowohl über den Markt von Unternehmensanleihen als auch über Bankkredite zu beschaffen. Kleinere Unternehmen sind dagegen auf den Bereich der Bankkredite beschränkt.

Die Bankenkrise hat auch die kleineren oftmals regional tätigen Banken erreicht. Deren Finanzierungsprobleme zeigen sich anhand der immer noch steigenden Anzahl an Bankenpleiten. Seit Anfang 2008 sind inzwischen 289 Banken insolvent geworden. Fast ausschließlich handelt es sich hierbei um kleinere Banken. Unterstellt man, dass kleinere Banken in der Regel Kredite an kleinere Unternehmen vergeben, dann lassen sich aus den Entwicklungen der Kreditvolumina Schlüsse auf die Investitionstätigkeit ziehen.

Mit der Insolvenz von Lehman Brothers im Herbst 2008 verringerten sich die Volumina für Unternehmenskredite der Banken sehr deutlich. Hierbei ging die Kreditvergabe der größeren Banken sogar noch stärker zurück als die der kleineren Banken. Somit hätte die Belastung der größeren Unternehmen sogar größer als für die kleineren Unternehmen ausfallen können. Die großen Unternehmen haben im Vergleich zu den kleinen Unternehmen aber den Vorteil, dass sie auch über die Emission von Anleihen Fremdkapital beschaffen können. Diese im bisherigen Aufschwung stark genutzte Ausweichmöglichkeit könnte der entscheidende Grund dafür sein, dass die Bankenkrise für die großen Unternehmen keine wesentliche Hemmnis für ihre Investitionstätigkeit darstellte.


… und das Gewinnwachstum der kleinen Unternehmen zu schwach ist

Ein weiteres Indiz hierfür ist die unterschiedliche Gewinnentwicklung der Unternehmen. Bereits im vierten Quartal 2008, also noch während der Rezession, hatten die Kapitalgesellschaften den Tiefpunkt bei ihren Gewinnen erreicht. In den folgenden sechs Quartalen stiegen die Unternehmensgewinne der Kapitalgesellschaften um knapp 65 % an. Dies ist im historischen Vergleich ein außerordentlicher Gewinnsprung zu Beginn eines Aufschwungs gewesen. Ganz anders sieht die Situation bei den Personengesellschaften, die tendenziell kleiner als die Kapitalgesellschaften sind, aus. Nach dem Tiefpunkt im zweiten Quartal 2009 stiegen hier die Gewinne nur um knapp
5 %. Abgesehen von der schwachen Entwicklung nach der Rezession 2001 stellt dieser Zuwachs den geringsten aller Konjunkturaufschwünge dar. Die unterschiedlichen Entwicklungen führten dazu, dass der Anteil der Gewinne von den Personengesellschaften mit nicht einmal 40% auf ein Rekordtief gefallen ist.


Fazit und Ausblick

Das Auseinanderklaffen von der unbefriedigenden Beschäftigungsentwicklung und der kräftigen Investitionstätigkeit lässt sich auf verschiedene Ursachen zurückführen: Das Arbeitsangebot hat vermutlich an Flexibilität verloren, sodass nicht jede von den Unternehmen neu geschaffene Stelle zeitnah besetzt werden kann. Hinzu kommt, dass die kleinen Unternehmen die Belastung der Bankenkrise noch so stark spüren, dass sie bislang nicht wesentlich zur wirtschaftlichen Aktivität betragen können. Die zu beobachtende starke Investitionsdynamik geht also vermutlich in erster Linie auf die großen Unternehmen zurück, die aber keinen hinreichenden Beschäftigungsaufbau initiieren.

Inwieweit das Arbeitsangebot einen limitierenden Faktor darstellt, lässt sich kaum quantifizieren. Dennoch erscheint es eher unwahrscheinlich, dass die Unternehmen Millionen an freien Arbeitsplätzen haben und diese nicht besetzen können. Somit ist für die weitere wirtschaftliche Entwicklung eine Verbesserung des Bankensystems und damit der Situation für die kleinen Unternehmen ein notwendiger Schlüssel zum Erfolg. Neben der zu schwachen Kreditvergabe der Banken lässt bislang auch die Ertragsentwicklung der zumeist kleinen Personengesellschaften zu wünschen übrig.

In beiden Bereichen machen sich aber Verbesserungen bemerkbar. Zwar ist die Bankenpleitenwelle immer noch sehr hoch. Dennoch hat die Kreditvergabe der kleinen Banken Ende April dieses Jahres ihren Tiefpunkt durchschritten. Und auch bei der Gewinnentwicklung der Personengesellschaften hat im vergangenen zweiten Quartal mit einem Zuwachs um 1,8 % gegenüber dem Vorquartal der bisher stärkste Anstieg in diesem Aufschwung vorgelegen. Zudem ist die Kreditkrise bei den großen und mittleren Banken ausgestanden. Zumindest lässt die letzte Bankenumfrage der US-Zentralbank (SLOOS) diesen Schluss zu. Es zeichnen sich also schon strukturelle Verbesserungen in entscheidenden Bereichen der Volkswirtschaft ab.

Für die weitere wirtschaftliche Entwicklung bedeutet dies, dass der eigentliche auch von den kleinen und mittleren Unternehmen getragene Aufschwung erst jetzt langsam beginnt. Ungeachtet der kurzfristig zu erwartenden Wachstumsverlangsamung im zweiten Halbjahr 2010 sind die Wachstumsperspektiven für die USWirtschaft daher durchaus nach oben gerichtet. Entscheidend hierfür ist aber, dass sich die strukturellen Verbesserungen im Bankensystem und damit bei den Finanzierungsmöglichkeiten der kleinen Unternehmen weiter verbessern. Ein Stillstand oder sogar Rückschläge würden die positiven Wachstumsperspektiven auf einen dann späteren Zeitraum verschieben. An der grundsätzlichen Motivation der kleinen und mittleren Unternehmen ihre Investitionstätigkeit zu erhöhen, gibt es nur wenig Zweifel:

  • Hoher Wettbewerb in den USA: Dieser zwingt die Unternehmen, stets neue innovative Wege zu gehen. Dieser Zwang ist in aller Regel mit einer zunehmenden Investitionstätigkeit verbunden.
  • Großer Nachholbedarf der kleineren Unternehmen: Nach einer Rezession stellen Unternehmen häufig fest, dass sie während einer Rezession viel zu wenig investiert haben. Im Vergleich zur potenziellen Nachfrage auf ihren jeweiligen Märkten haben sie beispielsweise einen zu kleinen Maschinenpark und müssen diesen nun ausweiten. Dies dürfte auch das Hauptargument für die kräftige Investitionstätigkeit der großen Unternehmen gewesen sein.
  • Neugründungen von Firmen: Rezessionen bedeuten häufig, dass sich Änderungen im Nachfrageverhalten der Kunden beschleunigen. Beispielsweise dürfte die Nachfrage nach Möbeln zukünftig eher schwach sein. Auf diese Veränderungen der Nachfrage reagieren Unternehmen, und bisweilen entstehen hierdurch neue Unternehmen mit entsprechendem Investitionsbedarf.

Der Konjunkturaufschwung ist aufgrund der notwendigen Bewältigung von strukturellen Problemen sowie der bislang noch schwachen Aktivität der kleinen und mittleren Unternehmen noch immer als fragil zu bezeichnen. Angesichts des Ausmaßes der Finanzmarktkrise wäre es andererseits aber verwunderlich, wenn schon heute alle volkswirtschaftlichen Probleme behoben wären. Insofern ist die Hoffnung auf die Fortdauer des Aufschwungs aus unserer Sicht berechtigt.

Rudolf Besch - Analyst bei der Deka Bank

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