USA: Starker Lagereinbruch belastet wirtschaftliche Aktivität im Schlussquartal 2010
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
- Das Bruttoinlandsprodukt ist im vierten Quartal 2010 nach vorläufigen Angaben um 3,2 % (qoq, ann.) gestiegen. Im Gesamtjahr 2010 legte das Bruttoinlandsprodukt um 2,9 % zu.
- Etwas stärker als erwartet stiegen die Konsumausgaben der privaten Haushalte. Die Investitionsdynamik der Unternehmen konnte im vierten Quartal nicht an die starke Entwicklung in den Vorquartalen anknüpfen. Beunruhigend ist dies allerdings nicht.
- Die Lagerinvestitionen stellten mit einem Wachstumsbeitrag von -3,7 Prozentpunkten einen erheblichen Bremsfaktor dar. Dieser wurde durch einen fast ebenso hohen positiven Wachstumsbeitrag vom Außenhandel ausgeglichen.
- Wir erwarten nach den heutigen Zahlen weiterhin ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um 3,1 % in diesem sowie um 3,2 % im kommenden Jahr.
1. Die US-Wirtschaft gewinnt leicht an Dynamik. Nach 1,7 % im zweiten Quartal und 2,6 % im dritten Quartal nahm im Schlussquartal von 2010 das Bruttoinlandsprodukt um 3,2 % gegenüber dem Vorquartal auf das Gesamtjahr hochgerechnet fast erwartungsgemäß zu (Bloomberg-Median: 3,5 %; DekaBank: 3,7 %). Für das Gesamtjahr 2010 ergibt sich hierdurch ein Anstieg des Bruttoinlandsprodukts gegenüber dem Vorjahr um 2,9 %.
Die Zusammensetzung des Bruttoinlandsprodukts im vierten Quartal bot durchaus Überraschungen:
2. Aufgrund von monatlichen Daten war im Vorfeld schon bekannt, dass der private Konsum ein kräftiges Plus aufweisen würde. Der hohe Zuwachs um 4,4 % (ann.), der stärkste Quartalsanstieg seit dem ersten Quartal 2006, übertraf sogar noch die Erwartungen (Bloomberg-Umfrage: 4,0 %). Hierzu beigetragen haben eine gute Einkommensentwicklung sowie eine gesunkene Sparquote. Die privaten Einkommen nahmen in nominaler Rechnung um 4,1 % gegenüber dem Vorquartal (ann.) zu. Zwar war hierfür auch das Lohn- und Gehaltswachstum verantwortlich. Dies fiel aber mit 3,6 % nicht besonders spektakulär aus. Sehr deutlich nahmen die Unternehmereinkommen gegenüber dem Vorquartal zu (9,3 %, ann.). Dies dürfte ein Indiz dafür sein, dass sich die Ertragslage der meist kleineren Personengesellschaften verbessert hat. Da diese Unternehmen entscheidend für die gesamtwirtschaftliche Beschäftigungsentwicklung sind, ist diese Entwicklung erfreulich. Die Sparquote sank im vierten Quartal von 5,9 % auf 5,4 %. Wir gehen nicht davon aus, dass es sich hierbei um einen neuen Trend zu noch niedrigeren Sparquoten handelt. Dennoch wäre die Konsumdynamik im vierten Quartal ohne diesen Rückgang weit schwächer gewesen.
3. Die Situation der Staatsfinanzen stellt zunehmend ein makroökonomisches Problem dar, zu dem wir in dieser Woche auch eine Analyse veröffentlicht haben (siehe Volkswirtschaft Spezial vom 25.01.11: "Staatsverschuldung der USA anhand der CBO-Projektionen verstehen: Konsolidierung über die Einnahmenseite tut Not"). Die Staatsaktivität spielte dagegen im vierten Quartal 2010 nur eine untergeordnete Rolle. Die Staatsausgaben nahmen gegenüber dem Vorquartal geringfügig ab. Hintergrund ist ein negativer Rückpralleffekt im Bereich Verteidigung sowie die klamme Haushaltslage der Bundesstaaten. Auch hier sanken die Ausgaben gegenüber dem Vorquartal.
4. Gemessen an der Investitionstätigkeit der Unternehmen ist der Aufschwung schon durchaus weit fortgeschritten. Seit Beginn des Aufschwungs nahmen die Ausrüstungsinvestitionen um über 20 % zu, und die durchschnittliche Wachstumsrate lag bislang bei knapp 16 %. An dieser Erfolgsgeschichte konnte das vierte Quartal 2010 nicht ganz anknüpfen. Die Ausrüstungsinvestitionen stiegen im Schlussquartal 2010 nur um knapp 6 % an (qoq, ann.) und überboten damit nur das erste und bislang schwächste Aufschwungsquartal (3 Quartal 2009). Die schwächere Investitionsdynamik der Unternehmen ist zu diesem Zeitpunkt des Aufschwungs wenig dramatisch. Der Aufholprozess ist hier schon deutlich weiter fortgeschritten als beispielsweise am Arbeitsmarkt. Wir gehen davon aus, dass in den kommenden Quartalen eine höhere wenn auch nicht ganz so dynamische Investitionstätigkeit wie in den ersten Quartalen des Aufschwungs statt finden wird. Recht wenig haben die Gewerbebau- und die Wohnungsbauinvestitionen zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung beitragen können. Immerhin ist es fünf Jahre her, dass in beiden Bereichen gleichzeitig die Aktivität in einem Quartal zugenommen hat.
5. Ein echter Hingucker sind die Lagerinvestitionen. Hier lag aus unserer Sicht im Vorfeld die größte Prognoseunsicherheit vor, weil es sowohl Hinweise für eine mäßige als auch für eine kräftige Lageraktivität gegeben hat. Trotz dieser Unsicherheit ist die Überraschung über die Entwicklung der Lagerinvestitionen groß: Wurden im dritten Quartal noch 121,4 Mrd. US-Dollar (ann.) in Lagerbestände investiert, sanken diese Investitionen im vierten Quartal auf rund 7 Mrd. US-Dollar. Der Wachstumsbeitrag zum Bruttoinlandsprodukt entspricht der Differenz dieser Werte und stellte mit -3,7 Prozentpunkten eine deutliche Belastung dar. Eine "übli3 che" Lageraktivität dürfte im Bereich von 50 Mrd. US-Dollar liegen, sodass sich hieraus zukünftige positive Wachstumsbeiträge von ca. 1,3 Prozentpunkten ergeben.
6. Der Außenhandel stellte in beiden Quartalen zuvor eine deutliche Wachstumsbremse dar. Insbesondere die Importdynamik war im Sommerhalbjahr 2010 unerklärlich kräftig gewesen. Im vierten Quartal folgte nun der Rückpralleffekt. Stärker als von uns erwartet sanken die Importe sehr kräftig gegenüber dem Vorquartal. Zusammen mit der erneuten globalen Wachstumsbeschleunigung nahm auch das Exportwachstum im vierten Quartal wieder etwas stärker zu.
7. Die Konsumentwicklung der privaten Haushalte und die Entwicklungen im Bereich der Anlageinvestitionen bieten für uns keinen Anlass, unsere grundsätzliche Einschätzung zur wirtschaftlichen Aktivität in den USA zu ändern. Der zu erwartende Wachstumsbeitrag von den Lagerinvestitionen würde für sich bedeuten, dass wir unsere Wachstumsprognose für das Bruttoinlandsprodukt für 2011 um ca. 0,4 Prozentpunkte nach oben revidieren müssten. Wir vermuten aber, dass die schwache Lageraktivität in einem direkten Zusammenhang mit der schwachen Importdynamik steht. Insoweit muss man dem zu erwartenden positiven Wachstumsbeitrag von den Lagerinvestitionen einen ähnlich hohen negativen Wachstumsbeitrag vom Außenhandel gegenüber stellen. In der Summe mag sich der von uns erwartete Quartalsverlauf des Bruttoinlandsprodukts in 2011 leicht verändern. An der Jahresprognose des Bruttoinlandsprodukts sehen wir nach den heutigen Zahlen keinen Anpassungsbedarf. Somit erwarten wir weiterhin für dieses Jahr einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukt um 3,1 % im kommenden Jahr um 3,2 %.
Rudolf Besch
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.