Kommentar
12:35 Uhr, 21.02.2011

Unlogische Börsen

Dem Laien muss das Börsengeschehen dieser Tage vollkommen undurchschaubar, ja geradezu unlogisch erscheinen. Denn spiegeln Aktienkurse nicht die Gewinnentwicklung und –aussichten eines Unternehmens und der Aktienindex eines Landes und dessen volkswirtschaftlicher Entwicklung wieder? Warum steigen dann aber die Kurse griechischer Aktien und die anderer schwächelnder Staaten Europas in diesem Jahr besonders stark, während chinesische Aktien wie schon im vergangenen Jahr schlecht abschneiden. Hier wächst die Wirtschaft schließlich mit 11 Prozent und jeder bestätigt dem Reich der Mitte einen weiteren Aufstieg. Schon in einigen Jahren soll China die USA als größte Volkswirtschaft der Welt ablösen.

Die Erklärung könnte zum einen in einer massiven Überbewertung chinesicher Aktien zu finden sein, die all dies schon vorweggenommen hat. Doch das ist mitnichten der Fall. Das Kurs/Gewinn-Verhältnis beträgt gerade einmal elf auf Basis der für dieses Jahr geschätzten Gewinne.

Grund für die enttäuschende Börsenentwicklung in China ist ein Phänomen, dass für die Entwicklung von Aktienkursen auf Sicht von einigen Monaten bis hin zu einigen Jahren viel entscheidender ist, als die Gewinnentwicklung der Unternehmen. Das Zauberwort heißt: Überschußliquidität. Die Formel, die dahinter steckt, ist relativ einfach. Geldmengenwachstum minus nominales Wirtschaftswachtum gleich Überschussliquidiät. Nur wenn diese Zahl positiv ist, ist auch Geld da, das in Aktien investiert werden kann. Fällt sie negativ aus, fehlt das entsprechende Kapital, unabhängig davon, wie die Gewinne der Unternehmen sich entwickeln. Sieht man sich die Zahlen für China an, dann ergibt sich folgendes. Die Wirtschaft wächst real um 11 Prozent. Die Inflation beträgt fünf Prozent, so dasss ich ein nominales Wachstum von 16 Prozent ergibt. Da die Geldmenge M1 wegen der Bremsmaßnahmen der chinesischen Notenbank aber nur noch bei 13 Prozent liegt, gibt es derzeit keinerlei Überschußliquidität. Im Gegenteil. Sie liegt bei minus drei. Ganz anders ist das Bild zum Beispiel in den USA. Dort wächst M1 mit zwölf Prozent, während die Wirtschaft nominal um rund fünf Prozent wächst. Die Überschußliquidität liegt damit bei sechs Prozent. Das ist schlicht und einfach der Grund, warum die Wall Street und auch die europäischen Börsen besser laufen, als die Chinas, trotz deutlich schlechterer Wachstumsprognosen. Auch im Nachkriegsdeutschland gab es dieses Phänomen. Im Wiederaufbau wurde sämtliche Liquidität durch Direktinvestitionen absorbiert. Erst als dann das Wachstum nachließ, konnte die so entstehende Überschußliquidität in den Aktienmarkt fließen und dort für die überfällige Hausse sorgen.

Denn auf eines ist Verlass. Langfristig setzt sich das fundamental Richtige immer durch. Die Frage ist nur, wie lange es dauert. China ist insofern das aussichtsreichere Investment, als eines an der Wall Street vor dem Hintergrund der strukturellen Schwächen der US-Wirtschaft. Anleger müssen womöglich aber Geduld mitbringen, bis es sich auszahlt. Doch Geduld ist ja ohnehin eine der wichtigsten Börsianertugenden.

Mehr von Stefan Riße erfahren Sie auf rissesblog.de. Stefan Riße, ist Deutschlandchef und Chefstratege von CMC Markets. Bekannt ist er durch seine jahrelange Tätigkeit als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender N-TV. Sein aktuelles Buch „Die Inflation kommt“ war in den Bestsellerlisten 2010 ganz oben.

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