Kommentar
17:51 Uhr, 14.05.2010

Überraschte Bären

Der heftige Einbruch der Aktienkurse in der vorvergangenen Woche hat vor allem die technisch orientierten Anleger erwischt. Die meisten von Ihnen setzten - wenn auch mit unterschiedlichen Systemen und Indikatoren - nach wie vor auf Trendfolge. Das bedeutet, sie kaufen, wenn sich nach ihren Indikatoren ein Trend bestätigt und verkaufen mit einem Stop, wenn dieser Trend plötzlich nach unten durchbrochen wird. Es dürfte am Ende keine falsche Order, sondern die Vielzahl dieser am Markt engagierten Trendfolger gewesen sein, die den Markt für so große Kursverluste anfällig machte. Am besten ist das Bild wohl vergleichbar mit dem Crash von 1987, wo immer neue Stopp-Loss Order in Futures auf den S&P 500 ausgelöst wurden und die Kurse immer tiefer schickten.

Die vergangenen Tage haben nun gezeigt, dass nachdem diese Marktteilnehmer unsanft heraus geworfen wurden, auf der Angebotsseite nicht mehr viel im Orderbuch stand. Innerhalb von nur vier Tagen gewann der DAX mehr als 400 Punkte. Wie ist das zu erklären? Wahrscheinlich wollte niemand so dumm und ein zweites Mal engagiert sein, wenn die Kurse abermals crashen, wie nach der Lehman-Pleite. Es ist daher anzunehmen, dass viele den Markt verlassen, sich mit Short-Positionen im DAX Future abgesichert oder direkt auf weiter fallende Kurse spekuliert haben. Diese mussten in den vergangenen Tagen nun unter großen Schmerzen zurück kaufen, was die Kurse weiter antrieb. Insbesondere der DAX schlug sich gut und ist fast an seine alten Jahreshöchststände heran gerückt, während die US-Indizes noch ein größeres Stück entfernt sind.

Die Frage ist, wie geht es nun weiter? Die beschriebene relative Stärke der deutschen Aktien, lässt sich auch gut mit den Stimmungsindikatoren erklären. Schon vor dem Einbruch, machte ich mir eigentlich nur Sorgen in Bezug auf die Wall Street und den unvermeidlichen Einfluss den ein dortiger Einbruch auf die Kurse hierzulande haben dürfte. Dieser kam dann auch aus den USA und leider hat sich die Einschätzung diesbezüglich nicht geändert. Während schon vor dem Kurseinbruch die Stimmung bei uns eher verhalten war und zuletzt im Licht der aktuellen Ereignisse sogar noch pessimistischer wurde, hat sich in den US-Indikatoren wie Börsenbriefen, Anlageberatern oder Put/Call-Ratio bisher zu wenig getan, um den Markt als nach unten gut abgesichert zu bezeichnen. Auch fällt auf, dass neue Jahreshöchststände nicht mehr von neuen Tiefstständen bei den Credit Default Swaps (CDS) begleitet werden. Hatten diese in der Abwärtsbewegung vor allem ab 2008 nahezu im Gleichtakt geatmet, fielen seit dem DAX-Jahreshoch Mitte April die CDS auf den ITraxx Crossover nicht mehr unter ihre Tiefs von Anfang Januar.

http://img.godmode-trader.de/charts/46/2005/dda7993.gif

Dies könnte ein Zeichen für nachlassende Liquidität sein und damit dafür, dass die Luft bei den Aktien dünner wird. Dennoch bleibt natürlich das starke Argument der nach wie vor überbordenden Liquidität, die händeringend Anlagen mit Rendite sucht. Da höher verzinste Staatsanleihen seit den Turbulenzen um Griechenland auch nicht mehr der sichere Hafen sind, spricht eigentlich noch mehr für eine Investition in Dividendentiteln. Dennoch bleibt die überhitzte Situation in den USA als Gefahr. Ich würde daher zunächst nur un- oder wenig gehebelte Positionen in Aktien halten und dann auf jeden Fall in Deutschland. Der schwächere Euro sollte besonders für exportstarke Titel für eine Verbesserung der Ergebnisse führen.

Mit großen Positionen sollte man zunächst warten, bis sich die Situation in den USA bereinigt hat. Außerdem hat der Markt nach der EU-Einigung am vergangen Wochenende ein großes Gap von über 100 Punkten zwischen 5722 und 5850 Punkten im DAX Future aufgemacht. In der Regel neigt er dazu, dieses erst einmal zu schließen, bevor es aufwärts geht.

Aber natürlich es gibt auch Ausnahmen.

Stefan Riße, ist Deutschlandchef und Chefstratege von CMC Markets. Bekannt ist er durch seine jahrelange Tätigkeit als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender N-TV. Sein aktuelles Buch „Die Inflation kommt“, liegt aktuell auf Platz 2 der Manager-Magazin Bestsellerliste

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