Kommentar
17:10 Uhr, 18.07.2024

Über Sinn und Unsinn von Buybacks

Aktienrückkäufe gelten als Königsweg, um den „Shareholder Return“, also den Ertrag für die Aktionäre, zu steigern. Wie bei vielem gilt aber auch hier: Allzu viel ist ungesund!

Aktienrückkäufe (engl.: Share Buybacks oder kurz Buybacks) sind das bevorzugte Mittel von Unternehmen und Aktionären, um den Anteilseignern Erträge zukommen zu lassen. Der Grund: Aktienrückkäufe sind für Aktionäre steuerfrei, steigern aber in der Regel den Kurs und damit das Vermögen. Auf Dividenden fallen dagegen Steuern an. Zudem müssen Anleger diese Ausschüttungen gegebenenfalls neu investieren, wenn sie die Barmittel nicht benötigen.

Aktienrückkäufe, ein komplexes Thema

Aktienrückkäufe sind jedoch ein komplexes Thema. Formal kauft damit ein Unternehmen von seinen Aktionären Aktien zurück, die es an sie früher einmal ausgegeben hat. Da bei der Ausgabe von Aktien (dem Gegenteil von Aktienrückkäufen) das Eigenkapital eingesammelt bzw. erhöht wird, reduzieren Aktienrückkäufe folglich das Eigenkapital. Dies ist der wichtigste Punkt, der sich wie ein roter Faden durch das Folgende zieht.


Im Stockstreet Geldanlage-Brief, meinem Börsendienst für Vermögen und Wohlstand, spielen Aktienrückkäufe als Kriterium bei der Aktienauswahl nur eine untergeordnete Rolle. Entscheidend sind andere, nachhaltige Kriterien, die für langfristige stabile Trends der Aktienkurse sorgen.


Die meisten Aktienrückkäufe tätigen die Unternehmen mehr oder weniger unbemerkt an der Börse. Zwar sind auch öffentliche Rückkaufangebote möglich, aber dabei muss das Unternehmen gewöhnlich einen Aufschlag auf den Börsenkurs bezahlen. In jedem Fall muss zuvor die Hauptversammlung die Aktienrückkäufe genehmigen, wobei der Vorstand meist einen sogenannten "Vorratsbeschluss" einholt. Dabei wird der Vorstand zu Aktienrückkäufen in bestimmter Höhe über einen gewissen Zeitraum ermächtigt. Wann genau der Rückkauf erfolgt, kann der Vorstand dann selbst entscheiden.

Auf den ersten Blick scheint es, als hätten Aktionäre, die ihre Aktien weiter halten, nichts von diesen Aktienrückkäufen. Sie geben ihre Aktien schließlich nicht zurück. Doch normalerweise werden die Aktien vernichtet und damit das Eigenkapital reduziert. Damit entfällt der Gewinn (der idealerweise mindestens gleichbleibt) auf weniger Eigenkapital bzw. Aktien. Dadurch steigen die Eigenkapitalrendite bzw. der Gewinn pro Aktie. Die Bewertung (KGV) sinkt dagegen und lockt neue Käufer an, was den Kurs meist treibt.

Wie Aktienrückkäufe zu steigenden Kursen führen können

Damit kommen wir schon zu einem kritischen Thema: Aktienrückkäufe wirken kurssteigernd, ohne dass das Management eine bessere operative Leistung bringt. Exzessive Aktienrückkäufe sollten daher skeptisch machen, wenn der Rest nicht stimmt. So kann der Gewinn pro Aktie durch Aktienrückkäufe munter steigen (und damit die Bewertung), obwohl der Nettogewinn – also der "eigentliche" Gewinn – sinkt.

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Quellen: Unternehmensangaben, eigene Berechnungen

Beim US-Versicherungskonzern White Mountains Insurance stieg z.B. der Gewinn pro Aktie von 2007 bis 2022 um 64,7 %, obwohl der Nettogewinn um 60,4 % sank. Der Grund: Die Zahl der Aktien sank noch stärker (-75,6 %). Trotzdem stieg der Kurs im selben Zeitraum um 175 % und bewegte sich damit über weite Strecken branchenkonform. Das überrascht nicht, denn eine hohe Eigenkapitalrendite ist ja zunächst etwas Gutes – wer möchte schließlich nicht hohe Renditen auf sein Kapital erzielen?

Problematisch wird es, wenn die Verringerung des Eigenkapitals die Bilanz beeinträchtigt. Nicht nur Börsianer sollten zu hohe Hebel bei ihren Geschäften vermeiden, auch Unternehmen. Hier wie da ist der Hebel über das Verhältnis von Fremd- zu Eigenkapital bzw. die Eigenkapitalquote definiert. Als Mindestwert für eine gesunde Bilanz gelten 20 %. Und das erklärt auch das ordentliche Abschneiden der White-Mountains-Aktie: Das Unternehmen steigerte im Betrachtungszeitraum seine Eigenkapitalquote von 24,7 auf 53,3 %. Der Fremdkapitalanteil sank also noch stärker – das war gut für die Bilanz und damit den Kursverlauf!

Wann Aktienrückkäufe sinnvoll sind und wann nicht (theoretisch)

Aber wann sind denn dann Aktienrückkäufe gut und wann schlecht für die Bilanz? Wie bei vielem an der Börse gibt es hier keine einfache Antwort. Selbst mit Blick auf das Verhältnis von Fremd- und Eigenkapital gibt es eine zweite Seite: So ist die Kapitalbeschaffung stets mit Kosten verbunden. Beim Fremdkapital ist es im Wesentlichen der Zins, beim Eigenkapital unter anderem die Dividende.

In der Niedrigzinsphase bis 2022 erschien es also durchaus rational, Fremdkapital für 2 % aufzunehmen, statt 4 % Dividende an die Aktionäre fürs Eigenkapital zu zahlen. Daher haben manche Konzerne Aktienrückkäufe sogar mit Fremdkapital finanziert, also dafür Kredite aufgenommen. Problematisch wird das nur, wenn die Zinsen wieder steigen, wie es bis im Sommer 2023 der Fall war.

Warren Buffett meint, Aktienrückkäufe sind nur sinnvoll, wenn der Kurs unter dem inneren oder fairen Wert der Aktie liegt. Dieser ist aber auch für Insider schwer zu bestimmen. Abgesehen davon sieht es für Außenstehende stets gut aus, wenn der Kurs trotz oder wegen der Aktienrückkäufe stetig weiter steigt. Apple z.B. kauft seit 2012 kontinuierlich eigene Aktien zurück (siehe Chart). In den ersten Jahren war das bei einem KGV unter 20 (rote Kurve) sicherlich ein gutes Geschäft. Aber der Konzern machte auch dann unverdrossen weiter, als das KGV über 30 lag. Unterbewertet war die Aktie dann bestimmt nicht mehr.

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Quellen: Daten von VWD, ZIR, eigene Berechnungen

Trotzdem beglückwünschen die Analysten den Vorstand, denn gegenüber dem aktuellen Kurs von gut 225 USD erscheinen die durchschnittlich 47 USD pro Aktie, die Apple laut Analysten bei seinen Rückkäufen bezahlt hat, wie ein Schnäppchen.

Ein Blick zurück

Aber was soll Apple auch sonst mit seinem Geld machen? Der Konzern streicht so unanständig viel Cash ein, dass sinnvolle Investitionen rar sind. Aber das ist nicht die Regel. Also muss man sich (bzw. den Vorstand) bei allen Aktienrückkäufen fragen, ob es keine bessere Möglichkeit gibt, das Geld zu investieren. Manchmal sind Aktienrückkäufe auch ein Zeichen für Ideenlosigkeit, also Unfähigkeit, des Managements oder eben nur "Financial Engineering", womit der Aktienkurs aufgehübscht werden soll.

Ein gutes Maß für angemessene Aktienrückkäufe scheint das Verhältnis von Aktienrückkäufen zu Marktkapitalisierung zu sein. Dazu die folgenden Charts.

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Quellen: Daten von VWD, ZIR, eigene Berechnungen

Sie zeigen die Summen der Aktienrückkäufe (waagerechte Achse) zur Kurs-Performance des S&P 500 der 100 größten Unternehmen des S&P 500, jeweils von 2007-2022. Die Größe der Kreise entspricht dem Verhältnis der Summe der Aktienrückkäufe in diesem Zeitraum zur Marktkapitalisierung per März 2023.

Der erste Chart dient nur zur Orientierung. Er zeigt die Extreme sowohl bei der Performance als auch bei den Rückkäufen. Dabei sticht einmal mehr Apple heraus: Der Konzern hat nicht nur eine der erfolgreichsten Aktien des jüngsten Bullenmarktes, sondern auch das mit Abstand größte Rückkaufvolumen. Trotzdem ist dieses Rückkaufvolumen gemessen an der Marktkapitalisierung eher klein (20,5 %).

Das negative Extrem ist der Versicherungskonzern AIG, der in der Finanzkrise ins Schlingern kam (roter Kreis). Er kaufte sogar Aktien für weit mehr als seine eigene Marktkapitalisierung zurück – was aber angesichts eines Kursverlusts von 96 % kein Kunststück ist…

Aufschlussreicher ist der zweite Chart. Er zeigt die "Wolke" unten im kleinen Chart detaillierter. Auch hier gibt es wieder eine "Wolke" unten links, in der sich die Masse der durchschnittlichen Aktien und Unternehmen verstecken. Aber es wird auch deutlich, dass erfolgreiche Aktien zu Unternehmen gehören, die bei Aktienrückkäufen eher zurückhaltend sind. Es gibt nur vier Unternehmen, deren Aktien seit 2007 mehr als 500 % zugelegt haben und deren Aktienrückkäufe die 20%-Marke bezüglich der Marktkapitalisierung überschritten (Starbucks, Home Depot, Union Pacific, Lowe's).

Eine sinnvolle Größe für Aktienrückkäufe

Das ergibt auch Sinn: Erfolgreiche, wachstumsstarke Unternehmen wissen meist Besseres mit ihrem Geld anzufangen, als Aktien zurückzukaufen. Das gilt selbst für so etablierte Konzerne wie Microsoft und den Großhändler Costco. Und wenn sie gute Investitionsmöglichkeiten haben bzw. finden, dann zahlt sich das für die Aktionäre mehr aus als die Bilanzkosmetik durch Aktienrückkäufe. Auch ein Wert aus dem Musterdepot des Geldanlage-Briefs gehört übrigens zu dieser Spitzengruppe!

Als Richtwert für eine sinnvolle Größenordnung von Aktienrückkäufen kann man aus dem zuvor Gesagten ein Volumen von weniger als 2 % der Marktkapitalisierung über einen Zeitraum von einem Jahr ableiten. Das alles sind aber Details der Vergangenheit. Sie können zwar das grundsätzliche Verständnis erleichtern, lassen sich aber nicht unbedingt 1:1 auf die Zukunft übertragen. Der wichtigste Unterschied ist dabei das Zinsniveau: Angesichts der akuell immer noch hohen Zinslevels, erscheinen Aktienrückkäufe unattraktiv(er).

Grund dafür sind die schon erwähnten Kapitalkosten. Wenn ein Unternehmen 5 % oder mehr für Fremdkapital berappen muss, für Eigenkapital (= Aktien) aber nur 3 % Dividende zahlt, kehren sich die Verhältnisse um. Theoretisch ist dann die Ausgabe neuer Aktien, also eine Kapitalerhöhung, die bessere Alternative zur Kapitalbeschaffung. Kapitalerhöhungen sind aber unbeliebt, weil sie den gegenteiligen Effekt von Rückkäufen haben: Sie erhöhen die Zahl der Aktien und die Bewertung und drücken damit die Kurse.

Aktienrückkäufe bei hohem Zinsniveau

Kapitalerhöhungen dürften daher vorrangig eine Notlösung für Unternehmen mit schwachem Cashflow sein, die sich das Geld anders nicht beschaffen können. Kapitalstarke Unternehmen, die ausreichende Einnahmen generieren (z.B. Apple) werden künftig vor allem ihre (überschüssigen) Cash-Reserven und Einnahmen nutzen. Insgesamt dürften die Aktienrückkäufe daher zurückgehen. Die Zeit der Mega-Buybacks ist also vorbei.

Unternehmen mit hohen Cashflows sollten also ab jetzt höher in der Anlegergunst stehen, denn bei ihnen ist die Gefahr von Kapitalerhöhungen geringer. Aktien solcher Cash Cows sind aber in der Regel klassische Value-Titel, die damit attraktiver werden. Sie dürften auch nach und nach ihre Dividendenpolitik (weiter) verbessern, um Eigenkapital zu binden.

Theoretisch ist das zwar nicht nötig, weil ja die Aktien längst ausgegeben sind und das entsprechende Eigenkapital eingenommen wurde. Aber wenn die Kurse sinken, weil sich die Anleger abwenden, könnten große oder aktivistische Aktionäre Druck machen oder sogar das Unternehmen durch Konkurrenten oder Finanzinvestoren übernommen werden.

Es spricht also einiges dafür, dass durch hohe Zinsen Aktienrückkäufe zurückgehen. Das ist aber kein Grund zur Sorge, denn die Unternehmen werden dann auf andere Art eine aktionärsfreundliche Politik betreiben (müssen).


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