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13:02 Uhr, 11.03.2019

Türkische Wirtschaft steht vor einer tiefen und schweren Rezession

Die türkische Wirtschaft ist Ende 2018 erstmals seit einem Jahrzehnt wieder in die Rezession geschlittert. Ein Zusammenbruch der Lira und ein starker Anstieg der Zinssätze brachte das Wirtschaftswachstum zum Erliegen.

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Ankara Godmode-Trader.de) - Im vierten Quartal 2018 schrumpfte die türkische Wirtschaft im Vergleich zum Vorjahr um 3,0 Prozent, wie das Statistikamt am Montag mitteilte. Das saison- und kalenderbereinigte Bruttoinlandsprodukt sank zudem im Quartalsvergleich um 2,4 Prozent. In einer Reuters-Umfrage hatten Ökonomen einen Einbruch von 2,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr prognostiziert. Nach einem vierteljährlichen Rückgang im dritten Quartal 2018 bedeuten die Daten des vierten Quartals, dass die Türkei nach zwei aufeinander folgenden Quartalen mit negativem Wachstum offiziell in eine technische Rezession geschlittert ist.

Das wirtschaftliche Siechtum kommt für den Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan unmittelbar vor den Kommunalwahlen Ende März zur Unzeit. Die Regierungspartei von Erdogan hat 2002 angesichts einer schweren Finanzkrise die Macht übernommen. Seine AKP hatte 16 Jahre lang ununterbrochen Wahlsiege gefeiert - u. a. mit dem Versprechen von stetig steigendem Wohlstand für alle 82 Mio. Bürger.

Das BIP-Wachstum der Türkei im Gesamtjahr 2018 von 2,6 Prozent bedeutet einen deutlichen Rücksetzer gegenüber dem Vorjahreswachstum von 7,4 Prozent. Die Wirtschaftsindikatoren deuten seit Monaten darauf hin, dass sich die Wirtschaft nach der dramatischen Währungskrise im vergangenen Sommers stark abgeschwächt hat. Die Krise in den Beziehungen zwischen Ankara und Washington führte zu einer raschen Abwertung der Lira, die die Währung auf historische Tiefststände gegenüber dem Dollar drückte und Befürchtungen vor einer Ansteckung in den Schwellenländern auslöste.

Die extreme Kursschwankung zwang die Zentralbank des Landes dazu, ihren Leitzins im September steil auf 24 Prozent zu erhöhen. Der Schritt trug dazu bei, die Anleger nachträglich zu beruhigen und die Währung zu stabilisieren. Aber es löste auch Schockwellen in der Gesamtwirtschaft aus, die zu einem Einbruch der Kreditvergabe der Banken und einem starken Rückgang des Unternehmervertrauens und der Konsumausgaben führten.

Die Industrieproduktion, der Autohandel und der Wohnungsbau sind in den letzten Monaten stark im Mitleidenschaft geraten. Berat Albayrak, der türkische Finanzminister, räumte ein, dass sich das Wachstum nach den Daten vom Montag verlangsamt habe. „Die schlimmsten Wachstumserwartungen sind aber nicht eingetreten", schrieb er auf Twitter. Albayrak zufolge zeigen die Daten, dass die Türkei eine Wiederholung einer türkischen Krise von 2001 und eine Verlangsamung von 2008 vermeiden würde, als das Land von den Auswirkungen der globalen Finanzkrise betroffen war. „Trotz des schwersten spekulativen Angriffs [auf ein Land] in der Geschichte und einer Zeit, in der sich das globale Wachstum zu verlangsamen begann, hat sich eine Situation wie in den Jahren 2001 und 2008 nicht eingestellt. Wir haben es in sehr kurzer Zeit erfolgreich überwunden."

Diese Haltung steht im Widerspruch zu den Ansichten vieler Ökonomen, die befürchten, dass steigende notleidende Kredite die Fähigkeit der türkischen Banken, eine Rückkehr zum Wachstum zu unterstützen, einschränken werden. Der Unternehmenssektor des Landes ist mit Fremdwährungsschulden konfrontiert, deren Rückzahlung nach dem 30-prozentigen Wertverlust der Lira gegenüber dem Dollar im vergangenen Jahr schwieriger geworden ist. „Mein Gefühl ist, dass die Rezession tiefer und länger sein wird als bisher, wenn man den bilanziellen Charakter dieser Rezession bedenkt", schrieb Tim Ash, Analyst bei BlueBay Asset Management, laut Reuters in einer Kundennotiz.

Analysten warnen zudem davor, dass das Land aufgrund seiner Abhängigkeit von ausländischen Finanzierungen sehr anfällig für plötzliche Stimmungsschwankungen ist. Während internationale Anleger durch die Zusage der türkischen Zentralbank, die Zinsen seit September auf Eis zu legen, beruhigt wurden, werden sie gespannt beobachten, ob diese Haltung sich nach den Wahlen am 31. März ändert.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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