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10:11 Uhr, 22.03.2021

Türkische Lira im Crash - Erdogan chasst Notenbankchef

Am Währungsmarkt sorgt die Lira wieder für Aufsehen. Zum Dollar geht es temporär zweistellig abwärts. Präsident Erdogan hat zum dritten Mal seit Mitte 2019 den Notenbank-Chef entlassen. Wohl mal wieder aus Ärger über steigende Zinsen. Nachfolger wird Sahap Kavcioglu, ein früherer Abgeordneter der regierenden AKP

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Ankara (Godmode-Trader.de) - Die Türkei kommt nicht zur Ruhe. Präsident Recep Tayyip Erdogan hat zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate den Chef der Zentralbank vor die Tür gesetzt. Der im Amtsblatt veröffentlichte Beschluss wurde ohne weitere Begründung erlassen. Neuer Notenbankchef und Nachfolger des gefeuerten Naci Agbal wird Sahap Kavcioglu, ehemaliger Abgeordneter von Erdogans Regierungspartei AKP und Wirtschaftskolumnist der regierungsnahen Zeitung "Yeni Safak". Kavcioglu kündigte am Sonntag an, die Zentralbank werde weiter geldpolitische Instrumente einsetzen, um „ihr Hauptziel, einen dauerhaften Rückgang der Inflation", zu erreichen.

Agbal galt eigentlich als Verbündeter des Präsidenten. Dieser setzte ihn erst im November ein – und löste damals Murat Uysal ab, der selbst nur etwas länger als ein Jahr amtierte. Doch die von Agbal verantwortete Geldpolitik hat dem Präsidenten zuletzt offenbar immer weniger gefallen. Der Präsident dringt auf niedrige Zinsen. Ein hoher Leitzins ist für ihn die „Mutter allen Übels“. Erst am Donnerstag hatte die türkische Notenbank den Leitzins aber unerwartet deutlich um zwei Prozentpunkte auf 19 Prozent angehoben. Agbal hatte nach dem Entscheid angekündigt, den Straffungskurs fortzusetzen, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Diese Aussage war für ihn dann so etwas wie eine Selbstabsetzung, bei Erdogan riss wohl der Geduldsfaden. Die Teuerungsrate stieg im Februar auf mehr als 15 Prozent – überdurchschnittlich stiegen die Preise von Grundnahrungsmitteln.

Der neue Notenbankchef Kavcioglu hatte zuletzt die Geldpolitik von Agbal kritisiert und sich damit wohl indirekt für das Amt des Notenbankgouverneurs ins Spiel gebracht. „Die Zinsen rund um die Welt sind nahe null. Eine Anhebung in der Türkei wird unsere wirtschaftlichen Probleme nicht lösen“, schrieb er in einer Zeitungskolumne zeitlich vor dem jüngsten Zinsentscheid. Ökonomen sehen seine Ernennung nun mit Sorge. „Das legt nahe, dass die Regierung versuchen wird, die Wirtschaft abermals mit niedrigen Zinsen zu stimulieren“, zitierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung Selva Demiralp, Wirtschaftsprofessorin an der Koç-Universität in Istanbul.

Das Scheitern der restriktiven Geldpolitik dürfte aus Sicht der Commerzbank den Inflationsdruck in der Türkei weiter erhöhen. Ohne eine angemessene Geldpolitik müsse die Regierung wohl andere Instrumente zur Inflationsbekämpfung, etwa Preisregulierungen, einsetzen, ist Devisenanalyst Ulrich Leuchtmann überzeugt. Auch der Lira-Schwäche könne nicht mehr mit marktkonformen Instrumenten begegnet werden. Allerdings könne die Regierung angesichts der hohen Verschuldung der Unternehmen in Dollar und Euro einer deutlichen Lira-Abwertung, die die Finanzierung des Schulden weiter verteuert, nicht tatenlos zusehen. Es wachse deshalb das Risiko, dass „weiche „Kapitalverkehrskontrolle durch härtere ersetzt werden müssten“, befürchtet Devisenexperte Leuchtmann.

Am Währungsmarkt sorgt die türkische Lira nach der Personalie für Aufsehen. Am Montagmorgen wurde ein US-Dollar zuletzt für 7,97 Lira gehandelt. Damit ist der Kurs im Vergleich zum Freitag um rund acht Prozent gefallen. In der vergangenen Nacht war der Kurseinbruch zeitweise noch heftiger: bis auf 8,47 Lira mussten für einen Dollar gezahlt werden. Damit lag USD/TRY nur knapp unter dem Rekordhoch von 8,57. Auch im Handel mit dem Euro zeigt sich der Einbruch. Am Morgen wurden für einen Euro 9,25 Lira gezahlt, was einem Kurseinbruch von knapp acht Prozent entsprach. Die Rekordmarke bei EUR/TRY vom vergangenen November bei 10,20 liegt damit ebenfalls in Sichtweite.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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