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15:13 Uhr, 28.03.2019

Türkei: Turbulenzen belasten Bankensektor am stärksten

Die türkischen Banken sind das schwächste Glied in der langen Krisen-Kette des Schwellenlandes, da sich die Auslandsverschuldung auf den Bankensektor konzentriert.

Istanbul (Godmode-Trader.de) - Die Situation an den türkischen Finanzmärkten beruhigt sich auch am Donnerstag nicht, was Präsident Recep T. Erdogan so kurz vor den Kommunalwahlen nicht gefallen dürfte. Denn die konjunkturelle Lage des Landes ist einen der Hauptthemen im Wahlkampf, nachdem die Wirtschaft im Schlussquartal 2018 in eine Rezession gerutscht war.

Die Landeswährung Türkische Lira stürzte heute weiter ab. Der Dollarkurs stieg kurzfristig um 5,3 Prozent und erreichte bei 5,6110 Lira den höchsten Stand seit zwei Monaten. Auch der Euro verteuerte sich zur türkischen Währung. Der Verfall der Lira wirkt sich auch auf die Aktien- und Anleihemärkte aus. Gestern musste der Leitindex BIST 100 den größten Tagesverlust seit Mitte 2016 (im Sommer des Putsches) hinnehmen. Heute kommt es zu einer leichten Erholung.

Anleger trennen sich aber weiterhin von Türkei-Bonds, die Rendite für bis 2030 laufenden Dollar-Bonds erreichte am Donnerstag bei 8,309 Prozent ein Fünfmonatshoch. „Angesichts der weiterhin hohen Inflation und steigender Arbeitslosigkeit will die Regierung offensichtlich zumindest eine wieder einbrechende Währung mit allen Mittel vor dem Wahltermin verhindern", schrieb BayernLB-Analyst Manuel Andersch am Mittwoch. Heimische Banken seien angewiesen worden, kein Geld an ausländische Geschäftspartner zu verleihen. Dies löste unter Anlegern hohes Misstrauen aus.

Die Turbulenzen an den türkischen Finanzmärkten haben die externen Kreditkosten für die heimischen Banken erhöht, was es schwieriger macht, die hohe Auslandsverschuldung in den Griff zu bekommen. Die Risiken sind im Bankensektor am größten. Das große Leistungsbilanzdefizit der Türkei hat seit der Lira-Krise im vergangenen Jahr zwar eine Anpassung erfahren. Aber die Bilanzen des Landes sind immer noch schwach. Die Auslandsverschuldung bleibt hoch und die Deckung der Devisenreserven ist gering.

Das Verhältnis der kurzfristigen Auslandsverschuldung (d.h. die Fälligkeit innerhalb von 12 Monaten) zu den Brutto-Währungsreserven der Zentralbank in der Türkei ist größer als in jedem anderen großen Schwellenland. Das basiert auf den Brutto-Währungsreserven der Zentralbank. Diese hat auch große Devisenverbindlichkeiten, was ein Ergebnis des Reserve-Optionsmechanismus ist, bei dem die Banken Fremdwährungsreserven gegenüber auf Pfandbriefe lautenden Verbindlichkeiten nach Bedarf halten können. Die Netto-Währungsreserven der Zentralbank sind deutlich niedriger.

Die Auslandsverschuldung konzentriert sich auf den Bankensektor. Etwa zwei Drittel der gesamten kurzfristigen Auslandsverschuldung entfallen in der Türkei auf Geschäftsbanken. Dies ist eine Folge des Kreditbooms der letzten zehn Jahre, in dem die Institute die inländische Lira-Kreditvergabe durch die Aufnahme von Fremdkapital in ausländischen Währungen finanzierten.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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