Treiben Anleiheaufkäufe Aktien und Gold?
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Ob Neubaubeginne, Frühindikatoren, Phili Fed Index, Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe oder hier in Deutschland der ZEW Index, fast alle Wirtschaftsdaten fielen in den vergangenen Tagen schlechter aus, als erwartet. Den Aktienmärkten konnte das jedoch immer nur kurz etwas anhaben. Sehr schnell wurden die Kursverluste wieder wett gemacht und alte Tageshoch überboten. Es ist vor allem die deutsche Börse, die derzeit überproportional zulegt. Hauptreiber bei den Aktien dürfte der sich erholende Euro sein, der sich von seinen Tiefstständen, die er nach den ebenfalls enttäuschenden US-Arbeitsmarktdaten bei 1.1875 am Monatsanfang erreichte, um rund fünf Cent erholt hat. Selbst üble Gerüchte über die spanischen Staatsfinanzen und das Herabstufen Griechenlands auf Ramschniveau in der Bonitätsnote, wird vom Devisenmarkt vollkommen ignoriert.
Erholen sich Aktien und Euro, entspannt sich die Lage also, fallen im Gegenzug die sicheren Häfen Staatsanleihen sowie Gold. Die Logik galt lange, seit ein paar Tagen jedoch auch nicht mehr. Parallel zur Erholung der Aktien konnten beide zulegen. Woran liegt das? Interessant ist die Tatsache, dass der parallele Anstieg aller Assetklassen mit dem Einsetzen der Aufkäufe von europäischen Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) begann. Und interessanter Weise begann die Korrektur an den Aktienmärkten im April mit dem Ende des Aufkaufes von Staatsanleihen und immobilienbesicherter Anleihen durch die Federal Reserve. Sollte hier ein wirklich so enger Zusammenhang bestehen?
Klar ist, dass für jede Staatsanleihe, die von der EZB derzeit aufgekauft wird, der bisherige Besitzer cash erhält. Zwar beteuern die Notenbanker immer wieder, die Liquidität werde an anderer Stelle abgeschöpft, nur handelt es sich hier um Operationen zwischen Banken und Notenbank. Das ist nicht vergleichbar mit der Liquiditätsschöpfung, die entsteht, wenn die EZB eine griechische Staatsanleihe von einem Privatinvestor oder einem Fonds erwirbt. Dieser hat plötzlich wieder Cash auf dem Konto hat, das er nun wieder am Kapitalmarkt anlegen muss.
Setzen sich die Kursgewinne über den heutigen dreifachen Verfallstag an der Eurex hinaus fort, deutet vieles darauf hin, dass diese und die schon zuvor zur Bekämpfung der Finanzkrise in die Märkte gepumpte Liquidität die Kurse immer noch treibt. Ich betone dies, weil es durchaus auch Anzeichen von Liquiditätsverknappung gibt, die nach der Lehman-Pleite die Kurse zum Absturz brachten und alle Asset-Klassen parallel einstürzen ließ. Zu nennen ist hier der Interbanken-Geldmarkt. Kleinere spanische Banken bekommen von anderen Banken offenbar kein Geld mehr geliehen, weil die Banken ihre Liquidität lieber sicher bei der Notenbank parken. Auch das Wachstum der Geldmenge M1 und M2 in den USA ist sehr stark zurück gegangen, was kein gutes Zeichen ist. Zusätzlich bremst die chinesische Notenbank mittlerweile zur Abkühlung von Wirtschaft und Immobilienmarkt, indem die Mindestreserveanforderungen für die Banken laufend angehoben werden. Diese unterschiedlichen Einflüsse zeigen, wie komplex und schwer die richtige Interpretation der Liquiditätslage derzeit ist. In den 90er Jahren war es noch sehr viel einfacher. Stiegen oder fielen die Zinsen langlaufender Anleihen nachhaltig, schlug der Aktienmarkt in einem Zeitfenster von drei bis neun Monaten die gegengesetzte Richtung ein. Wegen der ganzen Altliquidität, die mittlerweile im Finanzmarkt herumgeistert, gilt diese Regel aber schon längst nicht mehr.
Möglicherweise ist das Hauptthema derzeit vor allem „Anlagenotstand“. Da kurzfristiges angelegtes Geld so gut wie keinen Zins mehr bringt, sichere Anleihen immer weniger Zinsen abwerfen und bei höher verzinslichen das Ausfallrisiko vielen zu hoch erscheint, sind Alternativen gesucht. Es wäre nur logisch, wenn hierbei die Wahl in Teilen auch auf Gold und Aktien fiele. Dabei muss man bedenken, dass die Anleihemärkte bedeutend größer sind als Aktien- und Goldmarkt. Kleine Beträge reichen deshalb schon, um die Kurse nach oben zu bringen.
Die jüngsten Kursanstiege deuten daraufhin, dass diese Theorie zutrifft. Mutige Anleger investieren deshalb jetzt in Aktien und Gold, vorsichtigere warten ab, ob das Gold die drei Mal erreichten Allzeithochs bei gut 1.250 US-Dollar nachhaltig überschreitet und ob sich bei Aktien der Kursanstieg über den Verfallstag hinaus fortsetzt. Der Preis ist ein etwas höherer Einstieg.
Stefan Riße, ist Deutschlandchef und Chefstratege von CMC Markets. Bekannt ist er durch seine jahrelange Tätigkeit als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender N-TV. Sein aktuelles Buch „Die Inflation kommt“, steht seit Wochen oben auf den Bestsellerlisten.
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