Kommentar
10:13 Uhr, 20.01.2012

Traumkonstellation für den DAX

Griechenland steht vor der Pleite und es hagelt Rating-Herabstufungen. Doch die Aktien reagieren nicht mehr wie gewohnt. Warum?

Börsenlegende André Kostolany sagte: „Börsenprognosen sind die Antizipation im Quadrat“, denn der Börsianer müsse nicht nur die Ereignisse der Zukunft richtig voraussagen, sondern auch wie das Publikum darauf reagieren werde. An letzterer Disziplin sind im noch jungen Jahr 2012 die meisten Auguren kläglich gescheitert. Zwar war deren landläufige Voraussage richtig, dass die Themen des alten Jahres auch die Themen des neuen Jahres sein werden, die erwartete Reaktion bei den Aktienkursen blieb jedoch aus. Im Gegenteil, es passierte das Gegenteil dessen, was angesichts der Verhaltensmuster des vergangenen Jahres zu erwarten gewesen wäre. Denn obwohl die Ratingagentur Standard & Poors die europäischen Problemländer inklusive Frankreich und des Rettungsschirms EFSF reihum herabgestuft hat, stieg der DAX deutlich an. Auch die Tatsache, dass eine Pleite Griechenlands wieder ein sehr realistisches Szenario darstellt, stört dabei nicht mehr. Vielen mag das unlogisch erscheinen, ist es für den erfahrenen Börsianer aber nicht. Auch hier hilft Kostolany. An der Börse hänge letztendlich alles davon ab, ob es mehr Dummköpfe gäbe als Papiere, oder mehr Papiere als Dummköpfe. Im Sommer vergangenen Jahres, gab es mehr Papiere als Dummköpfe und die europäische Schuldenkrise, war die Nadel, die den Ballon zum Platzen brachte.

Nun scheint es umgekehrt zu sein. Die enorme Liquidität, die nun auch von der europäischen Zentralbank über Staatsanleihekäufe wie auch extrem günstige Kredite an Banken in die Märkte gepumpt wird, zeigt ihre Wirkung und sorgt für Aktiennachfrage wie auch der Zinsrutsch am langen Ende um rund einen Prozentpunkt bei Bundesanleihen und US-Staatsanleihen. Früher war die Zinsentwicklung am langen Ende der sicherste Indikator. Kam es hier zu Veränderungen, dann drehte der Aktienmarkt allerspätestens nach 12 Monaten in die umgekehrte Richtung. Seit Beginn des neuen Jahrtausends ist dies nicht mehr so gegeben, dennoch ohne positiven Einfluss sind fallende Zinsen am langen Ende auch heute nicht. Deshalb dürfte der Zinsrutsch im vergangenen Jahr um rund ein Prozent zunehmend die Aktien unterstützen. Auch nach dem Lehman-Crash und Mitte 2010 haben wir nämlich im Vorfeld der Aktienerholungen einen kräftigen Zinsrutsch gesehen, diese waren aber nicht nachhaltig und wurden durch eine entsprechende Gegenbewegung abgelöst. Dies könnte auch erklären, warum die Aktiengewinne seit dem Lehman-Crash nicht nachhaltig waren.

Wie stark ein Aktienmarkt auf Liquiditätseinflüsse reagiert, hängt vom Investitionsgrad der Anleger ab, den es anhand der Stimmungsindikatoren herauszufinden gilt. Hier zeigt sich derzeit eine enorme Diskrepanz zwischen Deutschland und den USA. Während für den DAX die Signale sehr vielversprechend sind, insbesondere das Put/Call-Ratio ist hier zu nennen, ist es in den USA umgekehrt. Vor allem eher auf kurzfristige Anleger fokussierte Indikatoren wie der Hulbert Stock Newsletter Sentiment Index HSNSI) haben teilweise bereits wieder bedenkliche Werte erreicht. Für Technologieaktien weist dieser eine Wert von 75 Prozent aus was zuletzt am 3. November 2011 der Fall war. Anschließend fiel der DAX zunächst um 800 Punkte. So muss es nicht kommen, Korrekturen aber wird es geben.

Was den übergeordneten Investitionsgrad längerfristiger Investoren betrifft, so dürfte dieser vor allem in Europa unterdurchschnittlich sein. Deshalb haben die Märkte in Europa das größte Potenzial und hier insbesondere der DAX, weil die jüngsten Meldungen von der Konjunkturfront daraufhin deuten, dass der Konjunktureinbruch hierzulande geringer ausfällt als erwartet. Sollte sich dies bewahrheiten, würden fundamentale Kaufgründe auf unterinvestierte Anleger bei gleichzeitiger Liquiditätsschwämme treffen. Ein besseres Szenario kann es für den DAX gar nicht geben. Korrekturen sind daher gute Einstiegsmöglichkeiten.

Mehr von und über Stefan Riße erfahren Sie unter www.rissesblog.de

Stefan Riße, ist Portfolio Manager bei der HPM Hanseatischen Portfolio Management in Hamburg. Bekannt ist er durch seine jahrelange Tätigkeit als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender N-TV. Sein aktuelles Buch „Die Inflation kommt“, belegte 2010 erste und zweite Plätze auf den bekannten Wirtschaftsbuch-Bestsellerlisten.

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