Tradingpsychologie: Neid
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Die Werbung hält uns einen Spiegel vor: „Mein Haus, Mein Auto, meine Frau, mein Job...“. Ich habe, also bin ich – besser als Du! Beim Thema Neid geht es vor allem um Defizite. Und da wundert es nicht, dass Neid nicht selten ein bekannter Hausgast im Tradinggeschäft ist. In diesem Business konzentriert sich das Bedürfnis besser sein zu wollen aber meist nicht so sehr auf materielle Güter anderer, sondern auf deren Fähigkeiten, die zu dem ersehnten Ziel führen. Wir neiden dem anderen seine konstanten Gewinne, sein profitables Handelssystem, sein Fachwissen, seine Disziplin, sein großes Handelskonto. Tatsache ist; oftmals wissen wir nicht die Wahrheit über den anderen, sondern malen uns unsere eigene Welt bloß so schlecht aus, wie wir uns gerade fühlen. Denn wir wollen haben, was ein anderer schon hat, oder wo ein anderer scheinbar dabei war. Zum Beispiel bei einer großen Kursbewegung – DAX 10.000! Und man selbst ist seit DAX 8.000 short im Markt und wartet auf die „längst überfällige Korrektur“. So kann aus Neid schnell Hoffnung werden, und die hat beim Trading nichts zu suchen!
Um sich selbst zu besänftigen, greift man den unbekannten Täter einfach neidvoll an :„Die werden schon ihr blaues Wunder erleben. Ich sage nur Internetblase und Finanzkrise!“. Bei solchen Gedanken hilft ein Blick in den eigenen Tradingplan – wie wollte ich noch mal handeln...?
Beim Trading verkehrt sich Neid nicht selten zu einer Reaktion der Selbstsabotage: „Was ich dem anderen neide, projiziere ich über mein Trading auf mich selbst“. Ganz nach dem Prinzip „Zurück an Absender“. Mangelgefühle wie Wut, Verzweiflung, Hilflosigkeit und Disziplinlosigkeit werden dann über unsachgemäßes Trading ausgelebt: Geldrisiko erhöhen, zu viele Trades machen, unsinnige Einstiege auswählen, planloses Handeln in einer Tour. Wozu das führen kann ist leicht nachvollziehbar.
Neid liegt auch in den Genen, behauptet Professor Antonio Cabrales von der Carlos III Universität in Madrid. Neid hat in der Evolution des Menschen eine wichtige Rolle gespielt, er ist das Ergebnis des Wettstreits um begrenzte Ressourcen gewesen. In der Frühgeschichte der Menschheit ist es zwar nicht darum gegangen, viel zu besitzen, aber mehr als die anderen zu haben. Denn erst dadurch konnte man sicher sein, den besten Partner für die Fortpflanzung oder die Vorherrschaft in einer Gruppe zu haben.
Sicher kann man davon ausgehen, dass Neid auch genetisch bedingt ist. Doch vor allem ist es gelerntes Verhalten, gesteuert aus einem Mangelgefühl. Den Menschen ist das Haben wichtiger als das Sein. Das erkannte schon der Psychotherapeut Erich Fromm in den 1920er Jahren. Im Zuge der industriellen Revolution haben sich die Verhältnismäßigkeiten an dieser Stelle deutlich verschoben: Ich bin, was ich habe. Im Umkehrschluss ist das eine gute Hilfe, um sich beim Thema Trading & Neid selbst auf die Schliche zu kommen. Denn beim genauen Blick auf dieses Störgefühl zeigt sich, was man selbst braucht, wonach man sich sehnt. Neid wird dann nicht mehr zum Feind, sondern zum Mentor! Doch dazu bedarf es die Kraft eines Perspektivwechsels. Etwa durch Fragen an sich selbst: „Was hat mich davon abgehalten in den Markt einzusteigen, der jetzt so stark gestiegen ist, und ich deshalb nicht bei der großen Aufwärtsbewegung dabei bin?“.
Männer und Frauen unterscheiden sich in der Art und Weise, wie sie Neid emotional zum Ausdruck bringen. Das fand Dr. Rolf Haubl, Professor für Soziologie und Sozialpsychologie an der Goethe-Universität Frankfurt, im Rahmen einer Studie heraus. Haubl befragte dazu 2500 Männer und Frauen in Ost- und Westdeutschland. „Frauen gaben deutlich häufiger als Männer an, dass sie traurig sind, wenn sie das begehrte Gut im Besitz anderer sehen“. Männer ärgern sich stattdessen lieber schwarz. Diesen geschlechtsspezifischen Neidunterschied bezeichnet der Forscher als „depressiv lähmend“ bzw. „feindselig schädigend“. Zudem empfinden Männer beim Thema Neid das Gefühl nach mehr Gerechtigkeit. Sich schwarz ärgern..., Sich depressiv lähmend fühlen..., feindseelig sein..., „Gerechtigkeit haben wollen... Dem einen oder anderen wird aus eigner Erfahrung bekannt sein wie sich das beim Trading bemerkbar machen kann.
Nicht nur beim Thema Neid geht es nie um den anderen, sondern um einen selbst! Es geht um die eigenen Defizite und Unzulänglichkeiten. Andere werden immer mehr haben und sein als man selbst. Doch mit wem vergleiche ich mich, und weshalb? Gerade Deutschland ist ein Land des Neides. Wer mehr hat ist verpflichtet auch mehr zu geben, sonst ist man ein schlechter Mensch. „Das tut man nicht“. In Deutschland spricht man nicht über Geld, man hat es, den Geissens sei Dank. „Rooooobert....!!!“.
Im Tradinggeschäft geht es vielen natürlich nicht darum mit dem schönsten Heli zum Shoppen zu fliegen, sondern um den Wunsch auf schnellstem Wege aus der unbefriedigenden und abhängigen Arbeitswelt zu kommen. Doch was so leicht aussieht, gestaltet sich in der Praxis dann doch wesentlich schwerer als gedacht. Und da Geduld, Fleiß und Ausdauer nicht gerade die größten Tugenden der Tradinganfänger sind, zeigen sich manche Hindernisse dann in Form von Neid. „Wieso kann der das?“, „Der kann vielleicht erfolgreich traden, aber wie sieht der denn aus!“, „Das sind doch sowieso alles nur Betrüger!“, „Wenn ich soviel Geld wie der hätte, dann wäre ich auch erfolgreich!“, „Wieso schreibt der ein Buch, wenn er mit Trading Geld verdienen würde, dann bräuchte der das doch gar nicht“. Wer hat eigentlich gesagt, dass man als Autor von Tradingbüchern viel Geld verdient? Selbstwahrnehmung ist der erste Weg zur Besserung, nicht nur beim Trading! Und der Blick auf den anderen wirkt meist wie ein Vergrößerungsglas, das unseren eigenen Mangel riesig erscheinen lässt. Wer dazu den Mut aufbringt, wird dem Thema Neid nicht nur gerecht, sondern hilft sich und seinem Trading immens. Viel zu viele kümmern sich nämlich mehr um das Trading anderer als um ihr eigenes. Brächten sie all die Zeit für ihre eigene Entwicklung auf, so wären sie mit Sicherheit weiter in ihrem Können.
Wer Interesse hat mehr zu dem Thema zu erfahren, dem empfehle ich meine 5-teilige Webinarreihe, die in Kürze startet:
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