Kommentar
17:00 Uhr, 12.04.2017

Tradingpsychologie: Verluste mit System

Wer die Wahl hat, der hat die Qual. Den Satz kennen Sie natürlich. Gemeint ist die Tatsache, dass man sich nicht zwischen zwei Dingen entscheiden kann. Je größer die Auswahl desto schwerer die Entscheidung.

In der bunten Konsumwelt möchte man uns solche leidvollen Momente gerne dadurch abnehmen, indem man uns mit Hilfe einer Werbewelt an ein Produkt bindet. Wir suchen dann im Supermarkt nicht mehr nach irgendwelchen Chips, sondern nach „unseren“ Chips.

Ach, wie schön wäre es, gäbe es Tradingsysteme aus dem Supermarktregal. Naja, irgendwie gibt es das ja wirklich. Das Internet ist voller verlockender Angebote profitabler Handelssysteme. Mit ein paar tausend Euro scheint das Problem also gelöst zu sein.

Aber Studien haben bewiesen, dass das nicht so einfach geht, wie mancher Anfänger sich das gerne wünscht. Das perfekte Regelwerk alleine macht noch keinen Börsengewinner. Wäre ja auch zu schön... Das Problem liegt also woanders – Sie ahnen es schon. Es liegt in Ihnen!

Anfang der 1980er Jahre starteten die beiden erfolgreichen Futures-Trader Richard Dennis und William Eckhardt ein Projekt. Sie wollten wissen, ob man Trader wie Schildkröten züchten kann. Weshalb sie ihr Projekt TURTLE TRADER nannten. Von 1000 Bewerbern wurden 10 ausgewählt. In einem zweiwöchigen Kurs lehrten sie ihren Schülern ihr seit vielen Jahren profitables Trendfolgesystem. Am Ende zeigte sich: nur die wenigsten Teilnehmer holten das Optimum aus dem Tradingsystem heraus. Einige schieden ganz aus, oder mussten die Gruppe sogar verlassen. Der Grund dafür fand sich in ihren Schwächen bezüglich ihres emotionalen Selbstmanagements.

An diesem Experiment war deutlich zu erkennen, worauf es beim erfolgreichen Trading wirklich ankommt.

Erstens: Man braucht ein Handelssystem, das zu einem passt, sprich, sich mit der eigenen Persönlichkeit deckt. Ungeduldige Menschen etwa können schlecht Trends in großen Zeiteinheiten handeln.

Zweitens: die emotionalen Belastungen des Tradings und gewohnte Denkstrukturen verleiten die Händler zu unüberlegten Handlungen, die sich dann wiederum negativ auf die Performance auswirken. Vor allem das Ausstoppen von Positionen bereitete den Tradinganfängern große Schwierigkeiten. Aber auch angelaufene Gewinne sinnvoll laufen zu lassen. Viele bastelten aus Angst, Geld zu verlieren, an dem Turtel-Trader-Regelwerk herum und veränderten so einige wichtige Parameter.

Das kommt Ihnen bestimmt bekannt vor!

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Ich bin sicher, wären die Teilnehmer nicht verpflichtet gewesen, sich an das vorgegebene Regelwerk zu halten, hätten sie vor dem großen Druck reißaus genommen und sich ein komplett anderes Handelssystem gesucht, in der Hoffnung, weniger Verluste damit machen zu können. Das ist ein typisches Verhalten von Anfängern, dass meist viele Monate und sogar manchmal jahrelang den Ausbildungsprozess begleitet. Am Ende kommt man nicht selten bei seinem Ursprungs-System wieder an.

Der Grund: Die eigene Persönlichkeit sucht sich immer IHREN Weg.

Warum nun ist es so schwer, bei einem System zu bleiben? Der Hauptgrund dafür ist das Bedürfnis nach Sicherheit. Menschen suchen Sicherheit, wo immer es ihnen möglich ist. Deshalb schließen sie Versicherungen ab, fahren ein modernes Auto mit Airbags oder wählen politische Parteien, die ihnen genau das versprechen.

Tatsache ist – Sicherheit gibt es nicht!

Nichts ist so sicher wie die Unsicherheit. Das gilt für Ihren Arbeitsplatz, für Ihre Beziehung, Ihre Fahrt zur Arbeit oder den Trades, die sie eingegangen sind. Niemand weiß, ob es endet, wie Sie es sich wünschen. Sie suchen beim Trading nach Systemen, die sicher sind. Und sicher bedeutet hier – keine Verluste! Jedes Geschäft, das Sie tätigen, ist ein Geschäft der Wahrscheinlichkeit. Zwar ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein großer Versicherungskonzern pleite geht, sehr gering, aber möglich ist es, dass hat uns gerade die jüngste Vergangenheit deutlich gezeigt.

Der Mensch ist bemüht, bei jedem Geschäft einen Totalverlust zu vermeiden. Auch bei seinen täglichen Aktivitäten ist er darauf bedacht, ans Ziel zu kommen. Und da ihm das auch die meiste Zeit über gelingt, hat sich diese „Wahrheit“ in ihm fest verankert. Man geht also an ein Projekt heran, mit der bewussten oder unbewussten Erwartung, dass es auch wie gedacht zum Ziel führt. Der Grund dafür ist, dass man die meisten Verlaufsformen in seinem Leben scheinbar bestimmen kann. Tatsache ist – es schwingt letztlich immer das Unmögliche, der schwarze Schwan, das Nichtgelingen, mit. Aber es tritt eben nur selten ein – das gibt uns die Illsuion von Sicherheit.

Wer sich auf das Spielfeld des Tradings begibt, hat es mit völlig anderen Bedingungen zutun. Das Umfeld ist absolut nicht kontrollierbar. Jedenfalls nicht, was den Verlauf der Kurse anbelangt. Was eben noch stieg, fällt im nächsten Moment wie ein Stein gen Süden. Für unser Gehirn ist das immer wieder aufs Neue eine sehr große Herausforderung. Der Grund dafür ist: es ist anderes gewohnt. Oder um es genauer auszudrücken – unser Gehirn wurde durch unsere Lebensabläufe anders beeinflusst/programmiert.

Kommt es nun bei Ihrem Trading immer wieder zu Verlusten, was vollkommen normal ist, dann deutet Ihr Gehirn das als ein Störgefühl. Im nächsten Schritt will Ihr Gehirn dieses Störgefühl vermeiden, denn es verursacht ein Gefühl von Angst. Um diese Angst zu vermeiden, schaltet sich ihr Bewusstsein ein, welches von Ihrem Unbewussten beeinflusst wurde. Es sucht nach einer Lösung, sich von diesem Störgefühl zu befreien. Der einfachste und fest in unserem Gehirn verankerte Lösungsweg aus diesem Dilemma ist – Flucht. Sie vermeiden es also, dieses System, welches in Ihnen ein Störgefühl von Angst macht, weiter zu traden. Nun wollen Sie aber gerne weiterhin traden. Was tun Sie? Sie suchen sich ein neues Regelwerk, in der Hoffnung (bewusst/unbewusst), dass Sie so an Ihr gewünschtes Ziel kommen werden: Tradinggewinne zu erzielen, ohne, das es ich Ihrem Gehirn ein Störgefühl (Angst) durch Verluste auslöst.

Das wird vermutlich auch beim nächsten Handelsystem nicht funktionieren, weshalb Sie bereit sind, das Spiel immer wieder zu wiederholen. Ausgelöst von ihrem unbewusstem Angstzentrum, das in Ihnen diese unsinnige Angst verursacht und Sie zu diesen Handlungen zwingt.

Nach dem Prinzip „Versuch und Irrtum“ werden Sie solange gegen die Wand laufen, bis Sie irgendwann mit Hilfe Ihres Bewusstseins erkennen, dass es eine klügere Idee ist, doch besser durch die Tür auf die andere Seite zu gelangen – Sie erkennen, dass nicht das Handelssystem an ihrem Nichterfolg Schuld ist, sondern Ihr emotionales Selbstmanagement. Sprich: sie sind nicht in der Lage Ihre angst auslösenden Emotionen zu kontrollieren.

Sie sind also an der selben Stelle, an der Sie vielleicht schon vor Wochen, Monaten oder Jahren waren. Diese Erkenntnis ist nicht gerade angenehm, aber äußerst hilfreich! Denn jetzt können Sie wirklich ernsthaft an der Lösung Ihres Problems Verlustangst arbeiten.

Aber was genau machen Sie nun mit Ihren Ängsten? Diese müssen Sie in den Griff bekommen. Denn nur so sind Sie in der Lage, sich und Ihrem Regelwerk zu vertrauen und dauerhaft profitabel zu werden. Empfehlenswert ist eine gezielte Gewöhnung, dass Verluste zum Trading nicht nur dazu gehören, sondern vollkommen normal sind. Dazu braucht es allerdings mehr als nur die Angst vor dem einzelnen Verlusttrade zu verlieren. Dies ist einer der wichtigsten Aspekte in meinem bettermind-Coaching-Programm für Trader. Dieses Coaching-Programm wurde speziell für die Anforderungen des Tradings entwickelt. Hier können Sie sich mit Hilfe von gezielten Suggestionen und Affirmationen antrainieren, was Ihr Gehirn unbedingt braucht um erfolgreich zu werden. Und zwar genau da, wo diese unsinnigen Reflexe für unser Fehlverhalten beim Trading ausgelöst werden – am Unbewussten. Im Spitzensport gehören solche Methoden unabdingbar zum täglichen Training dazu.

Norman Welz

Experte für angewandte Tradingpsychologie

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