Kommentar
08:55 Uhr, 23.07.2018

TARGET2: Billionen-Euro-Forderungen kein Problem?

Spätestens seit Hans-Werner Sinns Aufklärungs- und Feldzug zu Target2 sind die Bilanzen fast jedem ein Begriff. Und seither hält sich der Verdacht, dass sie eine Zeitbombe sind.

Bis 2007 war in der Eurozone alles in Ordnung. Die Target2-Salden waren ziemlich ausgeglichen. Im Januar 2002 hatte Deutschland sogar einmal einen stattlichen, negativen Saldo von fast 30 Mrd. Euro. Seit 2007 ist alles anders. Seither hat Deutschland einen Überschuss, der demnächst wohl 1 Billion Euro erreichen wird.

Ein Überschuss bedeutet, dass die Deutsche Bundesbank gegenüber der EZB eine Forderung hat. Die Forderung entsteht, wenn etwa Waren aus Deutschland in einem anderen Land gekauft werden. Die Forderungen steigen nun seit 10 Jahren an und ein Ende ist nicht in Sicht.

Der Forderung der Deutschen Bundesbank gegenüber der EZB steht eine Verbindlichkeit einer anderen nationalen Notenbank gegenüber der EZB entgegen, z.B. der italienischen Zentralbank. Forderungen und Verbindlichkeiten an sich sind kein Problem. Es gibt sie in jeder Bilanz eines Unternehmens oder auch bei jedem Bürger persönlich. Wir legen unser Geld aufs Konto. Es gehört uns, liegt aber bei der Bank. Wir haben daher eine Forderung gegenüber der Bank. Die Bank wiederum verbucht unsere Geldeinlage als Verbindlichkeit.

Das Prinzip ist überall zu finden und funktioniert seit ewigen Zeiten hervorragend. Wieso sollte es gerade bei Target2 ein Problem sein?

Hier wird die Sache spannend. Deutschland baut Forderungen auf, weil andere Länder Produkte aus Deutschland kaufen. Das ist der Exportüberschuss. Ebenso werden deutsche Assets wie Staatsanleihen erworben. Die Forderungen steigen und steigen. Das ist aber erst seit der Krise der Fall. Wieso?


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Die Probleme beginnen mit dem fehlenden Vertrauen. Vor der Krise liehen sich z.B. Banken auch über Grenzen hinweg Geld. Die Forderungen Deutschlands, etwa im Warenhandel, wurden ausgeglichen, indem an anderer Stelle wieder Geld in das Land floss, welches eine Verbindlichkeit hatte.

Gegenläufige Zahlungsströme können vielfältiger Natur sein, etwa Ausleihungen unter Banken oder Investitionen in Anlagen. Die USA sind ein gutes Beispiel. Sie haben mit Handel ein Defizit. Dieses Defizit wird ausgeglichen, indem das Ausland US-Staatsanleihen kauft.

In der Eurozone ist das Vertrauen dahin. Daher legt Deutschland das Geld aus den Überschüssen nicht mehr in den Krisenländern an. Der Geldstrom geht nur noch in eine Richtung, was zu immer höheren Forderungen führt. Tritt ein Land nun aus der Eurozone aus, sind die Forderungen vermutlich nicht mehr viel wert. Aber ist das ein Unterschied zu früher?

Früher hielt Deutschland Assets in den Ländern, die mit Deutschland ein Defizit auswiesen. Bei einer Krise wären diese Assets ebenfalls deutlich weniger wert. Der Verlust entsteht mit und ohne Target2. Also sind die T2-Bilanzen kein Problem?

Nicht ganz. Geht das Vertrauen verloren und versiegen die gegenläufigen Geldströme, wertet die Währung eines Defizitlandes deutlich ab. Wirtschaftlich kommt es zu einer Anpassung. Das kann man derzeit in Argentinien sehen. Die Währung wertete radikal ab, die Zinsen stiegen auf 40 %, die Wirtschaft lahmt. Die Defizite reduzieren sich mit der Zeit durch diese Anpassungen automatisch.

Solche Anpassungen sind im Euroraum nicht möglich. Target2 ermöglicht es Ländern, notwendige Anpassungen zu verschleppen bzw. niemals durchzuführen, teils auch, weil es gar nicht geht (Währungsabwertung). Target2 ist nicht die Ursache des Problems, verhindert aber, dass das Problem über Anpassungen in der Währung und Wirtschaft gelöst wird.

Ohne den Euro wären Italien, Griechenland und Portugal vermutlich längst bankrott. Deutschland hätte dabei auch Geld verloren, aber längst nicht so viel wie es jetzt verlieren würde, da die Insolvenz so lange verschleppt wurde. Je länger dieser Zustand anhält, desto mehr gibt es zu verlieren. Daher ist für alle klar, dass der Euro nicht auseinanderbrechen darf. Das würde zwar die Pleite einiger Länder ermöglichen und notwendige Anpassungen herbeiführen, doch gleichzeitig würde es jedes Land mit hohen Überschüssen mit in den Abgrund reißen.

Jetzt noch die Reißleine zu ziehen ist den Regierungen zu brisant. Es bleibt nur die Flucht nach vorne, sprich: das Hoffen, dass sich alles wieder einrenkt.

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28 Kommentare

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  • German2
    German2

    es ist einfach nur betrug am Steuerzahler.. dieser zahlt die Zechje...

    16:01 Uhr, 23.07. 2018
  • shark
    shark

    , Target ist letztlich eine „goldene Kreditkarte“ ohne Limit für die Defizitländer.

    Nur irgenwann ist Zahltag und dann stehen sich Gläubiger und Schuldner gegnüber

    Die Target 2 Forderungen der deutschen Bundesbank dürften aktuell bei ca 1 000Mrd € liegen

    Hauptschuldner Italien-))

    Ein Schelm der Böses dabei denkt.-)))

    15:17 Uhr, 23.07. 2018
    2 Antworten anzeigen
  • TomCat
    TomCat

    Wir werden bald sehen wie der Eiertanz in Spanien und Italien los geht. Dagegen wird Griechenland wie ein laues Lüftchen gewesen sein.

    13:10 Uhr, 23.07. 2018
  • Elchness
    Elchness

    Wie schon einmal unter einem Artikel zu den Target2 Salden geschrieben, stellt sich mir die Frage: Könnte man nicht eine neue Bundesbank gründen, die Sachwerte der alten Bundesbank auf die neue übertragen und dann die alte Bundesbank mit den Target2 Salden pleite gehen lassen?

    Wer hätte daraus einen Nachteil?

    Die Firmen und Geschäftsbanken haben ihr Geld ja sowieso schon.

    12:14 Uhr, 23.07. 2018
    1 Antwort anzeigen
  • Billabong
    Billabong

    Target 2 Salden gegen Goldbestände ausgleichen ? Oder in Griechenland wurde doch auch das Tafelsilber verscherbelt indem die Seehäfen und Flughäfen teils privatisiert worden sind. Oder wie wärs mit Ölvorkommen in der Ägäis, irgendwas könnte man doch gegenrechnen ?

    11:50 Uhr, 23.07. 2018
    1 Antwort anzeigen
  • Fuzzi
    Fuzzi

    Hallo, ich bin nur ein Laie in Sachen Volkswirtschaft, aber: wäre es nicht eine gute Lösung, wenn Deutschland den Import aus den Ländern, mit denen ein grosser Bilanzüberschuss existiert, intensiviert wird ?

    Wenn man also den Import von Gütern "made in Italy" verstärkt, sofern möglich (dass also die gewünschten Waren dort auch hergestellt werden).
    So könnte man den Überschuss sinnvoll reduzieren, noch eine Gegenleistung erhält und vielleicht sogar den Arbeitsmarkt in den Ländern reduziert und die dortige Wirtschaft fördert ?

    11:08 Uhr, 23.07. 2018
    1 Antwort anzeigen
  • Teebeutel
    Teebeutel

    Naja, das Geld ist weg und daher ist das kein Unsinn. Es macht sich nur nicht im Haushalt bemerkbar. Kann mir gut vorstellen das man wie Griechenland Italien mit Rettungspaketen künstlich am Leben erhalten wird. Man hätte Griechenland damals rauswerfen müssen, dann hätte man einmalig die Verluste abgeschrieben und das wars, alles andere ist Insolvenzverschleppung. Aber Politiker denken nur in Wahlperioden und stets an ihre Wiederwahl, niemand wird die Wahrheit aussprechen noch den schmerzlichen Schritt wagen. Ist wie mit der Rente, da ist nur die AfD ehrlich und sagt die ist so nicht mehr finanzierbar, die Medien bringen dann Headlines ala "AfD will Rente abschaffen" und die Menschen sind aufgebracht. Am Ende wählt man dann den der einen anlügt ala "Die Rente ist sicher".

    10:59 Uhr, 23.07. 2018
    1 Antwort anzeigen
  • Sputnik1648
    Sputnik1648

    Moin, moin,

    es wird sicher eine sportliche Aufgabe werden, dem Wähler zu erklären, dass dieses Geld verloren ist. Nur solange die Notwendigkeit nicht besteht, solange bleibt Jack in the Box. Wozu über künftige Probleme reden?

    Wie hier bereits geschrieben wurde, sammeln sich langsam die "Albträume" bei unseren Regierenden an. Das Problem entsteht erst, wenn Druck von der "Straße" entsteht, wenn echte, ersthafte Lösungen eingefordert werden. Aber so langsam dämmert einigen etwas, etwas stimmt in Entenhausen nicht mehr. Also passiert das, was in diesen Fällen immer passiert, die Probleme werden weg diskutiert, weg gerechnet und sollte dann noch jemand anderer Meinung sein, dann ist er halt ein Ewiggestriger.

    Fazit: Willkommen an Bord der Titanic, geniessen sie unsere Fahrt und denken sie nicht über Eisberge nach.

    10:16 Uhr, 23.07. 2018
  • Alexperte
    Alexperte

    Das Target2-Geld ist für uns in jeden Fall weg.
    - Tritt Deutschland aus der EU aus, ist es per se verloren.
    - Tritt Italien & Co aus, ist es ebenfalls verloren, da diese Länder es in Euro nicht zurückzahlen können und
    - bleibt alles wie es ist, ist es auch verloren, denn es handelt sich bei Target2 um Kredite mit unendlicher Laufzeit und zinsfrei. Nicht einforderbar und unverzinst! Ein Unternehmen müsste das SOFORT bilanziell komplett abschreiben.

    Target2 ist ein wunderschönes Instrument entgegen dem demokratischen Willen des Volkes KEINEN Länderfinanzausgleich vorzunehmen, diesen mit der üblichen politischen Doppelmoral durch die Hintertür still und heimlich eben doch durchzuführen.

    Warum denn auch nicht, denn ALLE sind damit zufrieden!
    - Die Politik hat Ihren Länderfinanzausgleich,
    - die deutschen Konzerne haben Produkte ins Ausland verkauft,
    - die deutsche Wirtschaft/Politik kann wieder Vollbeschäftigung und unglaublich tolle (Pseudo-)Wirtschaftszahlen ausweisen
    - sogar die Käufer unserer Produkte freuen sich, da sie diese niemals bezahlen müssen.

    Ich frag mich, wann denn der Souverän endlich mal aufwacht? Insofern vielen Dank Herr Schmale für Ihren Beitrag. Ich hoffe, es lesen ihn viele und schalten dabei sogar Kopf ein.

    10:15 Uhr, 23.07. 2018
    1 Antwort anzeigen
  • kingkong007
    kingkong007

    Der nächste Albtraum ist schon unterwegs. "Edis" !

    09:40 Uhr, 23.07. 2018

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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