Stolperstein Frankreich
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Viele Börsianer schauen derzeit den steigenden Kursen hinterher. Die französische Präsidentschaftswahl könnte ihnen die erhoffte Korrektur und Gelegenheit zum Einstieg bringen.
Was ist schlimmer? Eine Börse die fällt, wenn man engagiert ist, oder eine steigende Börse, und man ist selbst nicht dabei? Nüchtern betrachtet, ist der erste Fall der schlimmere, denn in diesem verliert man Geld, während man im zweiten nur Gewinne verpasst.
Doch der Börsianer ist auch nur ein Mensch und empfindet es umgekehrt. Denn fällt die Börse und er ist dabei, dann verliert er zwar Geld, doch er hat das gute Gefühl: Alle anderen verlieren auch. Steigt die Börse aber, und er hat keine Engagements, drängt sich ihm unwiderruflich das Gefühl auf: Alle verdienen, nur ich nicht.
Die Rallye, die die Aktienmärkte und insbesondere der DAX seit Jahresanfang hingelegt haben, wird bei vielen Investoren genau diesen Schmerz erzeugen. Denn aus dem „Zu Tode betrübt“, das noch zum Jahresende herrschte, ist in nur wenigen Wochen ein „Himmelhochjauchzend“ geworden. Die Gründe liegen auf der Hand und jetzt, wo sie zu den Kursen passen, werden sie von den Kommentatoren auch fröhlich zitiert: Das Griechenlandproblem ist abgehakt, weil das Land kein, und die Bankenwelt mittlerweile auf eine Insolvenz vorbereitet ist. Zudem rutscht die deutsche Wirtschaft wegen der Schwäche in der Europeripherie nun doch nicht sofort in die Rezession. Der Export in die Wachstumsregionen bietet nach wie vor entsprechende Kompensation.
Vor diesem Hintergrund sind die Aktienbewertungen mit einem unter dem historischen Durchschnitt liegenden Kurs/Gewinn-Verhältnis und den Minizinsen bei Bundesanleihen, die dem Anleger als risikolose Alternative zur Verfügung stehen - wirklich spotbillig – und zwar immer noch!
Also jetzt dem fahrenden Zug hinterherlaufen und noch schnell aufspringen? Auch hier ist es wieder die Emotion, die dem Börsianer schwer zu schaffen macht. Denn günstige Bewertung hin oder her, will man wirklich einstiegen nachdem der DAX gegenüber seinen Tiefstkursen aus dem vergangenen Jahr bereits wieder um 2000 Punkte geklettert ist? Und wie wird man sich erst fühlen, wenn dann genau die Korrektur einsetzt, auf die man gewartet hat. Dann war man nicht nur erst zu zögerlich, sondern später auch noch zu ungeduldig, wie ein blutiger Anfänger.
Ich kann alle diese Gefühle bestens nachvollziehen, habe ich sie doch unzählige Male selbst erlebt. Auch ich würde mich schwer tun, jetzt auf den fahrenden Zug aufzuspringen.
Doch es gibt vielleicht Hoffnung, für diejenigen, die noch tiefer in den Markt einsteigen wollen: Die französischen Präsidentschaftswahlen. Derzeit liegt der Amtsinhaber Nicolas Sarkozy klar hinter seinem Herausforderer Francoise Hollande. Letzterer ist Sozialist und hält nicht viel vom Nacheifern des deutschen Modells, das Sarkozy propagiert. Auch den Fiskalpakt zur Stabilisierung des Euros betrachtet er mit Skepsis. Er gehört damit zu den europäischen Politikern, die das Sparen allein, nicht für den Lösungsweg halten. Ganz falsch ist das nicht, doch unabhängig davon, könnte mit dem Näherrücken des ersten Wahltermins am 22. April plötzlich wieder Unsicherheit um sich greifen und Anlass für erste Positionsauflösungen geben. Denn wird der Fiskalpakt in Frage gestellt, dann sind auch die Hilfszahlungen des wichtigsten Einzahlers Deutschland in Frage gestellt und damit auch der Euro selbst.
Dieses Szenario würde sicher einige in Angst und Schrecken versetzen. Eine so ausgelöste Korrektur könnte alldenjenigen, die dann nicht schon wieder der Mut verlässt, die Chance geben, nochmals tiefer in den Aktienmarkt hinein zu kommen. Nach oben drehen dürfte der Markt dann spätestens am Tag nach der Wahl, denn bekanntermaßen haben politische Börse kurze Beine. Und ob Hollande wirklich Verträge brechen wird, halte ich noch für sehr unwahrscheinlich.
Mehr von und über Stefan Riße erfahren Sie unter www.rissesblog.de
Stefan Riße, ist Portfolio Manager bei der HPM Hanseatischen Portfoliomanagement GmbH in Hamburg. Bekannt ist er durch seine jahrelange Tätigkeit als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender N-TV. Sein aktuelles Buch „Die Inflation kommt“, belegte 2010 erste und zweite Plätze auf den bekannten Wirtschaftsbuch-Bestsellerlisten.
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.