Schreckgespenst Stagflation
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Von der (guten) Reflation, über die (temporäre) Inflation zur (bösen) Stagflation. Etwas überspitzt formuliert, könnte man so die Berichterstattung im Jahresverlauf zum Thema der Preissteigerungen im Zuge der Konjunkturerholung nach dem Corona bedingten Wirtschaftseinbruch kurz zusammenfassen. War zu Jahresbeginn die Reflationierung als gelungene Konsequenz der expansiven Notenbank- und Fiskalpolitik über den Begriff „Reflation Trade“ noch absolut positiv besetzt, so wurden die ersten markant erhöhten Inflationsraten ab dem zweiten Quartal – wenn auch als Folge von Basiseffekten erwartet – schon mit erhöhter Aufmerksamkeit verfolgt. Da jedoch die meisten Analysten und Notenbanker nahezu gebetsmühlenartig den Inflationssprung als „transitorisch“, also vorübergehend und eben nicht als dauerhaft oder gar strukturell, kommentiert haben, beruhigten sich zum Sommerbeginn die Finanzmarktgemüter wieder relativ schnell.
Im Verlauf des zweiten Halbjahres und mit der Erkenntnis, dass die Wachstumsdynamik zwar ihren Höhepunkt überschritten hat, die Inflationsraten jedoch länger als angenommen auf deutlich erhöhtem Niveau verharren, tauchte in den Medien auch der negativ besetzte Begriff der Stagflation auf. Negativ besetzt nicht zuletzt deshalb, weil neben anderen preistreibenden Effekten, die aktuell scheinbar nicht zu bremsende Energiepreisentwicklung das zuletzt in den 1970er und 1980er Jahren aufgetretene Phänomen in Erinnerung gerufen hat. Und diese Erinnerung ist keine gute, gilt doch das gleichzeitige Auftreten wirtschaftlicher Stagnation bei hoher Inflation als schlechteste aller Welten. Natürlich sind Schlagzeilen hinsichtlich einer Stagflation zum gegenwärtigen Zeitpunkt weit übertrieben, aber es gilt dennoch, etwaige sich verstärkende Tendenzen in diese Richtung auch in Hinblick auf den Handlungsspielraum der Notenbanken aufmerksam zu verfolgen.
Staatsanleihen – noch keine Stabilisierung der Inflationserwartungen
Unsere Erwartung höherer Staatsanleiherenditen hat sich zuletzt abermals bestätigt. Wir bleiben bei kerneuropäischen Staatsanleihen weiterhin vorsichtig, ebenso bei US-Staatsanleihen. Innerhalb der Euro-Staatsanleihen gewinnen inflationsindexierten Papiere wieder etwas an Bedeutung, nachdem sich die langfristigen Inflationserwartungen nach wie vor nicht stabilisiert haben.
Unternehmensanleihen: attraktivste Assetklasse innerhalb des Anleihesegments
Unternehmensanleihen erachten wir innerhalb des Anleihesegments derzeit als attraktivste Assetklasse, insbesondere Euro-Investmentgrade- und US-High-Yield-Unternehmensanleihen.
Neu hinzu kommt die positive Bewertung von Euro-High-Yield-Credits, deren Risikoprämien wir – nach zwischenzeitlichen Anstiegen – nun wieder moderat attraktiv sehen. In Summe zeigte sich zuletzt, dass die Risikoprämien von Euro-Unternehmensanleihen Anstiege hinnehmen mussten, während jene von USD-Credits im Wesentlichen davon verschont blieben. Mitverantwortlich dafür ist unserer Meinung nach der Sektormix (USA mit mehr Energiewerten).
Emerging-Markets-Hartwährungsanleihen: fundamentale Datenlage verliert an Dynamik
Das vermutlich frühere Ende des Anleihekaufprogramms der US-Notenbank
und ein möglicherweise aggressiverer Zinsanhebungszyklus macht Schwellenländer-Hartwährungsanleihen aus unserer Sicht zunehmend unattraktiver. Hinzu kommt, dass die
fundamentale Datenlage in den Emerging Markets zuletzt etwas an Dynamik
verloren hat.
Entwickelte Aktienmärkte: Thema Inflation rückt in den Fokus
Die internationalen Aktienmärkte präsentierten sich in den letzten Wochen erneut sehr fest. Zuletzt drängte das Thema Inflation immer stärker in den Mittelpunkt. Die Aktieninvestoren scheinen das aktuell zwar noch sehr entspannt zu sehen, wir erwarten aber, dass dies im Zusammenhang mit der Diskussion um den Zeitpunkt und den Pfad der Rückführung von Notenbankmaßnahmen (ausgehend von den USA) immer stärker in den Fokus der Anleger rücken wird. Wir behalten daher unsere neutrale Aktienposition bei.
Schwellenländer-Aktienmärkte: alte Technologien mit stärkster Entwicklung
Auch in den Schwellenländern macht sich der Trend bemerkbar, dass Aktien aus dem Bereich der alten Technologien (Energie, Grundstoffe und Finanz) die Sektoren mit der stärksten Entwicklung in diesem Jahr sind. Dies sollte nicht weiter überraschen, zumal Rohstoffpreise quer durch die Bank einen kaum bremsbaren Höhenflug erleben. Das massive Unterinvestment aufgrund des Klimawandels ist hier sehr stark spürbar. Die Gewinnentwicklung in Lateinamerika hat zuletzt einen Dämpfer erfahren, sollte sich aber demnächst erholen.
Rohstoffmärkte präsentieren sich weiter von der festen Seite
Die Rohstoffmärkte präsentieren sich weiter von der festen Seite. Dabei treten Angebotsthemen immer stärker in den Mittelpunkt. Trotz gestiegener Preise sind die Unternehmen, was Investitionen betrifft (und damit zukünftiges Angebot), weiterhin sehr diszipliniert. Diese Zurückhaltung dürfte zu keiner raschen Entspannung auf der Angebotsseite führen und daher die Rohstoffpreise weiter unterstützen.
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