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15:11 Uhr, 18.03.2022

Russland wendet Staatspleite ab, doch der Lackmustest steht erst noch bevor

Wie Reuters berichtet, sind derzeit russische Fremdwährungsanleihen im Gesamtvolumen von etwa 40 Mrd. Dollar im Umlauf.

Moskau (Godmode-Trader.de) - Nach der Zahlung ist vor der Zahlung: Die russische Regierung ist weiter bemüht, die erste Staatspleite seit über 100 Jahren noch zu umschiffen. Das von den westlichen Sanktionen belegte Land hat am Freitag zwei Dollar-Anleihen in Höhe von 117 Mio. Dollar bedient. Die Zahlung befinde sich bei der für die Auszahlung zuständigen Bank Citigroup, erklärte das russische Finanzministerium am Freitag. Man sei damit seinen Verpflichtungen nachgekommen. Doch schon kommende Woche müssen weitere 66 Mio. Dollar an Fremdwährungsanleihen an Gläubiger zurückgezahlt werden. Der große Test folgt dann am 4. April: Dann steht eine Anleihe im Wert von zwei Mrd. Dollar zur Rückzahlung an.

Wie Reuters berichtet, sind derzeit russische Fremdwährungsanleihen im Gesamtvolumen von etwa 40 Mrd. Dollar im Umlauf. Rund die Hälfte davon wird von ausländischen Investoren gehalten. Das Pikante ist: Für Anleihen, die nach 2018 verkauft werden, ist der Rubel als alternative Währungsoption aufgeführt. Die Währung hat aber seit dem Beginn der Ukraine-Invasion und den folgenden westlichen Sanktionen massiv an Wert verloren. Mehrere Ratingagenturen hatten ihre Bewertung für die Kreditwürdigkeit Russlands tief in den Ramsch-Bereich gedrückt. Zuletzt am Donnerstag S&P. Die Kreditspezialisten sehen die Zahlungsfähigkeit Russlands gefährdet. Das Land sei „sehr anfällig für Zahlungsausfälle", erklärten die Bonitätsprüfer.

Die meisten russischen Anleihen wurden aber in Dollar aufgelegt und Zinszahlungen müssen daher auch in der US-Währung fließen. S&P erklärte dazu, dass ein Zahlungsausfall festgestellt werden könnte, wenn Investoren keinen Zugriff auf ihr Geld hätten oder Zahlungen in einer Währung erfolgten, die nicht in den Anleihebedingungen aufgeführt sind und der Investor der alternativen Zahlung nicht zustimme. Die russische Regierung hat bereits angedeutet, Zinszahlungen künftig in Rubel zu tätigen, falls Zahlungen in US-Dollar aufgrund von Finanzsanktionen nicht möglich sind.

Die russische Notenbank hat auf die heftigen Sanktionen des Westens derweil nicht mit einer weiteren Leitzinserhöhung reagiert. Der Leitzins bleibe bei 20,0 Prozent, teilte die Bank Rossii in Moskau mit. Mit der Entscheidung war am Markt gerechnet worden, nachdem die Zentralbank Ende Februar den Zins drastisch um 10,5 Prozent auf das aktuelle Niveau angehoben hatte. Die russische Wirtschaft sei in eine Phase einer „weitreichenden strukturellen Transformation" eingetreten, beschreibt die Notenbank die Lage. Diese werde durch eine Periode mit einer zeitweise hohen Inflation begleitet. Zudem dürfte die Wirtschaftsleistung in den nächsten Quartalen schrumpfen. Die künftige Geldpolitik hänge von der Entwicklung der Lage ab.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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