Rückenwind von gestern - Gegenwind von morgen?
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Auf die internationale Finanzkrise folgten zehn Jahre Stagnation. Und doch war es eine außerordentlich gute Zeit für Unternehmensgewinne und Aktionärserträge. Mit der geld- und fiskalpolitischen Antwort auf die Pandemie ging die Stagnation aber zu Ende, sodass sich die Gewinnmargen weltweit ungewöhnlich schnell erholten. Aber jetzt lässt das Wirtschaftswachstum überraschend schnell nach, während andauernde massive Lieferkettenstörungen Produzenten- und Verbraucherpreise steigen lassen. Auch wenn die Engpässe nicht von Dauer sind, haben sich die Rahmenbedingungen klar verschlechtert. Das wirft die Frage auf, ob die Kurse risikobehafteter Wertpapiere die Auswirkungen eines möglichen drastischen Umsatzrückgangs und steigender Faktorkosten auf die Gewinne vollständig abbilden.
Jahre der Stagnation
Nach der internationalen Finanzkrise sorgte die sogenannte Finanzrepression – Zinsen unter der Inflationsrate infolge einer expansiven Geldpolitik – für reichlich billiges Geld. Aufgrund der schwachen Wachstumsaussichten investierten viele Unternehmen das Geld aber nicht, sondern kauften Aktien zurück. Neue Technologien hatten die Prozesse digitaler und effizienter gemacht, vom Backoffice bis zum Frontoffice. Arbeitsplätze wurden ausgelagert, und auf der Suche nach neuen Sparpotenzialen wurden die Lieferketten immer komplexer. Die Zahlungsfristen wurden verlängert, und bisweilen wurden Kredite aufgenommen, um das Betriebsvermögen zu schonen.
Durch die ausbleibenden Investitionen ging das Wachstum weiter zurück, sodass noch weniger investiert wurde – sei es in Immobilien, Fabriken, Technik oder Arbeitsplätze. Ein Teufelskreis entstand. Zur Überraschung der Geldpolitiker änderten daran auch die niedrigen Kapitalkosten nichts. Die 2010er wurden zum Jahrzehnt des schwachen Wachstums und der niedrigen Inflation – aber auch zu einer Zeit mit sehr hohen Unternehmensgewinnen (siehe Abbildung 1 im angehängten PDF).
Kommando zurück
Selbst wenn die derzeitigen Angebotsstörungen nicht von Dauer sind, gehen sie weder an der Realwirtschaft noch an den Unternehmensgewinnen spurlos vorüber. Dafür gibt es zwei einfache, voneinander unabhängige Gründe: Angebotsschocks dämpfen das Wachstum und sorgen für höhere Faktorkosten. Wenn die Unternehmen weniger Güter verkaufen, fallen die Umsätze. Und wenn die Produktionsfaktoren knapp sind, werden sie teurer. Ob Arbeit, Grundstoffe und Energie – überall sorgen Engpässe für höhere Kosten. Für die Nettogewinne kann das nicht gut sein.
Steigende Faktorkosten im Aufschwung sind nichts Ungewöhnliches, und meist sind sie auch kein Problem. Weil Absatzmengen und -preise in der Regel noch stärker steigen, werden die höheren Kosten mehr als ausgeglichen. Die Margen brechen nicht ein. Auch in diesem Aufschwung war es bislang so. Aber eine Sache ist anders.
In der Rezession zwingen die Marktkräfte Unternehmen meist zum Schuldenabbau. Aber diesmal war das Gegenteil der Fall. Doch leider erwarten Anleihegläubiger und andere Kreditgeber auch dann Zinsen und Rückzahlungen, wenn die Schuldner nicht produzieren können und sich die Energiepreise verdreifacht haben. Wenn das Wachstum nachlässt, könnten schwächere Unternehmen zu Preissenkungen gezwungen sein, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Kombination aus niedrigerem Umsatz und zusätzlichen Kosten könnte dann fatal sein. Die Credit Spreads liegen heute zwei Standardabweichungen unter ihrem Vergangenheitsdurchschnitt, da beim Gewinnstreben das Kreditrisiko vernachlässigt wurde. Wenn Geld- und Fiskalpolitik nicht mehr so expansiv sind und das Wirtschaftswachstum nachlässt, sollte man finanzschwache Hersteller von Standardprodukten unserer Ansicht nach meiden.
Hinzu kommt, dass sich die Gewinnmargen vieler Unternehmen auf Allzeithochs befinden. Wenn die Kurs-Gewinn-Verhältnisse so hoch sind wie heute, müssen Investoren unbedingt die Bewertungen im Blick behalten – die KGV ebenso wie die zugrunde liegenden Gewinnschätzungen. Schließlich sind die Bewertungen nur so aussagekräftig wie die fundamentalen Annahmen, auf denen sie beruhen.
Zurück in die 70er?
Langsam geht das Wirtschaftswachstum wieder auf das Vor-Corona-Niveau zurück. Aus dem Rückenwind für die Unternehmensgewinne in den Jahren nach der internationalen Finanzkrise könnte allmählich Gegenwind werden. Ich bin zwar kein Volkswirt, und ich sage auch nicht, dass sich jetzt die Stagflation der 1970er wiederholt. Aber ich achte darauf, was die derzeitigen Entwicklungen für die Unternehmensfinanzen bedeuten. Ich fürchte, dass die Rückkehr zum Trendwachstum in Verbindung mit übermäßigen Unternehmensschulden und steigenden Kosten – nicht nur durch Lieferengpässe, sondern auch durch andere Faktoren – bewirkt, dass die Kapitalrenditen nicht das halten, was sich viele erhoffen.
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