Rezessionsangst versus Anlagenotstand
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Die US-Wirtschaft droht in eine Rezession zu rutschen, dennoch muss das nicht zwangsläufig den nächsten Crash bedeuten
Was die Aktienkurse derzeit unter Druck setzt, ist die Angst vor einer erneuten Rezession in den USA. Auslöser hierfür waren die extrem enttäuschenden Konjunkturdaten aus den USA. Vor allem der US-Immobilienmarkt, der immer noch als Schlüssel für eine konjunkturelle Erholung gesehen wird, zeigte unerwartete Schwäche, nach dem steuerliche Förderprogramme ausgelaufen sind. Der Konjunkturoptimismus, der im März vergangenen Jahres zu keimen begann, erhielt damit einen kräftigen Dämpfer. Zwar musste immer damit gerechnet werden, dass die Weltwirtschaft wieder abrutscht, wenn die Konjunkturprogramme auslaufen, zunächst aber gab es positive Zahlen. Das war entscheidend und lieferte genügend Hoffnung, die gepaart mit der bereits reichlich durch die Notenbanken zur Verfügung gestellten Liquidität für eine einzigartige Aufwärtsbewegung an den Aktienmärkten sorgte.
Die Frage, vor der die Aktienmärkte nun stehen, ist deshalb folgende: Dominieren in den kommenden Wochen die Konjunkturdaten das Geschehen, oder wird die Tendenz wieder vom Anlagenotstand bestimmt? Letzterer ist in den vergangenen Wochen nochmals größer geworden. Nachdem es für kurzfristiges Geld ja ohnehin schon kaum mehr als Null Prozent Zinsen gab, werden nun auch Anleihen mit sicherer Bonität immer unattraktiver durch den extremen Rutsch bei den Renditen. Zehnjährige Bundesanleihen bewegen sich derzeit auf zwei Prozent Rendite zu. Sollten die Konjunkturdaten das Geschehen dominieren, dann ist zunächst zu klären, wie sich die US-Konjunktur weiter entwickelt. Ob gerechtfertigt oder nicht, es sind noch immer die Daten aus den USA, die die Tendenz an den Aktienmärkten der Welt bestimmen. Diesbezüglich habe ich nie die Ansicht der Mainstream-Ökonomen vertreten, nach deren Meinung, sich die US-Konjunktur nach der Krise wieder munter erholen werde, wie in der Vergangenheit auch. Diese übersahen völlig den extrem lähmenden Verschuldungsgrad und die strukturellen Schwächen der US-Wirtschaft. Ich bleibe hier insofern pessimistisch, auch wenn es zwischendrin natürlich immer mal wieder Erholungsanzeichen geben könnte. Dennoch glaube ich aber, dass selbst bei weiter schlechten Konjunkturdaten aus den USA, der Anlagenotstand den Kampf um die Tendenz am Ende gewinnen wird.
Sicher würden sich in einem solchen Szenario die Gewinnschätzungen für US-Unternehmen als haltlos herausstellen, sie müssen es aber für die in Fernost, und auch für die vom dortigen Boom profitierende deutschen Unternehmen, noch lange nicht sein. Die Überschuldung und strukturellen Schwächen wie in den USA und auch in manchen Ländern Europas gibt es hier nicht. Und aAuch wenn es derzeit schwer vorstellbar erscheint, ich halte ein Abkoppeln der Schwellenländer-Aktienmärkte und auch der deutschen Börse nicht für unmöglich. Teilweise ist dies ja auch bereits gelungen. Der Dax steht derzeit auf Jahresanfangsniveau, während der breit gefasste S&P 500 Index sechs Prozent darunter liegt.
Stefan Riße, ist Deutschlandchef und Chefstratege von CMC Markets. Bekannt ist er durch seine jahrelange Tätigkeit als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender N-TV. Sein aktuelles Buch „Die Inflation kommt“, steht seit Wochen oben auf den Bestsellerlisten.
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