Fundamentale Nachricht
16:16 Uhr, 24.03.2022

Putin-Rochade bringt Europa in eine Zwangslage

Russisches Gas deckt rd. 40 % des europäischen Verbrauchs, und die Gasimporte der EU aus Russland schwankten in 2022 bisher zwischen 200 und 800 Mio. Euro am Tag. Die Möglichkeit, dass eine Währungsumstellung diesen Handel durcheinander bringen könnte, ließ die Großhandelspreise für Gas gestern um 15 bis 20 % steigen.

Berlin (Godmode-Trader.de) - Russland will für Gaslieferungen in „unfreundliche“ Länder (wie die EU-Mitgliedstaaten) künftig nur noch eine Bezahlung in Rubel akzeptieren, wie Präsident Wladimir Putin am Mittwoch verlautbarte. Die Ankündigung ließ die europäischen Gaspreise prompt in die Höhe schnellen. Den Sorgen um Energieknappheit in Europa wurde neue Nahrung geliefert.

Die Abhängigkeit der europäischen Länder von russischem Gas und anderen Exporten ist seit Moskaus Invasion in der Ukraine am 24. Februar und der anschließenden Verhängung westlicher Sanktionen, die Russland wirtschaftlich isolieren sollen, ins Rampenlicht gerückt. „Russland wird natürlich weiterhin Erdgas in den Mengen und zu den Preisen liefern, die in früheren Verträgen festgelegt wurden", sagte Putin bei einem im russischen TV übertragenen Treffen mit führenden Ministern der Regierung. „Die Änderungen werden sich nur auf die Zahlungsmethode auswirken, die auf russische Rubel umgestellt wird", betonte er.

Russisches Gas deckt etwa 40 Prozent des europäischen Gesamtverbrauchs, und die Gasimporte der EU aus Russland schwankten in diesem Jahr bisher zwischen 200 und 800 Mio. Euro pro Tag. Nach Angaben von Gazprom wurden am 27. Januar 58 Prozent der Erdgasverkäufe an Europa und andere Länder in Euro abgewickelt. Auf den US-Dollar entfielen etwa 39 Prozent der Bruttoverkäufe. Dreistellige Millionenbeträge müssten also für Gasimporte von Euro und Dollar in Rubel getauscht werden, um Lieferungen zu bezahlen. Die Möglichkeit, dass eine Währungsumstellung diesen Handel durcheinander bringen könnte, ließ die europäischen und britischen Großhandelspreise für Gas am Mittwoch um 15 bis 20 Prozent steigen.

Putin hat Europa in eine Zwangslage gebracht. Der Westen unterliefe seine eigenen Sanktionen, wenn er sich Rubel bei Russlands Zentralbank besorge, um Gazprom für Lieferungen zu bezahlen, sagt Jens Südekum, Professor für internationale Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Putin mache einen Vertragsbruch und teste jetzt, „ob wir da mitgehen", so der Ökonom. Dieses Spielchen könne der Westen nicht ernsthaft mitmachen. Putins Schritt dürfte ein Versuch sein, die EU zu zwingen, ihre Sanktionen zu unterlaufen, meinen auch Analysten der Dekabank.

Die Rochade Putins setzt die EU bei ihrem Gipfeltreffen am Donnerstag nun unter Druck, darauf zu reagieren. Einen Importstopp für Gas, Öl und Kohle aus Russland lehnt Berlin bisher ab. Andere EU-Staaten wie Polen sprachen sich dagegen für ein Embargo aus. Ökonom Südekum glaubt, dass mit Putins Ankündigung eine Einstellung der Gaslieferungen zumindest wahrscheinlicher geworden ist.

Die EU-Kommission denkt voraus und plant für den kommenden Winter. „Wir überprüfen Szenarien für eine teilweise und volle Unterbrechung von Gasflüssen aus Russland nächsten Winter", sagte Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis im EU-Parlament.

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