Fundamentale Nachricht
13:04 Uhr, 20.12.2021

Postpandemische Welt markiert eine neue Ära

Die Kapitalmarktexperten von Jupiter Asset Management ziehen ein Resümee aus dem vergangenen, herausfordernden Jahr im Kontext der Corona-Krise und geben einen Ausblick auf das Investmentjahr 2022. Brad Slingerlend beschäftigt sich mit den Chancen der digitalen Revolution.

Eine Rückkehr zur Normalität wird es nicht geben. Dafür werde allein der fortschreitende Digitalisierungstrend sorgen. Als Gewinner dieser Entwicklung sehen wir „Non-Zero-Sum“-Unternehmen, die mehr Wert schaffen, als sie an Ressourcen beanspruchen.

Eine postpandemische Welt wird keine Rückkehr zur Normalität mit sich bringen, sondern den Anfang einer neuen Ära markieren. Sicherlich werden sich einige Vorkrisenmuster wieder einstellen, doch zwei Coronajahre haben Gewohnheiten dauerhaft verändert und Innovationsprozesse beschleunigt. Die Art und Weise, wie sich die Welt wieder zusammensetzt, wird viele der Fragen beantworten, vor denen die Märkte aktuell stehen. Nach mehreren starken Jahren hatten die Aktienmärkte 2021 mit erneuten Inflationsängsten und Sorgen über steigende Zinsen und hohe Bewertungen zu kämpfen. Diese Sorgen werden uns auch 2022 noch beschäftigen.

Wie immer beherrschen die Makrothemen die Schlagzeilen, während sich die Anlagechancen auf der Mikroebene der einzelnen Unternehmen befinden. In Verbindung mit Investitionsdefiziten im Infrastrukturbereich hat die beispiellose Nachfrage nach Gütern zu Lieferengpässen geführt. Inzwischen sehen wir jedoch Anzeichen dafür, dass einige der Lieferkettenprobleme, wie zum Beispiel die Halbleiterknappheit und die Staus in Häfen, ihren Höhepunkt erreicht haben, sodass es hier im nächsten Jahr zu einer Entspannung kommen sollte. Anleger können jedoch nicht realistisch behaupten, dass sie den nächsten Inflationsschub voraussehen können. Inflations- und Zinsprognosen bringen wenig.

Digitalisierung und Automatisierung als Schlüssel zu höherer Produktivität

Die postpandemische Welt wird wahrscheinlich von einem geringen Arbeitskräfteangebot gekennzeichnet sein. Der Arbeitsmarkt wird von den neuen Remote-Working-Möglichkeiten, demographischen Faktoren, der Einwanderungspolitik und den Einstellungen der Generationen geprägt sein. Die Inflation, die entsteht, weil der Wettbewerb um weniger Arbeitskräfte zu Aufwärtsdruck auf die Löhne führt, lässt sich nicht einfach durch mehr Investitionen beseitigen. Dieser Inflationsdruck könnte auch im nächsten Jahr bestehen bleiben. Auf längere Sicht werden jedoch Digitalisierung und Automatisierung der Schlüssel zu einer höheren Produktivität mit einem geringeren Personalbestand sein.

Wir wollen keine Zinsprognosen abgeben. Es ist aber davon auszugehen, dass die Zinsen steigen werden, wenn die wirtschaftliche Erholung und der damit einhergehende Inflationsdruck anhalten. Die starke Entwicklung der Aktienmärkte, an denen Growth-Titel seit mehreren Jahren besser laufen als Value-Werte , spiegelte zum Teil das Niedrigzinsumfeld wider. Investoren sind bereit, mehr für Wachstum zu bezahlen, wenn die Zinsen niedrig sind. Wenn es umgekehrt ist, stimmt das die Märkte dagegen nervös. Obwohl es am Markt einige teure Aktien gibt, die anfällig für einen Zinsschock sind, sehen wir keine weitreichenden Marktexzesse. Auch rechnen wir nicht mit einer Rotation in Value-Titel, falls die Zinsen tatsächlich steigen sollten. Traditionelle Value-Sektoren wie Finanzdienstleistungen und Öl könnten kurzfristig haussieren. Wir sind aber weiterhin davon überzeugt, dass der Markt langfristiges, nachhaltiges Wachstum bevorzugen wird.

Transformation von analog zu digital

Dieses Streben nach langfristigem, nachhaltigem Wachstum bringt uns zur interessanteren Mikrodiskussion für 2022. Genaue Prognosen sind unsinnig, aber wir können uns auf die großen Bereiche konzentrieren, in denen wir anhaltende Veränderungen sehen. Die Pandemie hat die Transformation von analog zu digital beschleunigt. Diese wird das Wachstum der digitalen Wirtschaft in den nächsten Jahrzehnten vorantreiben. Dieser Veränderungsprozess ist die Grundlage für die Software und die Halbleiter, die die Bausteine der digitalen Wirtschaft sind. Wir sind sicher, dass sich der Digitalisierungstrend 2022 fortsetzen wird.

Die Kontaktbeschränkungen während der Pandemie und die Zunahme der arbeitsplatzunabhängigen Arbeit führen zu einer schnelleren Durchsetzung von Onlinehandel, Streaming-Diensten und digitalen Zahlungen sowie einem höheren, damit einhergehenden Bedarf an Cybersicherheitsprodukten. Diese Trends werden auch eine stärkere Durchsetzung digitaler Technologien in Sektoren, die sich der Transformation von analog zu digital bislang widersetzt haben, mit sich bringen. Der Finanzsektor und das Gesundheitswesen könnten eine zunehmende Veränderungsdynamik an den Tag legen und interessante Anlagemöglichkeiten eröffnen.

Unternehmen müssen alle Stakeholder berücksichtigen

Die Unternehmen werden nach Covid-19 auf Herausforderungen stoßen. Die Corona-Pandemie hat den Druck auf den stationären Einzelhandel und bestehende lokale Technologien verstärkt. Unternehmen, die auf die Rückkehr von Arbeitnehmern ins Büro setzen, werden es schwer haben. Geschäftsreisen werden wahrscheinlich für einige Zeit sehr begrenzt bleiben. Gleichzeitig haben die Möglichkeiten für längere Freizeitreisen erheblich zugenommen, da die Verbraucher ihren Freiraum nutzen, von überall aus zu arbeiten. Generell dürften sinkende Markteintrittsbarrieren für Unternehmen zu einer noch größeren Gefahr werden. Die digitale Wirtschaft macht es leichter für Kunden, auf andere Dienstleistungen oder Produkte umzusteigen. Im kommenden Jahr und darüber hinaus dürften Versuche, eine enge Bindung an einen Kundenstamm auszunutzen, zu einer riskanteren Strategie werden. So werden Unternehmen im Jahr 2022 mehr denn je alle Stakeholder berücksichtigen: ihre Mitarbeiter und Kunden genauso wie ihre Lieferanten und die Gesellschaft als Ganzes. Sie werden mehr Wert schaffen müssen, als sie an Ressourcen beanspruchen – wir bezeichnen dieses Win-Win-Konzept als ‚Non-Zero-Sumness‘ und als kritische Voraussetzung für den langfristigen Unternehmenserfolg.

Damit besteht die zentrale Herausforderung für Growth-Investoren nicht in Zinsprognosen. Auch eine zwanghafte Bewertungsorientierung ist nicht geraten. Wenn steigende Zinsen den Wert des Wachstums reduzieren, sollten sich Anleger unserer Ansicht nach auf die Bereiche konzentrieren, in denen das Wachstum am stärksten und dauerhaftesten ist. Unser Blick auf die Welt trägt der Unvorhersehbarkeit globaler Entwicklungen Rechnung, anstatt sich auf präzise Vorhersagen der Zukunft zu stützen. Damit ist er ideal geeignet für den Übergang von einer analogen zu einer digitalen Wirtschaft. Wir glauben, dass „Non-Zero-Sum“-Unternehmen, die die mehrere Jahrzehnte andauernde Umstellung von analoger Technik auf digitale Technologien weiter vorantreiben, in jedem wirtschaftlichen Umfeld erfolgreich sein und Anlegern ein maximales Wertzuwachspotenzial bieten werden.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren